Nach dem Jubel kamen Not und Tod
1915, das zweite Kriegsjahr: Militärisch gab es erste Gewinne nach riesigen Verlusten, daheim herrschten Mangel- und Zwangswirtschaft, die die Menschen zermürbten. Zum Beispiel in Eferding.
Karl Prandstätter, Hutmacher in Eferding und Großvater von Bruckner-Universitätsrektorin Ursula Brandstätter, hatte in seinen chronologischen "Aufschreibungen" im ersten Kriegsjahr 1914 noch vom "Heldenmut" und den "Hoch-Österreich-Rufen" geschrieben, mit denen die Mobilisierten an die Front gefahren waren. Anfang 1915 versuchten Staats- und Militärführung, den Soldaten und der Zivilbevölkerung weiter das Bild eines aussichtsreichen Feldzuges für eine gerechte Sache zu vermitteln.
Die Realität war längst eine andere: Die Illusion einer schnellen Strafexpedition gegen Serbien hatte sich verflüchtigt. Das Jahr 1915 sollte dann im Juli mit der Eroberung von Belgrad noch einen Lichtblick bringen. Im Osten hatte Österreich-Ungarn schwere Schlappen erlitten: Lemberg verloren, in den Karpaten und im Kampf um die Festung Przemysl an die 800.000 Mann untergegangen – erst die Durchbruchsschlacht von Tarnow und Gorlice gegen geschwächte Russen brachte mit deutscher Hilfe Erleichterung.
Die 2300-Einwohner-Stadt Eferding war durch und durch bürgerlich und quasi unter fürstlicher Obhut. Bürgermeister war der Lederfabrikant Eduard Straßer, ein Liberaler. Fanny von Starhemberg, Mutter des späteren Heimwehrführers, organisierte als führende Rotkreuz-Funktionärin die Betreuung Verwundeter, die im Schloss, im Schiferschen Spital und anderswo in der Stadt untergebracht waren. Prominentester Politiker war der christlich-soziale Ex-Bürgermeister Karl Schachinger als Mitglied des Landesausschusses – heute hieße das Landesrat. Sozialdemokraten spielten wegen des auf Besitz und Stand abgestellten Wahlrechts keine Rolle. Eine Anekdote besagt, dass sich eine ganze Gästerunde um das Wirtshausfenster versammelte, als ein Wiener Roter auf Besuch war: "Schau, da geht a Sozialdemokrat!", sagte einer.
Die bürgerliche Idylle und die Kriegsbegeisterung hochzuhalten, wurde immer schwerer. 140 Männer waren von Anfang an im Krieg, darunter gleich acht Gastwirte und sechs Bedienstete des Fürstenhauses. 33 Gefallene zählte man 1915. Schon im Jänner löste der Tod des 27-jährigen Leiters der evangelischen Schule, Hanns Roithner, große Betroffenheit aus. Schülerinnen veröffentlichten im Wochenblatt "Volkspost" als Nachruf Gedichte.
Zug um Zug wurde die Zwangswirtschaft spürbar. Im Februar durften nur noch 240 Gramm Mehlprodukte pro Tag und Person abgegeben werden. Feingebäck war verboten, das Kriegsbrot nur noch zum Teil aus Weizen.
Geld verlor immer mehr an Wert
Der Staat heizte mit Gelddrucken zur Kriegsfinanzierung die Inflation an: Die Krone hatte nach heutigem Wert nur noch zwei Euro Kaufkraft, 1912 waren es fünf gewesen. Kaufleute waren nur Zwangs-Erfüllungsgehilfen eines militärisch geführten Verteilungssystems. Bäckermeister Josef Brandl drohte in einem Inserat in der "Volkspost" mit Klage, wenn jemand das Gerücht weiterverbreite, er sei mitschuld am hohen Brotpreis. Bäuerinnen aus dem Umland wehrten sich gegen Gerede, sie hätten Geld von der Kriegsfürsorge bekommen. Ab April waren Brot und Mehl nur gegen Marken zu haben. Milchbrot durfte selbst zu Ostern nicht verkauft werden. Fleisch war kaum zu haben und wenn, dann viel zu teuer. Kaninchenfleisch aus Eigenzucht wurde als Ersatz propagiert.
Kriegsmoralische Aufrüstung musste dennoch sein. Im Dezember lud Hofwirt Johann Obermayr, Vorfahre der Industriellenfamilie Leitl, zur Kinematographie: Es gab von der Militärzensur genehmigte Aufnahmen von allen Kriegsschauplätzen zu sehen.
Kämpfe an drei Fronten: Kriegsjahr 1915
Vorstöße der Mittelmächte im Osten, Statik im Westen und durch Italien eine dritte Front kennzeichnen den Verlauf.
23. Jänner: Karpatenoffensive mit deutscher Hilfe. Scheitert Anfang April nach einer russischen Offensive. Zuvor ist die k. u. k. Festung Przemysl im heutigen Polen gefallen. Im Mai gelingt bei Tarnow und Gorlice der Durchbruch gegen die Russen. Im Juni wird Przemysl wieder erobert. Schon im Jänner kam es zum ersten Giftgas-Einsatz (Chlor) an der Ostfront.
22. Februar: Deutschland beginnt den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Handelsschiffe werden entgegen Kriegsrecht ohne Vorwarnung versenkt. Im Mai wird der britische Passagierdampfer „Lusitania“ versenkt. 1200 Passagiere, davon 122 Amerikaner, ertrinken. Die Entente nützt dies, um die USA zum Kriegseintritt zu bringen.
23. Mai: Italien, ursprünglich Verbündeter, erklärt Österreich-Ungarn den Krieg. Am 23. Juni beginnt die erste Isonzo-Schlacht, der noch elf weitere folgen sollten. Ein Jahr später startet die Südtirol-Offensive.
4. Juni: Weil die Briten bei Gallipoli schwere Verluste gegen die türkische Armee erleiden, wird Winston Churchill, erster Lord der Admiralität, abgesetzt.
8. Oktober: Eine Offensive der Mittelmächte gegen Serbien endet mit der Eroberung von Belgrad. Bulgarien wird Teil der Mittelmächte.
Die Originalseiten der Volkspost vom 2. Jänner 1915:
Eigene Zeitung: Von 1915 bis 1916 übernahm eine Wochenzeitung in Eferding die Rolle des Chronisten. Der Druckereibesitzer Karl Lanz gab die „Volkspost“ heraus, in der auf den ersten drei Seiten über die allgemeine Kriegslage, auf den weiteren über Lokales, natürlich auch fast alles kriegsbezogen, berichtet wurde. Nach 1918 druckte der umtriebige Lanz in der Inflationszeit ein Eferdinger Notgeld, einmal sogar ein Scherzgeld:
Knappes Brot, böse Gerüchte: Feines Brot wie Kipferl oder Milchbrot war schon ab Anfang 1915 verboten, es gab - rationiert - mit schlechterem Getreide vermischtes Kriegsbrot. Ab März konnte Brot nur mehr mit Marken gekauft werden. Die Bäcker in Eferding, die nur nach strengen Vorschriften (Verstöße wurden hart bestraft) produzieren und verteilen durften, schlugen sich mit den Aggressionen der Kunden herum, die zu wenig Brot und Mehl für die Ernährung ihrer Familien bekamen. In der „Volkspost“ wehrten sich zwei Bäcker gegen die ständig kursierenden Gerüchte: