Der Pianist, der in die Kälte kam
Rudolf Buchbinder spielte in der Dachstein-Rieseneishöhle Schubert und Beethoven.
Langsam und schwerfällig müht sich die schwitzende Prozession über steile Serpentinen. Ganz vorne schreitet eine Gottheit des Klavierspiels. Es ist Rudolf Buchbinder. Die gute Hundertschaft dahinter sind seine Jünger. Sie folgen ihm, weil er ihnen heute ein exklusives Konzert in einem exklusiven, sehr gut gekühlten Raum gibt. Im Parzival-Dom der Dachstein-Rieseneishöhlen wird Buchbinder Schubert und Beethoven geben.
Engagiert hat ihn Peter Brugger. Der Goiserer Pianist, Musikschuldirektor und Konzertveranstalter aus Leidenschaft hat "den Buchbinder nach einem Konzert in Linz angesprochen". Und der Buchbinder hat ja gesagt. Wohl nicht wissend, dass es ein beschwerlicher Fußmarsch über 130 Höhenmeter bei gut 30 Grad im Schatten werden wird, bis er zu seinem Spielgerät kommt.
Prozession der Konzertbesucher: Von plus 34 auf minus ein Grad
140.000-Euro-Schimmel
Es ist ein weißer "Schimmel"-Flügel aus Acrylglas, der auf den großen Pianisten wartet. 140.000 Euro wert und 500 Kilo schwer. Brugger und Konsorten haben ihn in den Parzival-Dom geschleppt. Da steht er jetzt, umringt von Gesteinsmassen und ewigem Eis. Auf baugleichen Spielgeräten hat einst auch der unvergessene Udo Jürgens begeistert.
Dem Flügel macht die Kälte nichts aus, den 71-jährigen Pianisten fröstelt nach der überfallsartigen Kneippkur auf minus ein Grad Celsius in der Höhle indessen schon ein bisschen. Buchbinder lässt seine Finger zum Einspielen über die Tastatur fliegen. Es ist ein kurzes, eiskaltes Tête-à-tête. Der Pianist verlangt nach einem Handtuch. Die Tastatur ist feucht. Zum Schluss schüttelt er den Kopf und zieht die mitgebrachten Fahrrad-Handschuhe aus: "So geht’s nicht."
"Ziemlich runtergestimmt"
Geht nicht, gibt’s nicht – war ein paar Stunden zuvor noch das Motto des Salzburger Klavierstimmers Walter Bittner. Zweimal hat er den Schimmel gezähmt, ihn "ziemlich runtergestimmt. Jetzt kann nichts mehr passieren. Dieser Raum ist wie geschaffen für diesen Flügel. Der Klang ist einzigartig, der Hall dezent."
Klavierstimmer Walter Bittner
Langsam scharen sich Buchbinders Jüngerinnen und Jünger um den Schimmel, über ihren kurzen Lederhosen und Dirndln tragen sie jetzt dicke Jacken und Hauben. Eis bricht knackend ab.
Dann kommt Rudolf Buchbinder die Stufen herab. Unter seinem Anzugsakko trägt er einen roten Pullover und eine Weste. Er nimmt Platz, schließt die Augen und beginnt, augenblicklich zu spielen. Schuberts Impromptus D899, op. 90, danach Beethovens Sonate op. 13, die "Pathétique". Es sind besondere Momente. Eine klangliche Reinheit breitet sich kälteresistent über dem Dom aus, Buchbinders Finger fliegen, die Hände überkreuzen sich, seine Meisterschaft allein bestimmt Zeit und Raum.
Einer kann sich jetzt entspannen. Peter Brugger, der gemeinsam mit Romana Obermair den Verein AME ("Austrian Music Education") gegründet hat und die Eisklang-Konzerte veranstaltet. Vielleicht denkt er gerade an die Anfänge seiner spektakulären Konzertidee vor 18 Jahren: "A bissl in der Nacht is uns des eingefallen ..." 40 Minuten nachdem Rudolf Buchbinder dem Schimmel den ersten Ton entzaubert hat, öffnet er nun die Augen. Er steht auf, reibt sich die Hände, verneigt sich, stürmt ins Freie. Und Warme.
Er, der an herausragenden Orten wie der Carnegie Hall New York, der Suntory Hall Tokio, dem Musikverein Wien und der Berliner Philharmonie gespielt hat, hat soeben das kälteste Konzert seines langen Künstlerlebens beendet. Später wird er sagen: "Dieser Konzertort lässt sich mit keinem anderen vergleichen. Zum Schluss war es an der Schmerzgrenze. Ich hätte nicht viel länger spielen können."
Weitere "Eisklang"-Konzerte: "Paganini on Ice" mit Star-Geiger Benjamin Schmid am 24. August und das Welterbe-Sonderkonzert "Mozart von Goisern" am 31. August. www.eisklang.at
Das sind etwas Grenzwertige Veranstaltungen aber Künstler machen alles mit gegen gutes Saleur
Ich kann hier Erfahrungswerte einbringen, denn der Höhlenführer Max Kaiser hatte die Idee, im Dom der Dachstein Eishöhle zu heiraten und er hat bei mir dieses Ansinnen geprüft und mich gefragt, ob ich singen könnte. So wurde ich zum ersten Sänger der Dachstein Eishöhlen und in Folge wurde wir ich als Sänger und Yoko Schittra, Klavierlehrerin von GMD Franz Welser Möst, wurden zur Weltkultur Feierlichkeit geladen, der Flügel wurde damals mit dem Hubschrauber hinauf geflogen, eine Bühne in das Eisfeld geschlagen! An diesen Tag haben wir für jede Führung und für die Feierlichkeit die "Gralserzählung" von Richard Wagner 18 mal mit traumhafter Akustik gesungen. Wir waren über 5 Stunden in der Höhle, Yoko hatte eine Thermosflasche mitgenommen, an dieser hat sie sich die Hände gewärmt und ich bekam daraus sparsam den Tee ausgeschenkt.Wir wollen daher als Ideengeber nicht vergessen werden,freuen uns aber über diese hochkarätige Entwicklung der Eiskonzerte und Hochachtung für Rudolf Buchbinder
Der Flügel wurde zerlegt und beim "Ausgang" in die Höhle gebracht, wir hatten aber von Führung zu Führung immer eine kleine Pause, aber der Starpianist Rudolf Buchbinder, erfolgreicher Intendant von den Sommerfestspielen in Grafenegg, ein ganz besonders lieber Mensch, hat eine Meisterleitung vollbracht, wenn ich sein Programm lese und dafür gehört im "Respekt und Hochachtung" ausgesprochen, er konnte sich zwischendurch die Hände nicht wärmen und so könnte ich mir ein noch rasanteres Tempo in einige Passagen vorstellen! Mit Sicherheit war dieses Konzert für die Eisklang Konzertbesucher ein unvergessliches Erlebnis, so wie Yoko und ich diese Einsätze in der Dachstein Eishöhle im Leben nie vergessen werden! Schönes Wochenende für ALLE!