Sind sieben Jahre eine angemessene Strafe für zwei Leben?
"Eisenstangen-Prozess": Mit 8:0 Stimmen beurteilten die Geschworenen die Bluttat von Leonding als Totschlag, nicht als Mord. Eine Analyse von Robert Stammler.
Der Schwurgerichtssaal ist kein Podium für Dozenten und Paragrafenreiter. Vielmehr ist er Bühne für die großen Emotionen. Und der Linzer Strafverteidiger Andreas Mauhart ist ein Meister des Theaterdonners. Und am Ende eines mehr als zwölfstündigen Prozess-Marathons sagt ein Bild ohnehin mehr als tausend Worte.
Mauhart präsentierte Dienstagnacht im Schlussplädoyer des Eisenstangen-Prozesses den Geschworenen Fotos von den beiden Kindern des Angeklagten. Die kleine "Lili" ist fünf, ihr Bruder "Phil" acht Jahre. "Sehr geehrte Damen und Herren Geschworene! Bitte lassen Sie mich nach dem Urteil nicht der Familie sagen müssen, dass der Roland wegen Mordes verurteilt worden ist."
Einer Geschworenen kamen dabei die Tränen. Aber nicht aus Mitleid für die beiden Pensionisten, die Roland H. auf offener Straße mit einer Eisenstange hingerichtet hat. In einem Wutanfall, weil die zwei Senioren mit ihren Verbalinjurien, die sie jahrelang über den Gartenzaun "keppelten", sein Eheleben zur Hölle machten, seine Gattin dadurch psychisch schwer erkrankte. Den körperlich leicht behinderten Sohn der Familie H. sollen die Opfer, die im Prozess bisweilen als Täter beschrieben wurden, sogar als "Missgeburt" bezeichnet haben.
Ist es allgemein begreiflich, dass ein bisher ruhiger und besonnener Familienvater auf einmal so heftig "austickt" und zwei Menschenleben auslöscht?
Wie viele Definitionen der Oberste Gerichtshof über den "rechtstreuen Durchschnittsmenschen" und die "allgemeine Begreiflichkeit eines heftigen Affektes" festgelegt hat, ist zweitrangig. Im Schwurgericht geht es darum, was in den Köpfen der Laienrichter vorgeht. Sie entschieden mit 8:0 Stimmen für Totschlag, sprachen Roland H. vom Vorwurf des Mordes frei. Verteidiger Mauhart hat gewonnen.
Die Frage, wie es sein kann, dass eine ganze Siedlung solidarisch ist mit dem "Eisenstangen-Killer" und Unterschriften für ein "mildes Urteil" sammelt, sollte man aus Opferschutz-Gründen nicht thematisieren. Viele fragen sich aber zu Recht, ob sieben Jahre Gefängnis eine angemessene Sanktion sind. "Wir sind froh über das Urteil", sagte Ilse, die Mutter von Roland H. Es sei das "beste Ergebnis", das sich die Familie vorstellen konnte. "Mein Sohn hätte Ärgeres erwartet." Sieben Jahre bedeuten aber nicht sieben Jahre. Der Musterhäftling hat wohl keine schlechten Chancen auf eine vorzeitige Enthaftung. "Vier, fünf Jahre wird er sitzen", vermutet Mauhart. Die U-Haft wird angerechnet.
"Das Urteil erscheint mir nicht milde, sondern durchaus angemessen", sagt der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer. Der Totschlag habe einen Strafrahmen von fünf bis zehn Jahren. Mit sieben Jahren habe das Gericht eine Strafe im mittleren Bereich gewählt. Man müsse bedenken, dass der Angeklagte keine Vorstrafen aufweise und ein volles Geständnis abgelegt habe.
4000 Euro pro Elternteil
Günstig kam der Angeklagte jedenfalls bei der Höhe des Schadenersatzes davon. Die Tochter der Opfer forderte rund 53.000 Euro für Begräbniskosten und die Trauerschmerzen. Das Gericht sprach der Juristin nur rund 12.000 Euro zu: 4000 Euro für die Bestattung und 4000 Euro Trauerschmerzen pro Elternteil.
"Glauben Sie mir: Ich würde zu dem Urteil gerne etwas sagen, aber ich darf nicht", sagt Opferanwalt Helmut Blum. Seine Mandantin wolle keine öffentlichen Kommentare. "Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet."
Staatsanwalt Reinhard Steiner hat sich eine dreitägige Bedenkzeit erbeten und will prüfen, ob er Rechtsmittel gegen das nicht rechtskräftige Urteil einlegt. Die Frist dafür läuft bis Montag, 24 Uhr.