Was wir gerne lesen: Buchtipps der Redaktion
Lies was G’scheits! Redakteurinnen und Redakteure der OÖNachrichten geben Tipps, was Sie demnächst lesen könnten. Zum Beispiel über die Feiertage?
Familienchaos
Innenpolitik-Redakteurin Anneliese Edlinger liest „Freiheit“ von Jonathan Franzen
Was passiert, wenn eine Frau ihre Familie zum perfekten Projekt hochstilisiert, schildert Franzen in „Freiheit“ ebenso anschaulich wie packend: Natürlich mündet dieses Ansinnen im großen Scheitern. Patty Berglund hat den treuen, liebe- und rücksichtsvollen Walter geheiratet, obwohl sie viel lieber dessen Freund, den wilden, schrägen Richard, gehabt hätte. Mit ihm lässt sich die „perfekte“ Hausfrau und Mutter auf eine Affäre ein, um dann in jahrelanger Depression zu versinken. Wie das die Familie belastet, wird schonungslos dargelegt.
Klangvoll
Dietmar Mascher, Ressortleiter Wirtschaft: „Gottes Werk und Teufels Beitrag (The Cider House Rules)“ von John Irving
Ich habe das Buch vor 20 Jahren gelesen, als ich Schottland mit dem Auto bereiste und darin schlief. Bei Tagesanbruch stand ich auf, weil ich weiterlesen musste. Irving erzählt nicht nur eine packende Geschichte. Seine Figuren werden in wenigen Sätzen dreidimensional, bringen zum Lachen, rühren zu Tränen und reisen am Ende ab in die Erinnerung. Das Herausragende an diesem Buch ist aber Irvings zeigefingerfreier Umgang mit dem Thema Abtreibung. Seine Zwischentöne in Moll klingen lange nach.
Lebenslauf
Christoph Zöpfl, Ressortleiter Sport: „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“ von Haruki Murakami
Der japanische Schriftsteller und Erzählkünstler Haruki Murakami (empfehlenswerte Neuerscheinung „1Q84“) ist alle Jahre wieder ein potentieller Kandidat für den Literaturnobelpreis, er könnte aber auch als „Sportler des Jahres“ das Rennen machen. In diesem Buch beschreibt der Hobby-Triathlet und Marathonmann seine Zugänge zum Ausdauersport und die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist. In keinem anderen seiner Romane erlaubt es Murakami seinen Lesern, so tief in die Seele des Autors zu blicken.
Kinderliebe
Bernhard Lichtenberger, Ressortleiter Kultur: „Schulkummer“ von Daniel Pennac
So unverdächtig und berührend wie Daniel Pennac hat sich noch niemand mit dem Kräfte-Dreieck Lehrer-Schüler-Eltern befasst. In einer fesselnden Mischung aus biographischer Erzählung und leidenschaftlicher Weitergabe von Erfahrungen bricht der leidende, schlechte Schüler, spätere Lehrer und erfolgreiche Autor eine Lanze für die Liebe – die Liebe zu Kindern, „denen eine Welt in den Kopf gesetzt wird, in der angeblich nur die Ersten Geigen zählen“. Ein Plädoyer, an dem PISA, Lehrergewerkschaften und Lehrpläne zerbröseln.
Fasan sein
Heinz Niederleitner, Außenpolitik-Redakteur: „Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt“ von Herta Müller
Fesselnd sind Bücher oft dann, wenn Autoren eigenes Erleben verarbeiten: Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller beschreibt das Warten der rumänendeutschen Familie Windisch auf die Ausreisegenehmigung nach Westdeutschland – und die abgepressten Opfer dafür. Das Buch erschien 1986 – ein Jahr, bevor Müller selbst Rumänien verließ. Es schildert in bilderreicher, dichter Sprache das Gefühl des Wartens, des demütigenden Erpresst-Werdens. Trotz seiner nur 112 Seiten ist es keine leichte Lektüre!
Unaufhaltsam
Eike-Clemens Kullmann, Ressortleiter Weltspiegel: „China – Eine Weltmacht kehrt zurück“ von Konrad Seitz
Ist China an allem schuld? Diese Frage stellt sich, wenn man viele Medienberichte verfolgt. Der ehemalige deutsche Botschafter verfolgt in seinem Buch einen anderen, interessanten Weg. Er vermittelt verständlich die jahrtausendealte Geschichte des Reiches der Mitte, schildert den Zusammenbruch der konfuzianischen Welt, Verzweiflung und Abkehr der Chinesen an und von ihrer Kultur sowie die Geburt des neuen China, einen unaufhaltsamen Aufstieg zur Weltmacht. Eine perfekte Analyse und Prognose.
Aufgespürt
Thomas Arnoldner, Chef vom Dienst: „Die Letzten ihrer Art“ von Douglas Adams und Mark Cawardine
Wenn die BBC den Autor so skurril komischer Geschichten wie „Per Anhalter durch die Galaxis“ (Adams) mit einem Zoologen (Cawardine) auf Reisen schickt, um aussterbenden Tierarten nachzuspüren, ist das Ergebnis alles, nur kein gewöhnlicher Reisebericht. Über Vögel, die das Fliegen verlernt haben, lärmgeschädigte Flussdelfine in China, Warane auf Komodo, die Hühner stehlen, und Begegnungen mit Touristen, auch mit des Österreichers Lieblingsfeinden aus Deutschland. Wie sie wohl der Engländer sieht?
Mitleben
Barbara Rohrhofer, Ressortleiterin „Leben“: „Rubinrotes Herz, eisblaue See“ von Morgan Callan Rogers
Der Titel klingt nach Groschenroman – dem ist aber nicht so. Die Handlung spielt in einem Fischerdorf in den USA. Die Hauptfigur Florine, elf Jahre alt, sucht ihre Mutter. Das Buch ist witzig, spannend, aber natürlich auch tragisch und traurig. Wer zu lesen beginnt, hört nicht mehr auf und befindet sich gleich nach zwei Seiten mitten im Leben anderer Menschen. Mitleben, mitleiden, mitlachen – und schon ist die Lesereise zu Ende. Man bedauert fast, dass man nur zwei Tage braucht. Perfekter Urlaubsbegleiter!
Liebe/Verrat
Peter Grubmüller, Ressortleiter-Stv., Kultur: „Fegefeuer“ von Sofi Oksanen
Es geschah auf meiner Lieblingsinsel. Dort, wo Gert Steinbäcker „Irgendwann bleib i dann dort“ geschrieben hat und man dem STS-Schnauzbart noch heute begegnet. Unter vielen Büchern schleppte ich jenes mit dem blöden Titel „Fegefeuer“ mit. Hinter der miesen Verpackung (lila Schutzumschlag) offenbarte sich das Meisterwerk: der lange Weg dreier Frauen, beginnend bei der russischen Besatzung Estlands – und die kurze Strecke zwischen Liebe und Verrat. Fortan soll jeder Urlaub mit Sofi Oksanen geteilt sein – Gert Steinbäcker hat uns schon heuer nicht gestört.
Magisch
Alfons Krieglsteiner, Redakteur Land & Leute: „Bel-Ami“ von Guy de Maupassant
Maupassant lebte von 1850 bis 1893, „Bel-Ami“ gilt als sein gelungenster Roman. Der Titelheld ist der Inbegriff des skrupellosen Emporkömmlings und Frauenhelden, getrieben von maßlosem Ehrgeiz – ein Karrierist, der über Leichen geht. Maupassant, einer der bedeutendsten Romanciers des 19. Jahrhunderts, ist ein magischer Anatom des Seelenlebens, er zeigt den Menschen so, wie er ist, sinnlich, selbstsüchtig, aber auch geplagt von tiefer Melancholie und Selbstzweifeln. Eine faszinierende Lektüre von zeitloser Wahrheit.
Ein Best-of
Gerald Mandlbauer, Chefredakteur: „Die Kunst der Lektüre“ von Harold Bloom
Dieses Buch ist Herz und Hirn meiner kleinen Bibliothek. Dass dieser Literatur-Führer von einem ehrenwerten Professor geschrieben wurde, darf Sie nicht schrecken. Dieses Buch müssen Sie nicht abstauben, es liest sich überhaupt nicht professoral, Bloom ist ein Freund seiner Leser. Als Kanon ist es wie ein roter Faden für jeden Bücherjunkie. Zur Entspannung rate ich im Abspann zu zwei Neuerscheinungen: „Life“ von Keith Richards (lese ich gerade mit großem Vergnügen) und „Born to Run“ über das Volk der schnellsten Läufer.
... lautet die Devise!! Liebe Redaktion, danke für die tollen Buchtipps. Erfreulicherweise muss ich feststellen, dass ich selbst schon ein paar von den empfohlenen Büchern gelesen habe und dass sogar mein Lieblingsbuch dabei ist, nämlich "Gottes Werk und Teufels Beitrag".