Einigung noch vor Weihnachten? Tarifstreit-Verhandlungen bei VW
WOLFSBURG/HANNOVER. Morgen könnte sich entscheiden, wie es für die rund 130.000 Beschäftigten des Autobauers weitergeht.
Mit einem zweitägigen Verhandlungsmarathon wollen der kriselnde deutsche Autogigant VW und die dortige Gewerkschaft IG Metall kommende Woche versuchen, den Tarifstreit bei Volkswagen doch noch vor Weihnachten beizulegen. Beide Seiten wollen am Montag erneut zusammenkommen - und notfalls auch den Dienstag anhängen. Von einer echten Annäherung sprechen beide bisher jedoch nicht.
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Beide Seiten treffen sich dieses Mal nicht am VW-Stammsitz in Wolfsburg, sondern in einem Hotel im norddeutschen Hannover. Beginnen soll die fünfte Runde der Verhandlungen am Montag um 11 Uhr. Wie lange sie gehen wird, ist nach Angaben der IG Metall nicht abzuschätzen - nicht mal hinsichtlich des Tages.
Volkswagen fordert wegen der Konzernkrise von den Mitarbeitern eine zehnprozentige Lohnkürzung und will zudem diverse Boni sowie Zulagen streichen. Auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen sind weiter angedroht. Die IG Metall fordert hingegen den Erhalt aller Standorte und eine Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter. Dauerhafte Einschnitte beim Monatslohn lehnt sie ab.
Verbale Abrüstung
Zumindest verbal hatten beide Seiten bei der vorangegangenen Tarifrunde spürbar abgerüstet. VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel sprach nach sieben Stunden Verhandlung von konstruktiven Gesprächen und Fortschritten in der Diskussion. Verhandlungskreisen zufolge wurde erstmals ernsthaft verhandelt, statt nur festgefahrene Positionen auszutauschen.
Auch IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger berichtete von einem deutlich konstruktiveren Gesprächsklima. Beide Seiten betonten aber, inhaltlich liege man noch weit auseinander. "Die Atmosphäre unserer jüngsten Gespräche kann man vielleicht am ehesten als "bedingt gestaltungsbereit" beschreiben", sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die für die IG Metall mit am Verhandlungstisch sitzt.
Drohung mit weiteren Warnstreiks
Zugleich droht die IG Metall: Sollte es vor Weihnachten keine Einigung geben, behalte sie sich vor, die Warnstreiks im neuen Jahr deutlich auszuweiten. "Nun heißt es: Entweder wird kurz vor Weihnachten seitens des Unternehmens die Weiche richtig gestellt, oder wir laufen 2025 in eine massive Eskalation", sagte Gröger.
Bereits die vergangene Tarifrunde war von einem erneuten Warnstreik an neun der zehn deutschen VW-Standorte begleitet worden. Laut IG Metall beteiligten sich insgesamt 103.000 Beschäftigte an dem inzwischen zweiten Ausstand. VW sprach dagegen nur von 55.000 Teilnehmern, die bei der Arbeitsagentur gemeldet wurden. Die Gewerkschaft erklärte die Abweichungen mit unterschiedlichen Ansichten über die Meldepflicht von Warnstreikteilnehmern.
Das nahende Weihnachtsfest hat bei VW bereits in der Vergangenheit wiederholt den Druck erhöht, Konflikte vorher beizulegen. Vor einem Jahr einigten sich Konzern und Betriebsrat am 19. Dezember nach monatelangem Ringen auf Eckpunktes eines ersten Effizienzprogramms. Schnell erwies sich dieses als nicht ausreichend - deshalb will VW jetzt nachlegen.
"Schattentarif" wird zum Kostenrisiko
Was den Einigungsdruck dieses Mal zusätzlich erhöht: Sollte es bei der Beschäftigungssicherung keine Einigung geben, tritt Mitte 2025 ein sogenannter "Schattentarif" in Kraft, der seit 1993 auf Eis lag. Statt billiger würde es für VW dann sogar teurer werden. Betroffen wäre rund die Hälfte der Belegschaft, die bereits vor 2005 an Bord war. Laut "Handelsblatt" würde es im Schnitt eine Erhöhung um 4,5 Prozent geben - ganz ohne Tarifabschluss. Ein bis zwei Milliarden Euro würde das VW am Ende kosten.
Sollte es dazu kommen, so drohte VW bereits, wären erst recht betriebsbedingte Kündigungen notwendig. Möglich wäre das ab Juli 2025. Auch das Unternehmen strebt daher eine Anschlussregelung an, die das verhindert. Die bisher bestehende Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen seit 1993 ausschloss, hatte der Konzern im September gekündigt.
Die Gewerkschafter knallen jetzt auf dem Boden der Realität auf.
Maßnahmen gegen Wettbewerbsnachteile kann man nicht wegstreiken oder wegstreiten.
Vielleicht sollten sich die VW-Beschäftigten der deutschen Standorte in die Niederungen des IG Metall-Tarifvertrages begeben. Mit dem bestehenden Haus-Tarifvertrag sollen es bisher etwa 30% mehr Einkommen sein.
Die weniger privilegiert Beschäftigten der Auslandsstandorte und der Schwestermarken sind nicht allein für einen ausreichenden Gewinn des Gesamt-Konzerns verantwortlich. Und Zulieferer werden auch nicht überleben, wenn man ihnen die Luft völlig abdreht.