Wie man Krisen übersteht
Psychiaterin Katharina Glück erklärt im Interview, wie man schwierige Zeiten meistert und gestärkt daraus hervorgeht. Am OÖN-Frauentag am Freitag nimmt die Ärztin mit drei Betroffenen an einer Podiumsdiskussion teil.
Ob der Tod eines geliebten Menschen, das Ende einer Beziehung, der Beginn einer Krankheit: „Es gibt hunderte Gründe für eine Krise – und niemand ist dagegen gefeit. Im Gegenteil, jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens traurige Phasen“, sagt Katharina Glück, Leiterin der Abteilung für Psychiatrie am Klinikum Wels-Grieskirchen. Die Ärztin spricht am OÖN-Frauentag am 4. März – und im Interview – darüber, wie man Krisen nicht nur gut meistert, sondern auch gestärkt daraus hervorgeht.
OÖN: Krisen sind furchtbar – die würde jeder gern vermeiden …
Katharina Glück: Das funktioniert nur leider nicht. Wir alle haben in unserem Leben schwierige Zeiten. Die Frage ist nur, wie wir sie bewältigen. Im Grunde ist eine Krise eine Situation, die uns veranlasst, uns weiterzuentwickeln.
Gelingt das allen Menschen?
Jeder von uns hat einen mehr oder weniger großen Werkzeugkoffer, um eine Krise zu bewältigen – und dieser Werkzeugkoffer heißt Resilienz. Der Begriff bedeutet so viel wie psychische Widerstandskraft. Je resilienter ich bin, desto krisenfester bin ich auch.
Hat man diese Resilienz automatisch?
Nein, und es hat auch nicht jeder gleich viel davon. Ein Teil ist genetisch, ein Teil wird uns mitgegeben und hängt davon ab, wie wir aufgewachsen sind. Mussten wir schon in der Kindheit Verlustängste durchstehen, ist unsere Widerstandskraft von Anfang an geringer. Resilienz wächst aber mit jeder Krise, die wir gut gemeistert haben. Denn wir lernen Verhaltensmuster und Methoden, die uns da durchhelfen. Und wir bekommen die Gewissheit, dass diese Strategien wieder funktionieren. Dieses Vertrauen hilft uns durch weitere Krisen.
Kann man seine psychische Widerstandskraft fördern?
Ja – indem man sich ein gutes soziales Netzwerk aufbaut, mit Freunden und Familie, denn wer gut eingebettet ist, fühlt sich nicht allein. Deshalb ist es auch so wichtig, Kontakte zu pflegen und wertschätzend miteinander umzugehen. Außerdem sollte man gut für sich selbst sorgen und mit seinen Kräften haushalten.
Wann muss ich mir Hilfe holen?
Wenn man das Gefühl hat, in einer Sackgasse zu stecken, man verzagt und lebensüberdrüssig ist: Dann ist es höchste Zeit, sich Hilfe zu suchen – bei Freunden, in der Familie – oder sich sogar eine Therapie zu überlegen. Vor allem dann, wenn man vielleicht schon in eine Depression gerutscht ist und von allein nicht mehr herausfindet.
Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden, stimmt das?
Mit der Zeit wird vieles leichter, das stimmt natürlich – aber man muss auch etwas dafür tun. Ganz wichtig ist es, auch in einer Krise darauf zu achten, handlungsfähig zu bleiben. Eine dysfunktionale, also nicht funktionierende Art, Krisen zu bewältigen, wäre etwa Alkohol. Der betäubt zwar, löst aber nichts. Im Gegenteil, damit hat man schnell ein Problem mehr. Auch sozialer Rückzug bringt einen nicht weiter.
Und was bringt einen weiter?
Aktiv zu sein, auch an dunklen Tagen, trotzdem unter Menschen gehen, vielleicht ein neues Hobby lernen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Das alles hilft dabei, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. So entsteht eine positive Spirale, die einen wieder nach oben zieht.
„Auch in dunklen Stunden das Gute rundherum sehen“
Barbara Pachl-Eberhart hat wohl das Schlimmste erlebt, das man sich vorstellen kann. 2008 verlor die heute 47-Jährige bei einem schrecklichen Autounfall ihren Mann und ihre beiden Kinder.
Dennoch hat sie es geschafft, weiterzumachen. „Mir hat es damals geholfen, auch in den dunklen Stunden darauf zu schauen, was gut und positiv ist in meinem Leben“, sagt die Autorin, die ihre Geschichte auch in dem Buch „Vier minus drei“ (Heyne Verlag) erzählt.
Ihr persönlicher Tipp: Wenn man schlimme Phasen durchmacht, sei es besser, die Zeit in kleinere Einheiten zu gliedern, also etwa nicht die Jahre der Pandemie zu sehen, sondern vielleicht nur jeden einzelnen Tag oder eine Stunde. Und diese bewusst mit schönen Dingen zu füllen. „Das Leben ist ja nichts anderes als die Summe vieler kleiner Momente, in denen es uns mal schlechter geht, mal besser. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, wenn wir glücklich sind.“
„Ich bin täglich dankbar, dass es mir gut geht“
Ihre Corona-Erkrankung im Februar 2021 samt Aufenthalt auf der Intensivstation hat Karin Janisch aus Perg dauerhaft geprägt – in positiver Weise, wie die Fitnesstrainerin sagt. „Heute bin ich jeden Tag dafür dankbar, dass es mir so gut geht.“ Sie fühle sich gelassener als davor und versuche, „nur die positiven Dinge zu sehen“. Auch habe sich seither die Bedeutung vieler Dinge verändert, wie die 47-Jährige sagt: „Ich versuche, Oberflächlichem nicht mehr nachzujagen.“
Was ihr während dieser Zeit geholfen habe? Zum einen mentale Stärke. „Du musst vom Kopf her sehr stark sein und zum Körper sagen ,Du schaffst das’“. Atemmeditation habe ihr zudem zu innerer Ruhe auf der Intensivstation verholfen und körperliches Training zur raschen Wiedererlangung ihrer Fitness. Zum anderen hätten später aber auch Gespräche mit Gleichgesinnten und der Aufenthalt in der Natur dabei geholfen, das Erlebte zu verarbeiten.
„Musste lernen, meine Gefühle zu spüren“
Es begann im Jahr 2012, als das Familienleben von Angela Pointner und ihrem Mann, dem gebürtigen Grieskirchner Ex-Skispringer Alexander Pointner, immer weitere Schicksalsschläge mit sich brachte. Zunächst erkrankten der älteste Sohn sowie der Familienvater an Depressionen, später auch Tochter Nina und nun auch Paula. Nina unternahm schließlich 2014 einen Suizidversuch, fiel danach ins Wachkoma und starb ein Jahr später. „Mein Körper war ein Jahr lang in einem ständigen Alarmzustand“, sagt Pointner heute. „Doch ich hab nicht gespürt, wie hoch meine Anspannung dauerhaft war.“
Die 50-Jährige, die heute als Regenerationscoach arbeitet, nahm therapeutische Hilfe in Anspruch. Und lernte dadurch, „alle meine Gefühle, auch Wut und Trauer, zu spüren und zuzulassen“, sagt sie. „Dadurch ist die Wut verschwunden. Und dadurch hat sich die Liebe zu Nina und zum Leben insgesamt wieder verstärkt.“ Mit ihrem Mann hat sie darüber auch ein Buch geschrieben („Mut zum Absprung“, Seifert Verlag).
OÖN-Frauentag, Freitag, 4. März, in den Promenaden Galerien
- 09.30 Uhr: Begrüßung mit Susanne Dickstein (OÖN-Chefredakteurin), Christine Haberlander (LH-Stellvertreterin), Michael Strugl (Vorstandsvorsitzender Verbund)
- 10 bis 11 Uhr: "Was ist schon Alter?" mit Birgit Fenderl (ORF-Moderatorin), Andrea Oßberger (Plastische Chirurgin), Gerda Rogers (Astrologin), Milva Spina (Model)
- 11.15 bis 11.45 Uhr: Stylingaktion "Die Frau in Grau"
- 12 bis 12.45 Uhr: Gespräch mit Erika Pluhar
- 13 bis 13.45 Uhr: "Schau auf dich!" mit Monika Aichberger (Apothekerkammer OÖ), Elisabeth Bräutigam (Ordensklinikum), Gudrun Piringer (Uniklinikum), Maria Sauer (Krebshilfe OÖ)
- 14 bis 14.45 Uhr: Diskussion zum Thema Femizide mit Anna Maria Dieplinger (Expertin für Gendermedizin), Christine Haberlander (VP), Eva Maria Holzleitner (SP), Beate Meinl-Reisinger (Neos)
- 15 bis 15.45 Uhr: "Gestärkt durch Krisen" mit Katharina Glück (Psychiaterin), Karin Janisch (Fitnesstrainerin), Barbara Pachl-Eberhart (Pädagogin), Angela Pointner (Regenerationscoach)
- 16 bis 16.45 Uhr: "Frauen als Joker in der Industrie" mit Ilse Burgstaller (GF RZL Software), Lisa Csenar (Leiterin Projektentwicklung Verbund Green Power), Therese Niss (Initiatorin MINTality) sowie Elisabeth Punzhuber (GF Gesellschafterin Hill International)
- 17 Uhr: Kabarettistin Monica Weinzettl
Teilnahme: Es werden vor Ort Restplätze vergeben. Vorbeikommen lohnt sich also. Alle Infos auf nachrichten.at/frauenzeit. Außerdem gelten 2G-Nachweis und Maskenpflicht.
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