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Helmut Retzl

12. März 2007, 00:00 Uhr

Blick in die Vergangenheit für Zukunftspläne

Helmut Retzl gehört zu jenen Menschen, die den Blick in die Vergangenheit nutzen, um sich selbst und die soziale Umgebung besser zu verstehen. Für den zweifachen Doktor und Professor an der Pädagogischen Hochschule in Linz, hat der Weg in der Kindheit steinig begonnen. Aufgewachsen in Steyr-Münichholz, dem "Glasscherbenviertel", wie man den Stadtteil damals nannte, musste er als Kind einer einfachen Arbeiterfamilie, praktisch ab der ersten Stunde ums Überleben kämpfen. Was ihm dabei auffiel, war die Tatsache, dass er in diesem Überlebenskampf nicht alleine war. "Die sozialen Rahmenbedingungen im Münichholz der 1960er Jahre waren für den Großteil der Familien ziemlich gleich trist. Der Druck, etwas werden zu müssen, hat uns einen enormen Motivationsschub gegeben", resümiert der studierte Soziologe und Politikwissenschafter.

Gerade weil die Nachkriegskinder in Münichholz in besonders ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen, war der emotional geprägte Lebensstil äußerst nachhaltig. "Trotz ständiger Konflikte war die gegenseitige Akzeptanz sehr groß und das Zusammenhalten im Ernstfall so etwas wie ein Ehrenkodex", erinnert sich Retzl an seine Kindheitserlebnisse.

Genau diese Erfahrungen haben ihm auch eine Grundfrage menschlichen Zusammenlebens deutlich vor Augen geführt und beschäftigen ihn bis heute: Wie kann ich Individualismus wahren, ohne das Gemeinschaftsgefühl zu vernachlässigen? Mit der Gründung des "Instituts Retzl", hat sich der "Selfmademan aus Steyr" genau jene Basis geschaffen, die es ihm ermöglicht, unabhängig und parteiübergreifend schwierigste sozial-politische Probleme in diesem Umfeld zu lösen. Aktive Bürgerbeteiligungsmodelle stehen dabei im Mittelpunkt. Die Referenzliste seines Institutes liest sich mittlerweile wie die Geschichte der vertracktesten Problemfälle der letzten Jahrzehnte: Müllverbrennungsanlage Wels, Kraftwerk Lambach, Mühlviertler Schnellstraße S 10, Gemeindezusammenlegung Weyer Stadt & Land, das sind nur die medienwirksamsten. (loc)

Eigenes Institut

Geboren: 26. Jänner 1956 in Steyr. Bis zur 2. Kl. HS in Münichholz, dann Gymnasium Steyr. 1974 Matura. Lehramt an der Pädak. Linz. HS-Lehrer in Linz. Parallel Studium der Soziologie. 1985 Promotion. Anschließend Studium der Geschichte und Politikwissenschaft. Dr. phil. 1988. Seit 1985 Prof. an der Pädak. Linz. 1987 Gründung eines Forschungsinstitutes für Gemeindeentwicklung.

Kindheitserinnerungen: Der Wald in Münichholz, der pfeifende, rauchende Zug bei der Bahnhaltestelle und das Baden im Ramingbach bei der Vogerlwehr oder der 1000-jährigen Linde.

Lebenserfahrung: Erfahrungen muss man selbst machen, sie haben unmittelbaren Wert und Charakter. Sie sollten dazu dienen, im letzten Lebensabschnitt etwas weitergeben zu können.

Freundschaft: ein manchmal missbrauchter Begriff, aber ansonsten ein absolutes Elexier des Menschseins.

Motivation: Meine Eltern sind immer hinter mir gestanden. Das hat mich motiviert.

Soziale Botschaft: Gebt den junge Menschen die Werkzeuge, die sie brauchen, aber lasst sie die Berge selbst wegschaufeln.

Zukunftsvision: Ohne Vision keine Zukunft. Die Gesellschaftsveränderung kann und muss mit den Menschen geplant werden und darf nicht von oben bestimmt werden.
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