Salzburg wagt den Schritt zum Mekka der Operette
Salzburger Festspiele: Tobender Beifall für Jacques Offenbachs Operette "Orphée aux enfers" am Mittwoch im Haus für Mozart
Der australische Regisseur Barrie Kosky, erfolgreicher Intendant der Komischen Oper Berlin, vertraut ganz dem Stück, verzichtet auf eine inhaltliche Modernisierung und lässt das Werk in behutsam angestaubten historischen Dekorationen und witzig grell-bunten Kostümen (Rufus Didwiszus und Victoria Behr) minutiös geplant punktgenau ablaufen. Taktgeber dabei ist Max Hopp, der als John Styx nicht nur grandios den einsam verliebten Fluss zur Unterwelt verkörpert, sondern als "Synchronisator" alle Sprechpassagen wie in einem Stummfilm artikuliert.
Treffsichere Komödiantik
Damit vermeidet Barrie Kosky, dass aufgrund der sprachlichen Internationalität radebrechend Pointen in den Sand gesetzt werden, und erzielt eine ungemeine Konzentration im Ensemble, denn die Sänger müssen ebenso synchron die Mundbewegungen ausführen, während Max Hopp "deren" Stimme amüsant sprechend zum Klingen bringt. Ein genialer Einfall, der höchste Präzision fordert und erzielte.
Dass man mit freizügigen und anzüglichen Anspielungen, frechen Kostümen und banaler Frivolität ein luxuriöses, auch für die Operette zahlungsfreudiges Publikum begeistern kann, spricht für das gesamte Leading Team, das hier die ernste Sparte des bisherigen Salzburger Opernreigens in Bezug auf Präzision und Wirkung in den Schatten stellte. Es bedarf nicht immer einer psychologisierenden Übersetzung, es kann auch perfekt funktionieren, das Stück, so wie es ist, ernst zu nehmen und mit szenischem Schnickschnack und treffsicherer Komödiantik aufzupolieren. Das gelingt auch Enrique Mazzola als idealer Partner der Solisten am Pult der Wiener Philharmoniker, der Offenbachs Musik neutral, aber höchst schwungvoll umsetzte. Unglaublich komödiantisch und stimmlich beeindruckend Kathryn Lewek als gestandene Eurydice. Marcel Beekmann begeistert als Pluton, Martin Winkler ist der köstliche Jupiter, und Nadine Weissmann überzeugt als puttenhafter Cupidon. Joel Prieto (Orphée), Lea Desandre (Vénus), Frances Pappas (Junon), Rafał Pawnuk (Mars), Vasilisa Berzhanskaya (Diane), Peter Renz (Mercure) ergänzen glänzend das Ensemble. Nobel und höchst komisch: Anne Sophie von Otter als L’Opinion publique. Fein auch das Vocalconsort Berlin und das von Otto Pichler fulminant choreografierte Tanzensemble.
Fazit: Man könnte eine Diskussion anfachen, ob in Zeiten wie diesen nicht nur kritisches Theater punkten soll, sondern ob nicht manchmal auch das scheinbar harmlose, aber deswegen nicht weniger aufrüttelnde Lachen seinen Wert hat. Salzburg hat so den ersten Schritt zum Mekka der Operette gewagt und dabei gewonnen.