Waggons nach 32 Kilometern "Geisterfahrt" entgleist
BRAUNAU. Zuggarnituren verselbständigten sich und rasten mit 100 km/h bis an den Stadtrand Braunaus.
Vier führungslose Güterwaggons mit einem Gesamtgewicht von 300 Tonnen rollten am Freitag in der Früh vom Bahnhof Lengau weg, donnerten die Mattigtalbahnstrecke entlang und wurden aufgrund des Gefälles sogar immer schneller, bis sie eine Spitzengeschwindigkeit von mehr als 100 km/h erreichten. In der Ortschaft Dietfurt, knapp an der Stadtgrenze, war mit der "Geisterfahrt" Schluss: Die Waggons entgleisten. Dort hatten sie innerhalb von 20 Minuten bereits eine Strecke von 32,5 Kilometern zurückgelegt.
Dass dabei kein Mensch zu Schaden kam, war vermutlich pures Glück. "Gott sei Dank ist der Vorfall zu einer Tageszeit passiert, als noch relativ wenig Pendler unterwegs waren", war ÖBB-Sprecher Karl Leitner erleichtert.
Mitarbeiter wurde suspendiert
Der Zwischenfall nahm auf dem Bahnhof Lengau an der Grenze zu Salzburg seinen Lauf. Um 3.55 Uhr waren drei ÖBB-Mitarbeiter mit Verschubarbeiten beschäftigt. Einer der drei dürfte die mit schweren Papierrollen beladenen Waggons nicht ausreichend gesichert haben. Die Waggons rollten davon. "Als der Fehler bemerkt wurde, waren die Waggons schon weit weg", sagte Leitner. Der betroffene Mitarbeiter sei inzwischen suspendiert worden.
Als erste schlug die Fahrdienstleiterin des Bahnhofs Steindorf Alarm und verständigte die ÖBB-Zentrale, die wiederum die Fahrdienstleiter entlang der Bahnstrecke zwischen Lengau und Braunau alarmierte. An 19 Bahnübergängen gingen daraufhin die Schranken nach unten und die Ampeln standen auf Rot.
Rund 25 weitere Übergänge entlang der Strecke verfügen nicht über technische Sicherungsanlagen, sind nur mit Stoppschildern und Andreaskreuzen ausgestattet. Diese wurden von den ÖBB gemeinsam mit der Polizei abgesichert. Am Bahnhof Munderfing versuchten die Mitarbeiter noch, die Waggons mit sogenannten "Hemmschuhen" zum Stillstand zu bringen, doch ohne Erfolg. "Die Waggons haben zu viel Kraft gehabt."
Auch die Justiz ermittelt
In einer Linkskurve hob es die Garnituren aus den Schienen. Am Gleiskörper entstand massiver Sachschaden. Die Mattigtalbahn blieb am Freitag vorerst gesperrt. Die Dauer der Sperre war laut ÖBB "noch nicht absehbar". Ein Schienenersatzverkehr wurde eingerichtet. Nicht nur die ÖBB untersuchen den Vorfall, auch die Staatsanwaltschaft Ried hat Ermittlungen eingeleitet. Es gebe bisher aber keine Hinweise, dass Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet gewesen wären, sagte Behördensprecher Alois Ebner.
Im Oktober des Vorjahres verselbständigte sich ein Regionalzug in Neumarkt. Nach 20 Kilometern Fahrt prallte die Garnitur in Krenglbach gegen einen leeren Zug. Verletzt wurde niemand.