"I Want It That Way": Die Backstreet Boys sind 30 Jahre alt
BERLIN. Ihre Ankündigung, sich umzubenennen, wenn Nick Carter 18 wird, setzten sie nie um. Inzwischen ist ihr Jüngster 43 - und die Backstreet Boys sind auch 30 Jahre nach ihrer Gründung immer noch die Backstreet Boys.
Eine ihrer herausragenden Qualitäten: Skandale einfach abperlen zu lassen. Es war eine der Schlüsselszenen ihrer Show: Kevin Richardson (51) und AJ McLean (45) versteckten sich bei Konzerten 2022 hinter einer Art Umkleidekabine und warfen signierte Unterhosen von der Bühne ins Publikum. "Wir revanchieren uns." Denn jahrzehntelang war es umgekehrt: Nach den unschuldigen Teddybären und Plüschtieren aus der Anfangszeit waren es weniger unschuldige Dessous, die den Backstreet Boys bei ihren Konzerten um die Ohren flogen, begleitet von ohrenbetäubendem Kreischen, das ihre Musik teilweise übertönte.
Drei Jahrzehnte geht das nun schon so. Die Gruppe, die mit Pop-Krachern wie "Quit Playing Games (with My Heart)", "Everybody" oder "I Want It That Way" Boyband-Geschichte geschrieben hat, feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum. Als Gründungsdatum gilt der 20. April 1993.
Damals waren McLean, Richardson, dessen Cousin Brian Littrell (heute 48), Howie Dowough (49) und natürlich Nick Carter (43) gerade vom umstrittenen und inzwischen im Gefängnis gestorbenen Produzenten Lou Pearlman in Florida zusammengecastet worden.
Weltweit Rekorde gebrochen
Alex Gernandt war ganz nah dran, als es dann in Deutschland losging mit der Weltkarriere: "Ich war dabei, als sie im November 1995 in einem italienischen Restaurant in München mit ihrer ersten Goldene Schallplatte überrascht wurden", sagt der frühere Chefredakteur der "Bravo", der Bibel eines jeden "BSB"-Fans der 1990er-Jahre. "Die Jungs hatten Tränen in den Augen, alle haben geheult vor Glück. Und dann brachen sie plötzlich weltweit Rekorde."
Ein kalkulierter und orchestrierter Erfolg: Vorher hatten die Burschen in Florida zwei Jahre lang hart trainiert, bis zur Perfektion. "Darum sind sie auch so gut, weil sie quasi ein Bootcamp durchlaufen mussten, bevor es richtig losging", sagt Gernandt. Höflich, gut erzogen und unkompliziert seien sie gewesen.
Sorgfältige Zusammensetzung der Gruppe
Es war aber nicht nur das harte Training und die damit verbundene musikalische und tänzerische Qualität, die dafür sorgte, dass die Backstreet Boys Konkurrenten wie Caught in the Act auf dem Weg in den Pop-Olymp in Windeseile überflügelten. Dazu trug auch die sorgfältige Zusammensetzung der Gruppe bei: Brian für die netten Mädchen, AJ für die rebellischen, Howie für die ruhigen, Kevin für die etwas älteren - und Nick für alle. Jede durfte träumen damals in den 1990ern.
Damals reichte bei Konzerten der schiere Anblick der damaligen Buben, um die Mädchen in kreischende Ekstase zu versetzen. Heute ist das Kreischen auf den Konzerten heiserer geworden, die Ekstase Mojito-getränkt. Eine Stimmung wie bei einem Polterabend nach Mitternacht. Die Frauen, die heute im Publikum grölen und im Arm der besten Freundin zu "Show Me The Meaning Of Being Lonely" schaukeln, haben das größtenteils auch 1995 oder spätestens 1997 schon getan.
Nostalgie-Faktor
"Was bei den Backstreet Boys zählt, ist der Nostalgie-Faktor. Man holt sich mit ihnen einen Teil seiner Jugend zurück. Gerade in schwierigen Zeiten ist das ja ein probates Mittel - sich zurück zu träumen in die eigene noch unbeschwerte Jugend", sagt Musik-Experte Gernandt. "Und vermeintlich problematische politische Aussagen oder Skandale können den Backstreet Boys nichts anhaben, so scheint es."
Denn eine der hervorstechendsten Qualitäten der Band ist es, Skandale abperlen zu lassen. Drogen- und Alkohol-Abstürze von AJ und Nick, dessen stürmische und von Gewaltvorwürfen überschattete Beziehung zu Paris Hilton Klatsch-Schlagzeilen machte, konnten den Backstreet Boys, die später sogar ihre eigene Show in Las Vegas hatten, nichts anhaben.
Vorwürfe gegen Nick Carter
Toxisches Verhalten von Carter und seinem inzwischen gestorbenen kleinen Bruder Aaron in der Reality-Show "House of Carters" blieb von der Fan-Base weitgehend ignoriert. Dass Littrell sich offen als Donald Trump-Unterstützer mit zumindest fragwürdigen politischen Ansichten präsentierte, scheint die Fans auch nicht sonderlich zu interessieren.
Inzwischen jedoch überschatten Vorwürfe, die nicht politisch, aber schwerwiegend sind, die drei Dekaden andauernde Erfolgsgeschichte. Denn Nick Carter werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Zwei Frauen sagen, er habe sie Anfang der 2000er-Jahre vergewaltigt. Carter, der inzwischen verheiratet ist und sein Familienleben mit drei kleinen Kindern offensiv auf Instagram zeigt und vermarktet, streitet die Vorwürfe entschieden ab, spricht von Verleumdung und hat eine Gegenklage angestrengt.
Der US-Sender ABC strich eine geplante Spezial-Sendung zum Weihnachtsalbum der Band, Carter selbst soll Werbedeals verloren haben, beklagten Fans in Online-Foren. Dort glaubt die überwiegende Mehrheit der Anhänger an die Unschuld ihres Teenie-Idols - und die Welttournee der Backstreet Boys läuft vor kreischendem Publikum weiter. Von Ende April an stehen Konzerte in Island, Ägypten, Saudi-Arabien, Indien und Südafrika auf dem Programm. Frei nach dem Motto: "As Long As You Love Me."
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