Der Juli-Putsch und das Dollfuß-Attentat
Am 25. Juli 1934 um 12.53 Uhr fuhren mehrere Lastautos mit 150 als Bundesheersoldaten verkleideten SS-Männern in den Hof des Bundeskanzleramts am Wiener Ballhausplatz. Die Wache ließ sich täuschen und wurde entwaffnet.
Am 25. Juli 1934 um 12.53 Uhr fuhren mehrere Lastautos mit 150 als Bundesheersoldaten verkleideten SS-Männern in den Hof des Bundeskanzleramts am Wiener Ballhausplatz. Die Wache ließ sich täuschen und wurde entwaffnet. Um 13 Uhr wurde Bundeskanzler Dollfuß, der sich über eine Seitenstiege in Sicherheit bringen wollte, durch zwei Schüsse schwer verletzt.
Kein Arzt wurde herbeigeholt. Auch ein Priester wurde dem Kanzler verwehrt. Um 15.45 Uhr war der Kanzler tot. Der Putsch scheiterte rasch. Das Bundeskanzleramt war von Polizei und Bundesheer umstellt. Auch das Radio-Funkhaus war um 15 Uhr wieder in der Hand der Regierung. Um 19 Uhr ergaben sich auch die SS-Leute im Kanzleramt.
Außerhalb Wiens kam es nur in Kärnten und in der Steiermark zu schwereren Kämpfen. Während der Aufstand in der Steiermark schon am Abend des 26. Juli zusammenbrach, konnten sich die Putschisten im Kärntner Lavanttal bis zum 30. Juli behaupten. In Oberösterreich griffen in der Nacht zum 27. Juli Angehörige der „Österreichischen Legion“ einige Grenzorte im Oberen Mühlviertel an. Den Schlusspunkt bildete ein Gemetzel am Pyhrnpass. Der JuliPutsch forderte insgesamt 230 Todesopfer, 119 auf Seiten der Regierung, darunter zahlreiche unbeteiligte Zivilisten, und 111 auf der Seite der Putschisten.
Aus Deutschland gesteuert
Dass der Putschversuch in Wien und die anschließenden Kämpfe in den Bundesländern von Deutschland aus gesteuert waren, war offenkundig, auch wenn das Deutsche Reich dies heftig bestritt. Als wichtigstes Beweisstück dient der als „Kollerschlager Dokument“ bekannt gewordene Aufstandsplan, der bei einem in der Nacht vom 25. auf 26. Juli an der Grenze bei Kollerschlag verhafteten deutschen Kurier gefunden wurde.
Insgesamt bedeutete der Juli-Putsch die schwerste Niederlage Hitlers bis weit in den Weltkrieg hinein. War es die dilettantische Planung, die zu einem so raschen Zusammenbruch des Putsches führte, wie die von Deutschland aus gesteuerten Nationalsozialisten nachträglich behaupteten und wie es bis heute gerne gesehen wird, um ja nicht dem Widerstandswillen der Österreicher einen Erfolg zuzugestehen, oder waren es das energische Vorgehen der Österreicher und der Rückhalt, den Dollfuß in der Bevölkerung besaß, der dazu führte, dass sich Österreich vorerst behauptete?
Märtyrer, Arbeitermörder?
Dollfuß, das prominenteste Opfer des NS-Terrors, polarisiert bis heute: Märtyrer oder Arbeitermörder, Wegbereiter des Untergangs oder erster Gegner Hitlers, Diktator oder christlichsozialer Utopist, Held oder kleiner Faschist? Als unehelicher Sohn einer Bauernmagd und eines Müllergehilfen war er auf dem Bauernhof seines Stiefvaters aufgewachsen, wurde Knabenseminarist, mehrfach ausgezeichneter Offizier, zuletzt Oberleutnant an der Dolomitenfront und machte vorerst eine glänzende Karriere im Niederösterreichischen Bauernbund, als Direktor der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und als Landwirtschaftsminister.
Am 20. Mai 1932 bildete er, um eine drohende Neuwahl zu verhindern, mit dem Landbund und dem Heimatblock eine Koalition, die nur über eine Stimme Mehrheit im Parlament verfügte.
Der Weg in die Diktatur
Das war der Hintergrund für das Abstimmungspatt am 4. März 1933, als alle drei Parlamentspräsidenten, um mitstimmen zu können, der Reihe nach zurücktraten und damit den Vorwand für die Ausschaltung des Parlaments lieferten.
Die Regierung flüchtete in die Diktatur, um Neuwahlen auszuweichen, die 1933 mit großer Wahrscheinlichkeit ähnlich wie in Deutschland auch in Österreich eine relative Mehrheit für die Nationalsozialisten bringen hätten können.
Der Weg in die Diktatur war ein schwerer Verstoß, der dadurch nicht kleiner wird, dass alle relevanten politischen Gruppierungen der Zwischenkriegszeit einen solchen Schritt als Ausweg in ihren Programmen hatten. Dollfuß, der niemals Parlamentarier war, fehlte das Verständnis für parlamentarische Verhandlungen.
Doch man mag Dollfuß zugute halten, Österreich vier Jahre Aufschub für die Vereinnahmung in das Dritte Reich erkämpft und dem Land damit 1945 zum Status eines befreiten Landes verholfen zu haben, auch wenn so viele Österreicher an den NS-Gräueln als Mitschuldige und Mittäter hervortraten.
Dollfuß selbst hatte anders als viele seiner Gefährten und Gegner, von Kurt Schuschnigg bis Karl Renner, nicht mehr die Chance, sich nach 1945 als geläuterter Demokrat zu präsentieren und so in die Geschichtsbücher einzugehen.
Dollfuss als tragisches Opfer der Gewalt, das ist sicher unbestritten.
Aber gerade er sollte gewusst haben wie das so ist mit Wind und Sturm (Bibel).
Dollfuss jetzt zu glorifizieren, gleiches wurde auch durch Schuschnigg in seinen Rechtfertigungen (auch seine Gattin und Sohn) versucht, ist objektiv nicht angebracht.
Klar war die Demokratie ein noch junges Pflänzchen. Aber es ging auch um Grundsätzlichkeiten, zB. wie geht man mit den Bürgern um, die letztlich den Staat auch (er-)tragen müssen.
Leichtfertig Todesurteile ohne Gnade zu verfügen, war sicher keine „notwendige Alternative“.