Merkel beklagt "schroffe Töne" und "Politikverdruss"
BERLIN. Auch innerhalb der CSU wächst die Kritik an Parteichef Seehofer.
Der wochenlange Asylstreit zwischen CDU und CSU dominierte auch die gestrige Sommer-Pressekonferenz von Angela Merkel. "Der Ton war oft sehr schroff", klagte die deutsche Bundeskanzlerin. An einen Rücktritt dachte sie nie.
Der Streit in der Union hat nach Einschätzung von Merkel Vertrauen gekostet und "Politikverdruss" erzeugt. Probleme müssten künftig "in anderer Tonalität" gelöst werden, übte sie Kritik an Innenminister Seehofer. "Ich persönlich werde mich gegen bestimmte Erosionen von Sprache immer wenden", sagte Merkel. Denn die Form der Sprache könne eine gesellschaftliche Spaltung befördern. Auseinandersetzungen und Streit würden auch in Zukunft vorkommen, so die Kanzlerin. Die Form, in der diese ausgetragen würden, sei aber sicher verbesserungsfähig.
Kritik, der Streit habe zu lange gedauert, wies die Kanzlerin jedoch zurück. Die Bundesregierung habe die Zeit gebraucht, um zu einer Meinung zu finden. "Wenn alles gleich in der ersten Sekunde entschieden wird, nähern wir uns autokratischen Methoden". An einen Rücktritt habe sie nicht gedacht, sagte Merkel, die sich betont gelassen gab: "Wenn ich in der Mitte einer wichtigen Auseinandersetzung bin, dann muss ich ja meine Kräfte darauf konzentrieren."
Auch ihre Autorität sieht sie durch den Konflikt mit Horst Seehofer nicht beschädigt. "Wir haben einen Kompromiss gefunden." Wichtig sei, dass eine Regierung handlungsfähig sei.
Merkel betonte, dass sie die gesamte Wahlperiode im Amt bleiben wolle. Sie habe den Menschen gegenüber eine Aussage getroffen, dass sie für diese Legislaturperiode zur Verfügung stehe. Ob sie 2021 noch einmal antreten will, ließ sie jedoch offen: "Jede Frage hat ihre Zeit."
Ungeachtet der zunehmenden Abgrenzung des US-Präsidenten Donald Trump von Europa bekannte sich Merkel einmal mehr zur transatlantischen Partnerschaft. Die Zusammenarbeit mit den USA sei weiter "zentral für uns", sagte sie. Je souveräner die Kanzlerin sich gab, umso absurder wirkte Trumps Bemerkung, dass Merkel massiv geschwächt sei – deren persönliche Umfragewerte auch nach 13 Jahren Amtszeit immer noch hoch sind.
Krisenstimmung in der CSU
Während die Kanzlerin sich einmal mehr als Überlebenskünstlerin zeigte, herrscht in der CSU Krisenstimmung: Die Umfragewerte der Partei sind wenige Monate vor der Landtagswahl in Bayern auf dem schlechtesten Wert seit 20 Jahren. Vor allem der Kurs von CSU-Chef Horst Seehofer in der Asylpolitik wird nun auch parteiintern scharf kritisiert. In der Wortwahl hätte man "Parolen der AfD" übernommen, heißt es. In der CSU-Führung "bedauert" man mittlerweile den Streit mit Merkel.