Ein Gruselkabinett: Der neue Fitzek-Roman ist eine Satire auf Elternabende
Sebastian Fitzek wechselt mit "Elternabend" das Genre: Der neue Roman des Thriller-Spezialisten ist eine Satire auf Elternabende
"Kein Thriller" – ist gleich am Cover vermerkt, gefolgt von dem Zusatz: "Auch wenn der Titel nach Horror klingt". Welche leidgeprüften Eltern schulpflichtiger Kinder fürchten sie nicht: nervige Elternabende, bei denen man "stundenlang in einem muffigen Klassenzimmer sitzt, auf viel zu kleinen Sesseln. Die Zeit tröpfelt in Tai-Chi-Geschwindigkeit voran, und man versucht verzweifelt, sich unsichtbar zu machen, während der Lehrkörper mit Argusaugen nach Freiwilligen für die Wahl der Elternvertreter sucht".
Sascha Nebel, Sebastian Fitzeks Antiheld in seinem neuen Roman "Elternabend", spricht hier vermutlich vielen Vätern und Müttern aus der Seele. Auch Fitzek selbst kann als Vater von vier Kindern auf einschlägige Erfahrungen zurückblicken. Gleichzeitig sind solche Elternabende für einen Schriftsteller auch herrliche Inspirationen. Das Ergebnis liegt jetzt vor: ein Roman, den man als Satire und schrille Überzeichnung lesen kann, bei dem jedoch ein durchaus ernster Hintergrund mitschwingt. Doch das wird erst so nach und nach klar.
Schon der Auftakt ist leicht aberwitzig. Das Leben von Sascha Nebel ist nach einem Schicksalsschlag schwer aus dem Tritt geraten. Er hält sich als Kleinkrimineller mit Mühe über Wasser. Eines Tages gerät er bei dem Versuch, einen SUV zu knacken, mit der Klimaaktivistin Wilma aneinander, die das verhasste Auto mit einem Baseballschläger traktiert. Als die Polizei auftaucht, ergreift das ungleiche Paar in einem Reisebus die Flucht.
Die anderen Reisenden entpuppen sich als Eltern einer Schulklasse auf dem Weg zum Elternabend, der als entspanntes Wochenende im Grünen geplant ist. Sascha und Wilma werden für ein ganz bestimmtes Elternpaar gehalten, Herr und Frau Schmolke. Die beiden Geflüchteten, die einander kaum kennen, müssen so unverhofft in die Rolle eines wildfremden Paares schlüpfen, das bei den anderen Eltern nicht gerade wohlgelitten ist. Zum einen haben sich die Schmolkes bisher nie auf Elternabenden sehen lassen, zum anderen ist ihr Sohn Hector offenbar der Problembär der Klasse.
Trotz seines jugendlichen Alters hat er schon so einiges auf dem Kerbholz, so hat er offenbar eine Mitschülerin verprügelt. Der Versuch, nicht aufzufliegen und der aufgezwungenen Rolle einigermaßen gerecht zu werden, führt zu allerhand komischen, irrwitzigen, aber auch peinlichen Situationen. Nach und nach lernen Sascha und Wilma sich dabei nicht nur gegenseitig kennen, sondern auch die anderen Eltern. Der Elternabend offenbart sich als kleines Gruselkabinett von Nervensägen und Selbstdarstellern.
Über die heitere Schiene möchte der Autor mit "Elternabend" schwierige gesellschaftliche Themen wie Gewalt, Gefahren durch Social Media etc. transportieren. Dieses ehrenwerte Anliegen gerät allerdings etwas in den Hintergrund durch seine große Lust am Fabulieren, seine Freude an schrägen Bildern, wilden Slapsticks und heillosen Verwicklungen, die einen bisweilen atemlos zurücklassen. (dpa/Sibylle Peine)