Ein schrecklich komischer Roman
"Ich war Hitlers Trauzeuge": Der Regisseur Peter Keglevic legte ein feines Romandebüt vor.
Man schrieb das Jahr 1986, es war in einer gottverlassenen Gegend, in einem Haus, irgendwo ganz oben am New Yorker Broadway. Regisseur Peter Keglevic drehte gerade den Film "Magic Sticks", da fiel ihm dieser Mann auf. Ein polnischer Jude, 85 Jahre alt. Er war der Besitzer des riesigen Hauses, wohnte selbst aber auf zwölf Quadratmetern. In dieser Wohnung lag eine Art Tagebuch herum, vollgekritzelt mit Notizen. Jeden Tag lief der Mann die 15 Kilometer lange Strecke hinunter zum Central Park.
Ein Jude, der läuft. Peter Keglevic machte dazu einen Eintrag in seinem Buch der Auffälligkeiten: "Plötzlich machte ich mir Gedanken über so einen Mann. Was ist das für eine Biografie, warum läuft der Mann? Ein Jude in seinem Alter hat wahrscheinlich etwas überlebt ..."
31 Jahre später hat der Salzburger, der in Wien und Berlin lebt, sein Romandebüt "Ich war Hitlers Trauzeuge" vorgelegt. Dabei geht es um die fiktive Person des Juden Harry Freudenthal. Er entging am Ostersonntag des Jahres 1945 – einer mehr als flüchtigen Bekanntschaft zur Reichsfilmregisseurin Leni Riefenstahl sei Dank – seiner standrechtlichen Exekution. Dafür landet er direkt im Teilnehmerfeld des Laufes "Wir laufen für den Führer". 1000 Kilometer von Berchtesgaden bis Berlin in 20 Tagesetappen. Der Sieger darf dem Führer persönlich zu dessen Geburtstag am 20. April gratulieren. Freudenthal schafft es tatsächlich bis in den Führerbunker.
Tor und Parsifal
Es ist ein skurril-abenteuerlicher, ein irrwitziger Weg, sprachlich hervorragend verpackt und geschichtlich seriös recherchiert. Was die Person Harry Freudenthal betrifft, skizziert Peter Keglevic einen skurril-absurden Überlebenskampf und löst beim Lesen eine Art Bauchweh-Komik aus. Ein schrecklich komisches Buch, eine Groteske, die nie auch nur im Ansatz jene Grenze anstreift, sich über Leben und Sterben im Wahnsinn des Dritten Reiches lustig machen zu wollen.
"Bei Spott und Ironie ist es immer auch eine Gratwanderung, dass es verkannt wird. Ich habe die Geschichte eines Menschen erzählt, der überlebt hat. Die Geschichte eines reinen Tors, der – fast wie ein Parsifal – einfach immer nur überleben will. Er fällt von einer Situation in die andere und wird sie, ohne etwas dazu zu tun, überleben. Wo wird Überleben am spürbarsten? Beim Inbegriff der Hölle, dem Nationalsozialismus", sagt der 67-jährige Autor.
Es gibt aber auch große Geschichten im Leben des Peter Keglevic, die sind nicht erfunden. So gilt der vielfach Ausgezeichnete als Erfinder von Hollywood-Star Christoph Waltz. 1996 drehte er mit Waltz "Du bist nicht allein – Die Roy-Black-Story". Seither pflegen die beiden eine Freundschaft "in gutem, nicht in hysterischem Sinne. Sie ist geprägt von gegenseitiger Offenheit und eindeutiger Verschwiegenheit".
In seinem Notizbuch der außergewöhnlichen Begebenheiten und Menschen hat Peter Keglevic auch wieder geblättert: "Ein weiterer Roman wird auf jeden Fall kommen." 2018 dreht er auch einen Kinofilm, nach einem Roman des Schauspielers August Schmölzer.
Peter Keglevic: "Ich war Hitlers Trauzeuge", Roman. Verlag Knaus, 576 Seiten, 26,80 Euro
Vita und Werk
Peter Keglevic wurde 1950 in Salzburg geboren, arbeitete zunächst als Buchhändler. 1968 schlug er die künstlerische Laufbahn ein (Kurzgeschichten, Theaterstücke, Drehbücher) und arbeitete höchst erfolgreich als Regisseur. Als solcher bekam er zahlreiche Auszeichnungen: Unter anderem den Grimme-Preis für „Der Tanz mit dem Teufel“ (Oetker-Entführung) und 1997 den Fernsehpreis „Goldener Löwe“ für die beste Regie für „Du bist nicht allein – Die Roy-Black-Story“ mit dem späteren Oscar-Preisträger Christoph Waltz.