Buchtipp: Durchs wilde Kirgistan
Die gebürtige Oberösterreicherin Daniela Emminger präsentiert ihren neuen Roman "Kafka mit Flügeln" Ende April im StifterHaus. Christian Schacherreiter hat ihn gelesen.
Sie ist eine sprachmächtige und risikofreudige Autorin, diese Daniela Emminger. Nach ihrer feinsinnig-ironischen Novelle "Gemischter Satz" hat sie jetzt ein monströses literarisches Schwergewicht von fast 500 Seiten gestemmt. "Kafka mit Flügeln" ist Reise- und Abenteuerroman, Liebesgeschichte, Wissenschaftskritik, Groteske und Science-Fiction in einem Band. Kann das gutgehen? Nehmen wir es vorweg. Dieser Roman hebt sich vom Mainstream ab und vieles ist der Autorin gelungen. Dennoch werden nicht alle restlos glücklich sein mit diesem Stil- und Genremix.
Die Protagonistin Sybille Specht ist Veterinärmedizinerin, widmet sich aber nicht den Tieren in Haus, Hof und Stall, sondern der Forschung. Die anerkannte Wissenschafterin ist nach dem unerwarteten Tod ihres Mannes und ihrer Eltern in eine massive Lebenskrise geraten. In einem erhellenden Moment der Gnade – man kann es nicht anders nennen – sieht Sybille wieder Licht am Horizont, findet ein, wie ihr scheint, sinnstiftendes Zukunftsziel.
Sie will in Kirgistan nach einem verlorenen Freund aus Kindheitstagen suchen. Samat, hervorgegangen aus der glücklosen Verbindung einer Österreicherin mit einem Kirgisen, ist vor 26 Jahren plötzlich verschwunden, um zu seiner Herkunftsfamilie zurückzukehren. Die Romanheldin bricht daher zur Reise ins wilde Kirgistan auf. Die Ankunft in der Hauptstadt Bischkek ist für Sybille Specht ein Fremdheitserlebnis. Daniela Emminger, die Kirgistan selbst bereist hat, vermittelt die ambivalenten Eindrücke und Emotionen ihrer Protagonistin sehr anschaulich, die unbekannte Sprache, die synästhetische Wahrnehmung ungewohnter Gerüche, Geräusche und Bilder. Hitze, Staub und Lärm sind ebenso gewöhnungsbedürftig wie der Mangel an vielem, das in Europa selbstverständlich geworden ist. So nach und nach lernt Sybille, sich in der neuen Umgebung zu orientieren, sie hat auch sympathische Helfer, vor allem weibliche, und sie findet nicht nur die Spur von Samat, sondern auch Hinweise auf eine spektakuläre wissenschaftliche Entdeckung.
Spätestens hier verlässt Daniela Emminger die Stilebene des realistischen Reiseromans und bedient sich reichlich an den Erzählstrategien der Abenteuer- und Science- Fiction-Literatur. Problematische Experimente mit der DNA von Schmetterlingen und Menschen bringen nicht nur Samat, sondern auch Sybille in lebensgefährliche Situationen. Es geht um nichts Geringeres als die Erzeugung eines neuen Menschen, der dem intellektuellen und ethischen Mängelexemplar homo sapiens überlegen sein soll. Für wissenschaftliche Revolutionen dieser Tragweite interessieren sich auch dunkle Mächte. Wir können aber beruhigt sein: Erstens gibt es ein Happy End und zweitens, zwinkert uns die Erzählerin ironisch zu, ist das alles vielleicht eh nur ein modernes kirgisisches Märchen.
Daniela Emminger: "Kafka mit Flügeln", Czernin, 490 Seiten, 26 Euro
Lesung: Daniela Emminger präsentiert "Kafka mir Flügeln" am Dienstag, 24. April im StifterHaus. (19.30 Uhr) Am selben Abend präsentiert Sabine Scholl ihr neues Buch "Das Gesetz des Dschungels".