Als Herr Reichel den Server sprengte
Wenn der Leser zum User wird: Chatroom statt Sprechzimmer – die gute alte Telefonstunde ist aus der Mode gekommen, die Kommunikation zwischen den Sport-Fans und den Promis hat sich zunehmend auf die Online-Plattform verlagert.
"Du Goldi, lass’ di vom Schröcksi ned ärgern, der soll amoi söba do obihupf’n." Ein spürbar erregter Anrufer aus dem Innviertel machte am 21. März 1995 in der Telefonstunde der OÖNachrichten seinem Ärger Luft. Andreas Goldberger war als frischgebackener Gesamt-Weltcupsieger in der Sportredaktion gelandet und eine Stunde lang telefonisch auf Draht. Am Horizont hatte sich damals schon ein Konflikt mit dem ÖSV-Präsidenten angebahnt, der viele Anrufer erregte. Andere, vor allem junge weibliche Fans, wollten ganz einfach nur mit ihrem Goldi ein paar Worte wechseln.
Inzwischen wird nicht mehr telefoniert, sondern vor allem gechattet, wenn Sport-Promis mit ihren Fans kommunizieren. Die Leser stellen als User ihre Fragen, man trifft sich nicht im Sprechzimmer, sondern im Chatroom der Online-Plattform. Dass auch so ein Chatroom aus allen Nähten platzen kann, zeigte sich bei einem legendären OÖN-Chat mit LASK-Präsident Peter-Michael Reichel am 24. November 2010. Nicht nur der Welser war überwältigt von den hohen Zugriffszahlen, sondern auch unser Server. Dieser erlitt kurz einen Zusammenbruch. Reichel wertete das damals als positives Signal: "Dieser Ansturm zeigt, wie wichtig das Thema LASK in Oberösterreich ist."
Kollers treffsichere Prognose
Ähnlich hohe Zugriffszahlen wie der LASK-Präsident erreichte der Chat mit ÖFB-Teamchef Marcel Koller, der am Beginn seiner Amtszeit, am 21. November 2011, die OÖN besuchte und für viele Fußball-Fans damals ein unbeschriebenes Blatt gewesen ist. Der Schweizer erwies sich auch beim Doppelpass im Internet als professioneller Arbeiter und kontrollierte jede Antwort ganz genau, bevor man sie Online stellen durfte.
Rückblickend betrachtet war Koller mit seinen Prognosen sehr treffsicher, als er beispielsweise meinte, dass seine junge Mannschaft ein hohes Potenzial hätte, sich "sehr gut weiter zu entwickeln". Auf die Anregung vieler Leser/User, den damals ungeliebten Marko Arnautovic aus dem Nationalteam zu werfen, gab Koller übrigens folgende Antwort: "Ich werde immer wieder aufgefordert, dass ich ihn rausschmeißen soll. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass er fußballerische Qualitäten hat. Ich will mit ihm arbeiten und schauen, was möglich ist."
Nochmals zurück zum LASK: Als am Ende des Jahres 2013 die Übernahme des Linzer Traditionsvereines die heiße Phase erreicht hatte und in den Medien wild spekuliert wurde, wählte Reichel noch einmal den OÖN-Chat, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Die Frage nach seinem größten Fehler beantwortete er am 25. November 2015 so: "Dass ich beim LASK eingestiegen bin und meinen guten Freund Helmut Oberndorfer mit ins Boot geholt habe."
Vier Wochen später war Reichel als Fußball-Präsident Geschichte und die "Freunde des LASK" am Ruder. Immer noch an Bord: Reichels guter Freund Helmut Oberndorfer.
3 Fragen an Peter Klinglmüller
Der 41-jährige Welser ist seit Februar 2012 als „Head of Communication“ bei Fußball-Rekordmeister SK Rapid Wien für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Zuvor war er sechs Jahre lang Pressemann der ÖFB-Nationalmannschaft.
Inzwischen haben sich viele Kommunikationskanäle für die Medienarbeit aufgetan. Wie erleben Sie die Veränderung?
Das, was sich in den vergangenen 15 Jahren auf diesem Gebiet ereignet hat, ist keine Veränderung, da ist eine Revolution passiert. Wie so vieles im Leben gibt es auch hier eine gute und eine schlechte Seite. Grundsätzlich ist jetzt das Handling der Kommunikation etwas leichter, man erreicht sehr direkt seine Zielgruppe. Zum Beispiel haben sich die Neujahrsgrüße unserer Mannschaft online binnen weniger Stunden mehr als 500.000 Leute angeschaut.
Ist ein „Live-Chat“ bei einem Medium ein Format, das bei den Sportlern und Trainern gut ankommt?
Die heutige Spielergeneration hat damit überhaupt keine Probleme. So ein Chat ist ja nichts anderes als ein Interview per WhatsApp. Der ehemalige ÖFB-Teamchef Josef Hickersberger war auch immer sehr aufgeschlossen, was die neuen Medien betrifft.
Wo sehen Sie als PR-Profi die Gefahrenseite der schönen neuen PR-Welt?
Man muss sich immer bewusst sein, dass man Dinge, die einmal ins Netz gestellt wurden, nicht mehr so leicht entfernen kann. Ein Chat-Protokoll ist auf ewig abrufbar – da sollte man sich schon genau überlegen, wie viel man von sich preisgibt.