Das rare Vergnügen einer Oper von Franz Liszt
Erstaufführung in Linz: Spannende Reise durch den ersten Akt des Musiktheaters "Sardanapalo".
Man stellt sich gelegentlich die Frage, warum manche großen Komponisten keine Opern geschrieben haben. Das betrifft Bach genauso wie Brahms und Bruckner. Von manchen wie Mendelssohn kennt man "Jugendsünden". Auch von Franz Liszt, der unter Anleitung seines Lehrers als 13-Jähriger mit "Don Sanche" eine Oper für Paris komponierte. Doch das scheint es gewesen zu sein.
Ein Irrtum – denn Liszt schmiedete ab 1841 immer wieder Opernpläne, sogar in Zusammenarbeit mit Alexandre Dumas. 1845 begann er mit der Arbeit an "Sardanapalo" – einem Werk, das am Samstag in der BlackBox-Lounge des Musiktheaters im Format "Oper am Klavier" als österreichische Erstaufführung zu erleben war. Die Arbeit an dem Musikstück nach dem gleichnamigen Blankvers-Drama von Lord Byron zog sich unregelmäßig bis 1852 und wurde dann unvermittelt abgebrochen. Das Manuskript hielt man lange für lose Skizzen, bis vor ein paar Jahren der englische Musikwissenschafter David Trippett herausfand, dass es sich dabei um den kompletten ersten Akt handelt. 2018 fand in Weimar die Uraufführung in der von Trippett orchestrierten Fassung statt.
Ganz und gar nicht fremd
Insgesamt war Liszt die Oper ganz und gar nicht fremd, schrieb er sich doch selbst zahlreiche Opernparaphrasen nach berühmten Melodien auf den Virtuosen-Leib und drang tief in die Gestaltung von Gesangslinien ein. Das nicht nur im Bereich der italienischen Oper, die sicherlich – auch von der Sprache her – für "Sardanapalo" besonders maßgeblich ist. Es lassen sich auch genauso französische Einflüsse und Querverbindungen zu seinem späteren Schwiegersohn Richard Wagner erkennen. Wahrscheinlich war es auch dessen Meisterhaftigkeit – 1850 fand in Weimar die Uraufführung des "Lohengrin" statt –, die Liszt das Opernprojekt abbrechen ließ. Denn bei aller melodischen Qualität klingt das Werk doch zu sehr nach dem Opernmainstream der Zeit, als dass Liszt damit etwas Außergewöhnliches oder gar epochemachend Modernes geschrieben hätte. Und dennoch wäre die komplette Oper sicherlich genauso höchst spannend zu hören gewesen wie der rund 45 Minuten dauernde erste Akt.
Rafael Helbig-Kosta schlüpfte dabei stimmgewaltig in die Rolle des ganz der Dekadenz verfallenen letzten Königs der Assyrer, der lieber erotische Mußestunden pflegte, als seine inneren und äußeren Feinde zu bekämpfen. Als diese vor den Palasttoren stehen, häuft er seine Kostbarkeiten im Thronsaal an, um sich gemeinsam mit der Geliebten verbrennen zu lassen. Philipp Kranjc intonierte mit mächtigem Bass die Warnungen des Priesters Belesco. Brigitte Geller nahm sich höchst beeindruckend der griechischen Sklavin Mirra an, die als Geliebte des Königs durchaus dessen Heldenmut heraufzubeschwören versucht. Tommaso Lepore begleitete am Klavier die Protagonisten gewandt in ausgedehnten Szenen und Duetten, Christoph Blitt führte gekonnt durch den gelungenen Raritätenabend.
Fazit: Ein ideales Format, um nicht Alltägliches kennenlernen zu können.