Hoch über den Dächern von Ried: In der Türmerstube
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RIED. 185 Stufen über zehn Geschoße muss der Besucher bewältigen, ehe er den Ausblick aus der Türmerstube am Rieder Kirchturm genießen kann. Aus jener Stube, in der bis 1929 der Turmwächter gewohnt hat. Die Räumlichkeiten und der Aufgang wurden in den vergangenen zwei Jahren restauriert und werden mit speziellen Führungen Besuchern wieder zugänglich gemacht. "Nur wenige Kirchen haben eine Türmerstube – und noch viel weniger sind begehbar", sagt die Rieder Kulturamtsleiterin Sieglinde Frohmann. Sie freut sich, dass dieses einzigartige Projekt durch einen privaten Sponsor sowie durch die Stadt Ried ermöglicht worden ist.
Der Aufstieg in höhere Sphären von Ried ist anspruchsvoll. "Man sollte festes Schuhwerk tragen, und beide Hände frei haben und gute Kondition mitbringen", sagt Sieglinde Frohmann. Maximal zehn Personen dürfen gleichzeitig auf den Turm. Beim Aufstieg geht es über teils sehr enge Stiegen vorbei am Turmuhrwerk und an den Kirchenglocken hinauf in jenen Raum, in dem der Turmwächter gewohnt hat und der von der Galerie mit dem Schmiedeeisen gesäumt wird.
Von Bränden und einer Geburt
"Die Aufgabe des Turmwächters hat darin bestanden, dass er bei Bränden in der Stadt oder in der näheren Umgebung Alarm geschlagen hat. Zuerst mit dem Nebelhorn und dann durch das Läuten der großen Glocke. Wenn sich der Brand ausgebreitet hat, dann musste er alle Glocken so lange läuten, bis genügend Löschkräfte verfügbar waren", erzählt Sieglinde Frohmann. Geschichten wie diese werden sie und ein ausgebildetes Team an Führerinnen und Führern künftig interessierten Besuchern vermitteln. Der Turmwächter hatte eine äußerst anstrengende Aufgabe: "Er musste jede Viertelstunde, rund um die Uhr, seinen Wachgang machen", wie die Rieder Kulturamtsleiterin erklärt. Unterstützt wurde er dabei manchmal durch seine Frau, die ebenfalls in der Türmerstube wohnen durfte. Kinder waren allerdings nicht erlaubt. Nur einmal war ein Kind in der Stube am Kirchturm – als die Frau des Turmwächters dort oben ein Kind zur Welt gebracht hatte. Die Geschichte des Rieder Kirchturmes in seiner heutigen Form ist eine lange. 1731 wurde der Turm um ein Stockwerk erhöht, da man den Turm als zu niedrig empfunden hatte. Doch er hielt nur 123 Jahre. 1854 wurde der Turmhelm durch Blitzschlag zerstört, und 14 Jahre lang zierte ein Notdach den Turm. Daraufhin wurde dieser neuerlich erhöht, um Platz für die Türmerstube zu erhalten.
Aus dieser Zeit – 1868 – stammt auch die heutige Galerie rund um den Turm. Im selben Jahr wurde auch das Manhart’sche Turmuhrwerk eingebaut, das auch das Läutwerk mit seinen sechs Glocken antreibt. Auf dem Weg zur Türmerstube fallen verputzte sowie unverputzte Mauerwerke auf. Die Bedeutung dahinter erklärt Sieglinde Frohmann: "Die verputzten Räume kann man als einstige Wohnkammern deuten, die unverputzten waren Durchgangsbereiche, die auch als Lagerräume genutzt wurden."
Besuch vom Turmfalken
Die Aussicht von der Türmerstube aus beziehungsweise von der Galerie rund um den Turm ist beeindruckend. Den Besuchern eröffnet sich ein ganz besonderer Blick auf die Stadt und die nähere Umgebung. Und es kann sein, dass auch ein Turmfalkenpaar seine Ansprüche auf sein Territorium am Rieder Kirchturm lautstark geltend macht. "Man sollte sich aber nicht erschrecken lassen, wenn der Falke auffliegt", sagt Sieglinde Frohmann lachend.
Sie hat übrigens zwei besondere Ausstellungsstücke bereitgestellt, die in nächster Zeit im Turm deponiert werden sollen. Ein Stück vom Kupferdach, das aus dem Jahr 1929, als der Turm dem Sturm zum Opfer fiel, stammt. Und ein original Signalhorn des Turmwächters. Der letzte Turmwächter war übrigens ein gewisser Anton Wagenleitner. Er hatte vom 4. Juli 1914 bis zum 7. März 1929 seinen Dienst hoch über den Dächern von Ried versehen.
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