Wie viele Freunde haben Sie?
Vervielfacht: Die Zahl der Freunde hat sich in Zeiten von Facebook rasant gesteigert – statt ein bis zwei beste Freunde hat der durchschnittliche Facebook-Nutzer rund 342 Menschen, die er zu seinem virtuellen Freundeskreis zählen kann - doch sind diese neuen Freunde echte Freunde?
Dass wir vor nicht allzu langer Zeit ohne E-Mails und Handy, ohne WhatsApp und Facebook ausgekommen sind, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Die Digitalisierung bestimmt unser Leben im Jahr 2015. Sie wirkt auch auf die Wahl unserer Freunde und auf die Größe unseres Freundeskreises.
Das Internet ermöglicht ein weit gespanntes Geflecht aus Bekanntschaften. Rund 342 Freunde hat der durchschnittliche Facebook-Nutzer. Mit diesen teilt er Fotos, Gedanken, Erinnerungen und Kochrezepte. Doch während Freunde früher Teil eines engen sozialen Verbandes waren, bietet das Internet eine Vielzahl lockerer, schwacher Beziehungen.
Oberflächliche Kontakte
Der Berliner Bildungs- und Jugendforscher Klaus Hurrelmann erklärt die Vorteile von Facebook für zwischenmenschliche Beziehungen so: „Durch die technischen Möglichkeiten kann man seinen Freundeskreis stabil halten, erweitern, jederzeit ansprechen. Eigentlich müsste das den sozialen Kontakten einen Aufschwung geben; es könne aber auch sein, dass die Kontakte oberflächlicher werden.“
Die amerikanische Soziologin Sherry Turkle schreibt in ihrem Buch „Verloren unter 100 Freunden“, dass vielen Menschen das Pflegen von Beziehungen zu kompliziert geworden sei. Durch das ständige Kommunizieren im Netz würden sie verlernen, echte Gespräche zu führen. Trotz vieler Facebook-Freunde seien viele Menschen einsam. „Technologien wie Facebook geben uns die Illusion von Gesellschaft, ohne die Anforderungen von Freundschaft, die da wären: Verlässlichkeit, Vertrauen, Verbindlichkeit“, analysiert Turkle. Laut Forschern der Universität Chemnitz ist es egal, ob man 50 oder 1000 Facebook-Freunde hat: Ein Mensch kann grundsätzlich nur ein bis zwei beste Freunde haben, und die können, was das Internet nicht schafft: zwischenmenschliche Wärme vermitteln.
Wer im Internet zum Freund wird, hängt oft auch weniger vom Charakter ab als vielmehr davon, wie nützlich derjenige ist. Im Netz gilt das Motto: Eine Hand wäscht die andere. Ist der Nutzen nicht mehr gegeben, etwa weil gegenseitige Empfehlungen und wohlwollende Einträge ausbleiben, versanden die Beziehungen schneller als im realen Leben.
Unglücklich durch Vergleich
Die Psychologen Christina Sagioglou und Tobias Greitemeyer von der Universität Innsbruck haben erforscht, wie sich das Internet auf unsere Laune auswirkt. Ergebnis: Facebook kann Menschen unglücklich machen.
Die Nutzer kehren aber trotzdem zurück, weil sie das Gegenteil erwarten – dass sie zufriedener sind, wenn sie etwas Zeit mit ihren Online-Freunden verbracht haben.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass täglich hunderte Millionen Menschen Aktivitäten nachgehen, die sie als nicht sehr bedeutungsvoll einstufen, was wiederum ihre Stimmung trübt“, so die Forscher.