"Er hat das absolut Böse und Gute gesehen"
Das Stück "Würde ich hassen, hätte Hitler gesiegt" würdigt ab 1. 2. das besondere Leben des Jehuda Bacon.
Ein metallenes Gedenkschild vor einem Wald in Gunskirchen erinnert an jene Geschehnisse im Frühjahr 1945, die Jehuda Bacons Lebensgeschichte zu einer oberösterreichischen werden ließen: Am 4./5. Mai befreiten die Amerikaner das KZ-Außenlager Gunskirchen. Sie fanden bis zu 17.000 Inhaftierte im Elend vor – eine Zahl von solcher Massivität, angesichts derer die Gedenktafel beinah lächerlich klein wirkt.
Bacon war einer der Überlebenden. Der Linzer Theaterverein Etty widmet dem 90-jährigen Künstler, der in Israel lebt, ab 1. 2. sein neues Stück. Ab 6. 2. folgt in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Paradigma eine Schau mit gut 50 Werken (mehr unten). "Ich kenne viele Holocaust-Überlebende", sagt "Etty"-Regisseur Johannes Neuhauser. "Aber einem Menschen wie Jehuda bin ich nicht einmal annähernd begegnet." Eine friedfertige, liebevolle, intakte Seele. "Er hat das absolut Böse genauso wie das absolut Gute erlebt."
"Diese Buben müssen leben"
Auch mit 15 in Gunskirchen. "Er wog damals nur noch 35 Kilo", sagt Schauspielerin Bettina Buchholz, die in der szenischen Lesung den erwachsenen Bacon verkörpert. Den jungen Jehuda gibt ihre und Neuhausers Tochter Hannah.
Neuhauser: "Damals fragte ein US-Soldat Jehuda und einen Freund, ob sie Juden seien. Sie bejahten. Er entgegnete, er sei auch einer, setzte sie in seinen Jeep und fuhr sie auf abenteuerlichen Wegen ins Spital nach Steyr. Nicht nach Wels, wo bereits Tausende KZ-Häftlinge lagen. Er betrat mit seinem MG das Krankenhaus und sagte: Diese Buben müssen leben. Er hätte sie gar nicht auflesen dürfen, sie hatten hoch ansteckenden Flecktyphus." Zwei Ordensschwestern pflegten sie Tag und Nacht gesund.
Menschlichkeit, wenn auch in erschreckend anderer Gestalt, erlebte Bacon – in der heute drittgrößten Stadt Tschechiens, Ostrau, geboren – in den KZ davor: Theresienstadt, Auschwitz, wo er die Asche toter Menschen durchs Lager karren musste, und Mauthausen. So habe ihn, erzählt Neuhauser, eine besonders sadistische Aufseherin in eine Baracke geschickt, der zierliche Bub befürchtete den Tod. Doch sie befahl ihm, den darin stehenden Topf Zuckernudeln zu essen. Kleine und größere Fügungen und die gegenseitige Hilfe einer eingeschworenen Gruppe jüdischer Buben ermöglichten sein Überleben. Menschen, die nach 1945 Bacons Talent und Geist erkannten, verhalfen ihm zur Entfaltung. So will Neuhauser keine reine Holocaust-Geschichte erzählen. "Sondern eine über einen Menschen mit einem besonderen Schicksal, der es als seine Verantwortung sieht, nicht bloß zu überleben, sondern gut zu leben."
Nach 1945 wird Bacon in einem Waisenhaus aufgenommen, in einem tschechischen Schloss, "in dem die Nazis vorher noch Partys veranstalteten", sagt Buchholz. Der Leiter vermittelte jüdischen Kindern als auch Hitlerjungen Bildung, Gleichwertigkeit, Humanismus. Später setzten sich Kreative wie Franz-Kafka-Verleger Max Brod und Literat Paul Celan für den jungen Künstler ein, dessen erste Zeichnung am Todestag seines Vaters entstand, der ins Gas geschickt worden war: Sie zeigt eine Rauchsäule, in die er das Porträt des Vaters gezeichnet hat. Mit 16 konnte Bacon nach Israel, um Kunst zu studieren. 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wird er in Oberösterreich gewürdigt. Er sagt, nirgendwo habe er so gelitten wie in Mauthausen und Gunskirchen.
Stück: 1., 15., 29. 2., 19.30 Uhr; 2., 16. 2.; 29. 3., 17 Uhr, Tribüne Linz, Karten Tel.: 0699/11 399 844, www.tribuene-linz.at Schau: Galerie Paradigma Linz, Landstraße 79, 6. 2.-6. 3.; Fr./Sa. 14-18 Uhr, So. 14-16 Uhr, kunstverein-paradigma.at