Fall Kellermayr: Razzia bei 59-Jährigem in Deutschland
Im Fall der aus der Impfgegnerszene bedrohten und verstorbenen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr hat die Generalstaatsanwaltschaft München die Wohnung eines Tatverdächtigen durchsuchen lassen.
Nun kommen die Ermittlungen ganz offensichtlich doch voran: Die Generalstaatsanwaltschaft München meldete am Freitag eine Razzia bei einem 59-jährigen Verdächtigen in Bayern. Und die Staatsanwaltschaft Wels hat ihre eingestellten Ermittlungen wegen geänderter Voraussetzungen doch wieder aufgenommen.
Die Hausdurchsuchung sei am frühen Freitagmorgen von der Kriminalpolizeiinspektion Fürstenfeldbruck am Wohnort des Beschuldigten durchgeführt worden, so die für Extremismus zuständige Generalstaatsanwaltschaft München. Es wurden Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Der Beschuldigte aus dem Landkreis Starnberg habe sich kooperativ gezeigt. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich betonte, dass es sich bei dem Verdächtigen um jene Person handle, die sie im Mai ausgeforscht hatte und gegen die die Staatsanwaltschaft Wels die Ermittlungen zunächst wegen mangender inländischer Gerichtsbarkeit eingestellt und die Ergebnisse nach Deutschland gemeldet habe.
Gegenstand der Ermittlungen seien im Wesentlichen die Tatvorwürfe der Bedrohung und der Nachstellung, hieß es in einer Aussendung. Es gehe um Äußerungen des Beschuldigten im Internet und in sozialen Medien, in denen er an die Adresse Kellermayrs beispielsweise geschrieben haben soll "(...) wir beobachten Sie, und, wir werden solche Kreaturen vor die in Zukunft einzurichtenden Volkstribunale bringen!". Nähere Details zum Ermittlungsstand wollte die Behörde vorerst nicht preisgeben.
Wegen Suizid Ermittlungen wieder aufgenommen
Die Staatsanwaltschaft Wels hatte zuvor ihre Ermittlungen gegen konkrete Verdächtige eingestellt und nach Berlin und München abgetreten. Nachdem sich Tatort und Verdächtige in Deutschland befinden, sei die territoriale Zuständigkeit ursprünglich nicht mehr gegeben gewesen, erklärte der Leitende Staatsanwalt Christian Hubmer der APA. Mit dem Suizid der 36-jährigen Hausärztin in Oberösterreich haben sich die Zuständigkeiten geändert, weshalb seit Donnerstag die Staatsanwaltschaft Wels die Ermittlungen gegen namentlich bekannte Verdächtige wieder aufgenommen habe, (wir berichteten). Die "inländische Gerichtsbarkeit" sei wieder gegeben, man arbeite nun mit den neuen deutschen Anklagebehörden zusammen.
Die Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes übte am Freitag scharfe Kritik an den oberösterreichischen Strafverfolgungsbehörden. Aus ihrer Sicht war schon mit dem Suizid der Medizinerin am vergangenen Freitag evident, dass eine Zuständigkeit der österreichischen Justiz für Ermittlungen wegen gefährlicher Drohung mit Selbstmordfolge im Sinne des § 107 Abs 3 StGB gegeben ist. Und wenn Kellermayr seit vergangenem Herbst von einem deutschen Verdächtigen im Weg der Telekommunikation massiv bedroht worden sei, hätte auch das nach ihrem Dafürhalten bereits ausreichen müssen, um im Inland ein Verfahren wegen beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB einzuleiten. Sollte es in Österreich zu einem Strafprozess gegen den Verdächtigen wegen §107 Abs 3 StGB kommen, müsste er mit einer empfindlichen Sanktion rechnen. Für eine gefährliche Drohung, die zum Selbstmord führt, ist eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen.
Hier finden Sie Hilfe
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Hier finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at.