Autorin Friederike Mayröcker gestorben
WIEN. Die österreichische Autorin Friederike Mayröcker ist am heutigen Freitag im Alter von 96 Jahren in Wien gestorben.
Die Anteilnahme nach dem Tod von Friederike Mayröcker ist groß. "Ganz Wien trauert um die Doyenne der österreichischen Literatur und Wiener Ehrenbürgerin Friederike Mayröcker", reagierte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Mayröcker werde in einem Ehrengrab der Stadt Wien beerdigt werden. "Das Oeuvre von Friederike Mayröcker ist so gewaltig, als hätte sie dafür viele Leben zur Verfügung gehabt."
Van der Bellen: "Grande Dame der österreichischen Literatur"
Zahlreiche weitere politische Vertreter würdigten die Verstorbene. "Die Grande Dame der österreichischen Literatur ist nicht mehr. Heute hat Friederike Mayröcker ihren Stift für immer niedergelegt", reagierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf die Todesmeldung der "wohl wichtigsten österreichischen Autorin". "Die unaufdringliche Eleganz ihrer Texte hat uns reich beschenkt", so das Staatsoberhaupt.
Mayer: "Wir verneigen uns vor einer einzigartigen Dichterin"
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Mayer schrieb in einer Aussendung: "In ihrer bescheidenen Wohnung in Wien-Margareten hat sie inmitten von Büchern, Zetteln und Körben voller Notizen auf einer Hermes Baby poetische Welten entworfen, die zwar mit den 26 Buchstaben unseres Alphabets auskommen, aber nie zuvor auf diese Weise geschrieben worden sind und zu lesen waren. (...) Friederike Mayröcker wird bleiben, was sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang war: ein hell leuchtender Fixstern am Himmel der österreichischen Gegenwartsliteratur. Wir verneigen uns vor einer einzigartigen Dichterin."
"Bildgewaltige Stimme verloren"
"Eine wirklich unverwechselbare Stimme der Weltliteratur ist verstummt", reagierte die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) via Aussendung. "Mit ungebrochener Schaffenskraft hat uns Friederike Mayröcker bis zuletzt mit ihren Texten von genreüberschreitender Einzigartigkeit gezeigt, dass Dichtung grenzenlos ist. Zeit ihres Lebens hat Mayröcker die Sprache als einen schier unerschöpflichen poetischen Zauberkasten begriffen." Und auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) konstatierte, dass Österreich eine bildgewaltige Stimme in der deutschsprachigen Literaturlandschaft verloren habe. Die Grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger schieb in einer Aussendung: "Sowohl Mayröckers Lyrik als auch ihre autofiktionalen Prosa waren von der unbändigen Kraft der von ihr erzeugten Bilder geprägt. Sie ist eine der großen Künstlerinnen unserer Zeit." Auch SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek würdigte die Verstorbene: "Eine sehr beeindruckende Frau, die ein beeindruckendes und sehr umfangreiches Werk geschaffen hat." "Ihr Umgang mit Sprache ist einzigartig, ihr monumentales Werk Ausdruck ihrer Liebe zum Schreiben", heißt es in einer Aussendung von NEOS-Kultursprecher Sepp Schellhorn.
Auch unter der Kollegenschaft war die Anteilnahme große: "Wir trauern um unsere liebe Friederike Mayröcker. Bewunderte Dichterin, enge Freundin Alfred Kolleritschs, 75-fache Beiträgerin zu den manuskripten, einfühlsame Stimme am Telefon. Charm the air, liebe Fritzi ...", hieß es auf dem Twitter-Account der Grazer Literaturzeitschrift "manuskripte". Die Wienbibliothek im Rathaus schrieb auf Twitter: "Einer unserer Vorlässe ist heute zum Nachlass geworden und eine große Schriftstellerin ist nicht mehr."
"Eine Ausnahmeautorin ist nicht mehr", trauerten IG Autorinnen Autoren-Chef Gerhard Ruiss, Robert Huez (Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur) und Brigitte Rapp (IG Übersetzerinnen Übersetzer) in einer gemeinsamen Aussendung. "Niemand konnte das Schreiben so mit dem Leben verknüpfen wie sie. Ihr literarisches Werk ist ebenso umfangreich wie einzigartig. Mit ihr geht nicht nur eine außergewöhnliche Dichterin von uns, wir verlieren auch eine große Förderin anderer Autorinnen und Autoren und der Literatur, für die sie in jeder Hinsicht Großes geleistet hat.
"Ein Stück Mayröcker wird für immer in unserer Sprache bleiben"
"Mit Friederike Mayröcker ist eine einzigartige Dichterin von uns gegangen", reagierte der Literaturwissenschafter Klaus Kastberger gegenüber der APA. "Ihr langer und absolut kompromissloser poetischer Weg führte sie zu einer schwindelerregenden Ausdrucksform der Gefühle. So etwas hat die deutschsprachige Literatur vorher noch nicht gesehen. Ein Stück Mayröcker wird für immer in unserer Sprache bleiben. "
Gegenüber der APA schrieb Mayröckers Verlagskollege bei Suhrkamp, der Grazer Autor Clemens Setz, auf Anfrage: "Friederike Mayröcker war die größte Dichterin unserer Sprache. Jeder Mensch findet in ihrem Werk seinen geborgenen Winkel, seinen Platz zum Ausruhen, seinen Lobpreis. Meine Trauer ist sehr groß. Zumindest habe ich mich ein Mal im Leben nützlich gemacht und für Friederike Mayröcker einen Snoopy gezeichnet, denn sie liebte diesen Hund mit der Schreibmaschine."
"Eigentlich wollte Friederike Mayröcker mindestens hundert Jahre alt werden, sie ist ihrem Programm 'ich lebe ich schreibe' bis zuletzt treu geblieben und hat die deutschsprachige Literatur um ein unverwechselbares, flammend poetisches Werk bereichert", schreibt die Literaturwissenschafterin und -kritikerin Daniela Strigl in einem Statement gegenüber der APA. "Der mitreißende Furor ihrer Lyrik und Prosa war von einem Liebesverhältnis zur Welt, zur Natur ebenso bestimmt wie von einem Liebesverhältnis zur Sprache. Selten in der österreichischen Literatur hat eine Dichterin so schön, so tröstlich und bejahend auch von traurigen Dingen geschrieben. Eine literarische Gegenwart, in der wir uns nicht mehr auf das nächste Mayröcker-Buch freuen können, ist empfindlich ärmer geworden."
Kathrin Röggla, Schriftstellerin und Vizepräsidentin der Berliner Akademie der Künste, würdigt Mayröcker als "literarische Größe, die uns stets zeigte, dass experimenteller Furor und unbestechliche Haltung sich mit Zugeneigtheit, Zartheit, Empfindsamkeit vereinen lassen". Sie habe Generationen von Schreibenden geprägt. Auch in der Österreichischen Nationalbibliothek trauert man um Mayröcker. Generalintendantin Johanna Rachinger bezeichnete Mayröcker als "einzigartige literarische Stimme". Auch Bernhard Fetz, Direktor des Literaturarchivs der ÖNB, würdigte Mayröcker als eine, die "buchstäblich in ihrem Schreiben" gelebt habe.
Im ORF widmet man Mayröcker am kommenden "kulturMontag" (7. Juni 2021, 22.30 Uhr, ORF 2) einen Nachruf. Ergänzend dazu steht die von Katja Gasser gestaltete Dokumentation "Wilder, nicht milder - Friederike Mayröcker im Portrait" (23.15 Uhr) auf dem Programm. Ö1 wiederholt am morgigen Samstag um 14.00 Uhr das Ö1-"Hörspiel" mit dem Titel "oder 1 Schumannwahnsinn". Die Autorin hat den Text selbst eingesprochen, Regie führte Klaus Schöning. In "Nachtbilder - Poesie und Musik" (22.05 Uhr) liest die Dichterin aus ihrem Werk "fleurs". Am Sonntag ist in den "Tonspuren" (20.15 Uhr) "Fritzi und ihre Fans", eine Hommage an Friederike Mayröcker, zu hören. Weitere Programmänderungen in ORF III sind geplant.