Kickl: "Asyl a la Carte wird es bei mir nicht geben"
WIEN. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat im Rahmen seiner Pressekonferenz eine Asyl-Bilanz für das Jahr 2018 gezogen und die Ergebnisse geradezu bejubelt.
"Ich ziehe den Hut", sagte er in Richtung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und meinte dabei unter anderem den Abbau des Antragsrucksackes und den Anstieg der Ausreisen von Flüchtlingen. Der "Turbo" sei "gezündet" worden, so Kickl.
Gut gefällt dem Ressortchef auch, dass die Zahl der Asyl-Anträge weiter zurückgegangen ist, nämlich von 24.735 im Jahr 2017 auf 13.400. Zum Vergleich: 2015 waren es 88.340 Ansuchen. Die Gruppen mit den meisten Anträgen sind nach wie vor Syrer (gut 3.300) und Afghanen (mehr als 2.000).
Video: Ein "Asyl a la carte" werde es bei ihm nicht geben, die Mitarbeiter im Ministerium würde einen schweren Job mit viel Einsatz und Bemühen machen, so Kickl:
Was Wolfgang Taucher, der als Leiter des Bundesamts nicht verlängert wurde und nunmehr Gruppenleiter ist, besonders hervorhob, ist, dass mittlerweile so gut wie alle Anträge aus vergangenen Jahren abgearbeitet wurden. 95 Prozent der Anträge seit 2015 seien erledigt. Die Verfahrensdauer sei auf sechs Monate gesunken, Tendenz sinkend. Sektionschef Peter Webinger gab heute als Ziel aus, diese auf unter drei Monate zu senken.
Der Ausgang der Asylverfahren gestaltete sich für die Werber im Vorjahr in der Erstinstanz weniger erfolgreich. Schutzgewährende Entscheidungen gab es nur in 35 Prozent der Fälle, was ein Minus von acht Prozent bedeutet. Auf der anderen Seite stiegen die negativen Entscheidungen auf 57 Prozent. Von den großen Gruppen die mit Abstand besten Chancen haben unverändert Syrer, wo 94 Prozent der Entscheidungen positiv ausfallen. Auch bei Flüchtlingen aus Somalia liegt die Erfolgsquote bei über zwei Drittel.
Gesteigert wurde die Zahl der Außerlandesbringungen und zwar auf 12.611 Ausreisen. Auffällig ist, dass die Zahl der zwangsweisen Abschiebungen mit plus 47 Prozent deutlich stärker gestiegen ist als jene der freiwilligen Ausreisen mit neun Prozent. So wuchs auch die Zahl der Schubhaften von gut 4.600 auf 5.000. Charterflüge in Drittstaaten gab es 2018 immerhin 72 und damit 14 mehr als im Jahr davor. Neue Destinationen waren dabei Bangladesch, Bosnien und Aserbaidschan.
Zurückgewiesen wurden von Taucher Vorwürfe, wonach oft die Falschen abgeschoben würden. 42 Prozent der zwangsweise Abgeschobenen seien verurteilte Straftäter.
"Bin keine Leasingfirma"
Kickl zeigt nicht allzu viel Bereitschaft, Personal an Justizminister Josef Moser (ÖVP) abzutreten, wie dieser das angeregt hatte: "Ich bin keine Personal-Leasingfirma", erklärte der Ressortchef. Eine komplette Absage Kickls gab es dann aber auch nicht.
Wenn er Personal zur Verfügung stelle könne, ohne dass die Kern-Aufgaben seines Ressorts darunter leiden, könne man über eine Unterstützung des Innenministeriums reden. Freilich hätte man ihm das nicht über die Medien ausrichten müssen, betonte Kickl in Richtung Moser.
Schon bisher habe der Justizminister ja Unterstützung von ihm unterhalten, etwa als es beim letzten Doppel-Budget um mehr Planstellen ging. Auch sei seine Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) für die Taskforce Strafrecht zur Verfügung gestellt worden.
Kritik an seinen Aussagen von zuletzt, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, wies der Innenminister in der Pressekonferenz zurück. Einerseits bekannte sich Kickl zu 100 Prozent zum Legalitätsprinzip, andererseits verwies er darauf, dass die Gesetze eben von der Politik gemacht würden und diese dann von der Justiz vollzogen würden. Auch bezüglich seiner umstrittenen Aussagen zur Menschenrechtskonvention hielt der Innenminister allgemein fest, dass ja auch Gesetze immer wieder überprüft und allenfalls novelliert würden.
Aufschrei nach Aussage zu Rechtsstaat
Herbert Kickl bleibt sich treu. Schon als FPÖ-Generalsekretär sagte er 2015, die Europäische Menschenrechtskonvention solle erneuert oder ersetzt werden. Damit stelle sich Kickl "außerhalb des Verfassungsbogens": Mit diesen Worten wies der damalige Justizminister Wolfgang Brand-stetter (ÖVP) den Blauen zurecht. Als Innenminister hat Kickl seine Ansichten nicht geändert.
Am Dienstagabend im ORF-Report kündigte er an, Grundregeln wie die Menschenrechtskonvention zu hinterfragen. Angesprochen darauf, dass Ausgangssperren für Asylwerber und die rasche Abschiebung von Flüchtlingen an rechtsstaatliche Grenzen stoßen – etwa die Menschenrechtskonvention oder EU-Recht –, sagte Kickl: Man müsse darauf achten, nicht "über die eigenen Gesetze zu stolpern". Oft seien das "irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden".
Darüber wolle er diskutieren, denn "der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht".
Video: Innenminister Kickl stellt stellt mit seiner Aussage die UN-Menschenrechtskonvention in Frage.
Van der Bellen schaltet sich ein
Wieder widerspricht der Justizminister. "In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle", sagte der für Justiz und Verfassung zuständige Minister Josef Moser (ÖVP) am Mittwoch beim Verlassen der Regierungssitzung. In der Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. "Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird", so Moser.
Ein Hinterfragen der Europäischen Menschenrechtskonvention hält der Justizminister nicht für notwendig. Diese Vereinbarung habe sich bewährt.
Der Aufschrei der Opposition war schriller. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried betonte, die Politik dürfe sich niemals über den Rechtsstaat stellen. Kanzler Sebastian Kurz möge Kickl "endlich aus der Regierung entfernen". Für den Neos-Abgeordneten Niki Scherak ist der Innenminister "offensichtlich überfordert und ungeeignet".
Ohne Kickl zu erwähnen, wies Bundespräsident Alexander Van der Bellen alle Versuche zurück, an der Europäischen Menschenrechtskonvention zu rütteln. Das "wäre eine Aufkündigung des Grundkonsens der Zweiten Republik", schrieb Van der Bellen auf Facebook. Die Konvention stehe seit 59 Jahren im Verfassungsrang.
In Schutz genommen wurde der Innenminister von seinem Parteifreund Norbert Hofer, dem Verkehrsminister: Kickl habe sagen wollen, dass die Gesetze im Parlament beschlossen werden. Ziel von Wahlen sei es, dass Persönlichkeiten in gesetzgebende Körperschaften einziehen, um Gesetze zu beschließen und zu ändern.
ÖVP-Regierungskoordinator Gernot Blümel unterstrich, dass Kickl "auf dem Boden des Rechtsstaats" bleiben wolle. Allgemein meinte er, man müsse alle Möglichkeiten prüfen, um Gewalttaten durch Flüchtlinge zu verhindern.
Video: Bundeskanzler Kurz zur Aussage von Innenminister Kickl
Bald in Oberösterreich: Jobbörse für Asylberechtigte
Asylwerber und Asylberechtigte sind nicht nur ein Thema des Innenministeriums: Die Bundesregierung fördert eine Job-Börse für Asylberechtigte. Diese Veranstaltung lockte am Mittwochvormittag mehr als 1100 Betroffene in die Gösserhalle in Wien.
Ähnliche Veranstaltungen sollen demnächst auch in Oberösterreich und Tirol stattfinden.
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte beim Besuch der Arbeitsvermittlung, man wolle arbeitslose Asylberechtigte in den Arbeitsmarkt bringen; aus Leistungsempfängern sollten „Leistungserbringer“ werden.
Organisiert hatten die Veranstaltung das AMS, die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung. Rund 40 Unternehmen waren vertreten.
Kurz betonte, dass die Gruppe der arbeitslosen Asylberechtigten wesentlich größer sei als jene der Asylwerber in Lehre.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte, man wolle von den 30.000 arbeitslosen Asylberechtigten möglichst vielen zu einem Job verhelfen. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verwies darauf, dass jeder Arbeitslose der Allgemeinheit Geld koste.
AMS-Chef Johannes Kopf forderte die Asylberechtigten auf, die Chance zu nutzen. Sollte es bei der Jobsuche nicht sofort klappen, sollten sie nicht aufgeben; viele Vermittlungen würden sich erst in weiterer Folge ergeben.
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