Welt-Aids-Tag: Wie ist die Lage in Oberösterreich?
Früher Todesurteil, heute chronische Krankheit: Experten über die Gründe für Neuinfektionen.
Seinen ersten Patienten betreute Wolfgang Prammer 1993, "die Therapiesituation damals war mehr als schwierig, erinnert sich der Leiter der HIV-Ambulanz des Klinikums Wels-Grieskirchen. Heute werden dort 50 Patienten betreut – und sie haben annähernd die gleiche Lebenserwartung wie Nichtinfizierte.
"Zu meinen Anfängen war nur ein einziges Medikament verfügbar, und das war nur wenig wirksam", erinnert sich der Experte. Mitte der 90er kam der Durchbruch in der Therapie mit einer Kombination aus Medikamenten, die die Infektion kontrollierbar machte. "Kontrollierbar bedeutete dauerhaft unter virologischer Kontrolle. Dazu kam eine Vielzahl an Tabletten, die wiederum viele Nebenwirkungen hatten. Zur psychischen Belastung kamen etwa chronische Durchfälle, Umverteilung von Fettgewebe oder Nierensteine", sagt Prammer. Patienten aus dem Drogenmilieu waren zusätzlich oft mit Hepatitis-C-Infektionen konfrontiert und starben an den Folgen einer Leberzirrhose.
Häufigste Ansteckung beim Sex
Jüngst waren die Fallzahlen der HIV-Infizierungen in Österreich wieder leicht im Steigen begriffen. "Das liegt daran, dass das Bewusstsein für eine mögliche Ansteckung noch vor ein paar Jahren weit größer war. Das Thema wurde ernster genommen", sagt Prammer.
Das bestätigt auch Bernhard Resch von der Präventionsabteilung der Aidshilfe Oberösterreich. "Die Leute haben sicher schon einmal besser darüber Bescheid gewusst." Mit Abstand am häufigsten infizierten sich die Menschen durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. "Dazu kommt auch, dass die Leute heute häufiger Sex mit unterschiedlichen Partnern haben." Enorm zurückgegangen seien hingegen Neuinfektionen im Drogenmilieu. "Der Grund dafür ist, dass sich die Praktiken geändert haben." In Oberösterreich sind die Zahlen der Neuinfektionen relativ stabil, sie liegen stets bei 40 bis 70 Fällen pro Jahr, so Resch. Klare Symptome für Aids gäbe es übrigens nicht, "nur Verdachtsmomente". Der Beginn der Infektion ähnle den Beschwerden einer Grippe. Um sicherzugehen, rät Resch vor allem sexuell sehr aktiven Personen, die häufig wechselnde Partner haben und ungeschützt miteinander verkehren, ein Mal im Jahr einen Aids-Test zu machen. (had)
Mehr Infos und Beratung auf www.aidshilfe-ooe.at. Veranstaltungstipp: Heute jährt sich der Welt-Aids-Tag zum 30. Mal. Die Aidshilfe OÖ lädt deshalb am Samstag, 2. 12., ab 22 Uhr zur Red Ribbon Club Night im Club Spielplatz (Hauptstraße 4, 4040 Linz). Erlöse und Spenden gehen an Projekte für HIV-positive Menschen.
Zahlen
36 Millionen Menschen sind Schätzungen zufolge weltweit mit HIV infiziert. 20 Millionen erhalten keine Therapie, zwei Millionen haben sich im Jahr 2015 neu angesteckt.
40 bis 70 Oberösterreicher infizieren sich jährlich mit dem Aids-Virus. Österreichweit sind es zwischen 400 und 500 Personen. Im Jahr 2016 gab es bundesweit 447 Neudiagnosen.
700 HIV-Patienten sind aktuell in den HIV-Ambulanzen in Oberösterreich in Behandlung. Die mit Abstand häufigste Art der Ansteckung erfolgt durch ungeschützten Geschlechtsverkehr.
"Wir müssen mehr Bewusstsein schaffen"
Ihr mittlerweile an Aids verstorbener Ehemann hat sie mit HIV infiziert, die Tochter der 49-Jährigen wurde bei der Geburt mit dem Virus angesteckt. Als bereits junge Frau beging die Tochter Suizid. Saria Amillen Anderson lässt sich dennoch nicht unterkriegen. Die 49-Jährige leitet in Tansania die Hilfsorganisation Grain to Grow Foundation (GGF) – eine Partnerorganisation von "Sei so frei" der Katholischen Männerbewegung.
In der männerdominierten Gesellschaft rund um den Victoriasee engagiert sich die 49-Jährige gegen weibliche Genitalverstümmelung, klärt über die Ansteckungsgefahr von HIV auf und setzt sich für bessere Lebensbedingungen ein. Saria Anderson arbeitet viel mit HIV-positiven Menschen, organisiert Aufklärungsaktionen in Schulen.
Seit dem Jahr 2000 arbeitet Saria für "Sei so frei". "Ich habe selten eine Person mit einer derartigen Leidenschaft und Empathie kennengelernt", sagt Franz Hehenberger, Geschäftsführer der Organisation. Seit 2002 kommt Anderson jedes Jahr zur medizinischen Behandlung nach Österreich. Im Klinikum Wels wird sie untersucht, die Medikamente neu eingestellt. "Mittlerweile ist das Virus faktisch nicht mehr nachweisbar", sagt Hehenberger.
Ihre zweite Tochter Neema ist gesund. "Gott hat auf sie aufgepasst und sie vor einer Infektion beschützt", sagt die Tansanierin. Neema ist 18 Jahre und hat im November ihren Mittelschulabschluss absolviert. "Wir müssen weiterhin und mehr Bewusstsein für HIV und AIDS schaffen", sagt Anderson. Darüber sprechen sei der Anfang.