"Alcina" der Bilder, nicht der Klänge
Salzburger Festspiele: Riesenjubel für Cecilia Bartoli als Titelfigur von Händels Oper
Riesenjubel gab es für Cecilia Bartoli und für das Team um Regisseur Damiano Michieletto bei der Premiere von Händels "Alcina" am Donnerstag. Und einen energisch beherzten Buhrufer, dem es sich zu widmen gilt. Denn trotz aller psychologischen Raffinesse des Regiekonzepts und darstellerischen Hingabe der Primadonna Assoluta blieb eines auf der Strecke – die Musik Georg Friedrich Händels und somit die Klarheit eines Stücks, dem man überbordend viel Verwirrendes aufgepackt hat.
Man könnte argumentieren, dass auch das barocke Theater Unmengen an Showeffekten platziert – gerade in diesem Stück, das Händel für Covent Garden mit der damals modernsten Maschinerie und einer eigenen Tanzkompanie komponiert hat. Doch es wird immer mehr zur Mode, die Musik bloß zu bebildern, statt auf ihre ureigenste Kraft zu vertrauen. Beinahe jede Arie mit Bühnenaktion zu verknüpfen und dabei von der Genialität der Klänge und von den gebotenen Interpretationen abzulenken, weist nicht unbedingt auf echtes Gespür für die Musik hin.
Hotelprinzipalin statt Zauberin
Dass Ariosts Zauberin Alcina zur sich panisch vor Verlust fürchtenden Hotelprinzipalin mutiert und das Stück in der Empfangshalle spielt, Morgana und Oronte zum Personal gehören, stört zumindest heute nicht mehr wirklich. Für das Werk und vor allem für die Botschaft – auch der Inszenierung – hat dieser Ort kaum Bedeutung. Alcina kann überall spielen, denn sie läuft im Inneren ab, so wie die Musik fragil und intim erscheint und nur an wenigen Stellen extrovertiert Rachegelüste fordert. Diese Intimität gelingt den Musiciens du Prince-Monaco unter Gianluca Capuano bisweilen ganz gut, vor allem dort, wo man extremes Piano und damit klangliche Überraschungen erzielt. Doch zweimal denselben Effekt in zwei Alcina-Arien fast hintereinander einzusetzen, ist wenig einfallsreich, so wie meist auch die Phrasierung nicht von interpretatorischer Kreativität sprüht. Immerhin spielt man höchst lebendig und ist sicherer Partner der Sänger.
Cecilia Bartoli outriert als Alcina wie gewohnt, das mag den Ausdruck zum Bersten steigern, passt aber nicht immer. Aber die Bartoli-Tifosi lieben das und können das Verklingen des letzten Tons gar nicht erwarten, um ihre Bravorufe hinauszuschleudern. Bei der mindestens genauso intensiven und stilistisch eigentlich wesentlich präziseren Sandrine Piau als Morgana tat man das hingegen nicht. Auch Philippe Jaroussky als irregeleiteter Ruggiero wurde nur teilweise mit Bravorufen bedacht, was vielleicht auch in Anbetracht einer eigenwillig eckigen Phrasierung gerechtfertigt war. Kristina Hammarström ist eine eher blasse Bradamante. Christoph Strehl und Alastair Miles sind als Oronte und Melisso ebenfalls sehr zurückhaltend, dafür meistert der Wiener Sängerknabe Sheen Park mehr als überzeugend die Rolle des Oberto, wie auch der von Markus Obereder fein studierte Bachchor Salzburg beeindruckt.
Fazit: Eine Inszenierung, die dem Trend der Überfrachtung mit Bildern und Symbolen durchaus eifrig folgt und ganz auf Bartoli zugeschnitten ist. Ob das Werk dabei auf der Strecke bleibt, scheint zweitrangig zu sein.
"Alcina": Oper von G. F. Händel, Haus für Mozart, 8. 8.