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Zurück in eine andere Konzertwelt

05. Juli 2020, 15:58 Uhr
 
Vinzenz Ptaxmarer am Sonntag im Brucknerhaus Bild: Reinhard Winkler

LINZ. OÖN-Kritiker Michael Wruss berichtet über die ersten beiden Konzerte nach der Corona-Pause im Linzer Brucknerhaus: „Musica Austriaca“ mit dem Ensemble Ars Antiqua Austria am Freitag und „Sehnsucht nach Wien“ mit Vinzenz Praxmarer und dem Divertimento Viennese als Sonntags-Matinee

Zurück in eine andere Konzertwelt

Willkommen zurück! Auch wenn Dietmar Kerschbaums Stimme am Freitag das Publikum mit diesen Worten zum ersten Konzert im Brucknerhaus seit der Schließung am 10. März begrüßte, ist dieses „zurück“ ein ganz anderer Ort geworden. Das bezieht sich nicht nur auf die rein äußerlich getroffenen Vorkehrungen, um den Pandemiegesetzen gerecht zu werden, sondern auch auf das Setting im großen Saal, der dadurch nicht nur markant anders aussieht, sondern vor allem markant anders klingt. Sind doch die orangefarbenen Sitzreihen – auch wenn die Sitze darin leer bleiben – akustischer Dämpfer.

So klingt der Saal nun fast mit einer sakralraumartigen Nachhallzeit, und die zurzeit erlaubten 250 Sitzplätze sind im 1400 Personen fassenden Saal weit voneinander aufgestellt – weit mehr als sein müsste. Denkt man „nur“ an COVID19, dann mag das ja einleuchten, beschleichen einen aber Visionen, dass das einmal die Bestuhlung der Zukunft sein mag, dann wirkt das beinahe beängstigend und sicherlich nicht der Stimmung eines Konzerts dienlich. Doch für die Konzertatmosphäre sorgten an diesem Freitagabend die Mitglieder von Ars Antiqua Austria unter Gunar Letzbor, die sich mehr als passend ihrem „Haus- und Hofkomponisten“ Romanus Weichlein widmeten.

Bild: Winkler

Weichlein wurde 1652 in Linz geboren und trat ins Stift Lambach ein, wodurch er nicht nur eine fundierte theologische Ausbildung bekam, sondern in Salzburg auch seine musikalischen Fähigkeiten weidlich ausbauen konnte. In seiner Funktion als Musikpräfekt im Stift Säben (Südtirol) schien ihn jedoch der Teufel mächtig geritten zu haben, und er mutierte zum Exorzisten. Vom Stift Lambach daraufhin zurückbeordert wurde er 1706 als Pfarrer ins Burgenland geschickt, wo Typhus grassierte, und nur wenige Monate nach seiner Ankunft verstarb einer der damals hoch geschätzten aber im Lauf der Zeit vollkommen vergessenen Komponisten an einer Seuche.

Nur zwei Opera wurden in Innsbruck gedruckt und aus dem Opus eins, das inzwischen nicht nur auf einmal CD (natürlich einmal von Ars Antiqua Austria bei Pan Classics) eingespielt wurde, erklangen die Sonaten Nr. IV, VIII, VI, XI und III. Werke, die dem Sonata da Chiesa Typ folgen, in der Tradition von Schmelzer, Biber und Muffat stehen und doch höchst eigenständige und überbordend originelle Kompositionen darstellen.

Das Vorwort zur „Musikalischen Weihe“ (Encaenia musices – so der Titel des Opus 1) gibt an, dass die Sonaten sowohl für den kirchlichen Gebrauch aber auch als Musik zur Tafel verwendbar sind. Effektvoll sind sie allemal, und da lässt sich Ars Antiqua Austria nichts entgehen, um diesen Effekten höchst klangvoll, virtuos und beredt auf den Grund zu gehen und damit das Publikum restlos zu begeistern. Als Draufgabe ist das „musikalische Posthörndl“ für vier Violinen und Continuo bei einem Weichlein-Programm schon fast ein Muss.

Fazit: Ein großartiger – auf eine Stunde ohne Pause begrenzter – Konzertabend in einer hoffentlich nicht gewöhnungsbedürftigen Atmosphäre.

Sehnsucht nach der heilen Welt

Bild: Winkler

Brucknerhaus: Matinee mit dem Divertimento Viennese unter Vinzenz Praxmarer, 5.7.

Doch die Sehnsucht nach so etwas wie einer heilen Welt war für die Dauer der Sonntagsmatinee im Brucknerhaus höchstens in der brillant gespielten Musik gegenwärtig, nicht aber im coronabedingten Setting im Großen Saal. Und da mutet es fast schon wie in einem Endzeit-Science-Fiction-Szenario an, wenn das doch groß besetzte Divertimento Viennese mit Mundnasenschutz das Podium betritt – gerade noch keine atomkastrophensicheren Schutzanzüge anhaben müssend – und so wie Wesen aus einer anderen Welt in Erscheinung trat. Keine Frage das ist absolut notwendig und in Bezug auf die steigenden Zahlen an Infizierten mehr als verständlich.

Doch Musik, ja Kultur überhaupt, muss wieder stattfinden können und muss wieder ihre sehnsuchtsvolle Botschaft nach einer Normalität ausströmen dürfen. Das war nie anders und so passte das das Programm, das Vinzenz Praxmarer mit seinem Divertimento Viennese zusammenstellte, ideal in dieses Szenario. Musik, die die Schrecken des ersten Weltkriegs subsumiert, deren Schöpfer vor dem NS-Regime flüchten mussten, und die vielleicht so etwas wie einen Rettungsanker in der so unbekannten großen und den Flüchtlingen nicht nur offenherzig gegenüberstehenden Neuen Welt darstellte.

Das ist sicherlich Karl Weigls 1939 entstandene Tanzphantasie „Old Vienna“, die an eine ungetrübte Walzerseligkeit anknüpft, dabei durchaus auch dunkle Seiten anklingen lässt, aber nie derart fatalistisch auftritt wie etwa Ravels „La Valse“. Nicht nur Karl Weigl musste wegen seinen jüdischen Abstammung Österreich verlassen, bzw. hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Auch das einstige Wunderkind, das mit elf Jahren ein Ballett für die Staatsoper komponierte, verließ bereits während der Zeit des österreichischen Austrofaschismus seine Heimat.

Erich Wolfgang Korngold wurde zwar einer der Pioniere der Filmmusik, aber ob das die Karriere war, die ihm vorschwebte, als er als 19-jähriger die Musik zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ komponierte, sei dahingestellt. Mit dieser nostalgisch schwelgerischen, noch ganz der spätromantischen Tonalität verhafteten Musik eröffnete man das Konzert, und ließ aus dessen Opern-Welterfolg „Die tote Stadt“ das Tanzlied des Pierrots folgen, das Rafael Fingerlos ungemein subtil zum Klingen brachte.

Mit Liedern aus Operetten und Filmen von Johann Strauss, Emmerich Kálmán, Walter Jurmann und Ralf Benatzky präsentierte sich nicht nur der junge Bariton aus dem salzburgischen Tamsweg, sondern auch einer der gefragtesten Charaktertenöre unsrer Zeit. Norbert Ernst schlüpfte da aus der gewohnten Rolle etwa des Loge in neue Gefilde, die er aber durchaus zu nutzen verstand.

Fazit: Mit Korngolds „Straussiana“ schloss ein feiner und vom Divertimento Viennese unter Vinzenz Praxmarer klanglich zauberhaft und feinfühlend umgesetzter Reigen von Melodien, die tatsächlich Sehnsüchte nach einer heilen Welt evozierten.

 

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