Weihnachten ist doch ein Wunschkonzert
LINZ. Dompfarrer Maximilian Strasser über Wünsche, Krippen und zwei Gänsehautmomente während der Mette
"Ich wünsche mir für mich und meine Familie Gesundheit, Liebe, Glück und Zufriedenheit. Dass meine Enkel immer auf dem rechten Weg bleiben. Dass mein Mann und ich glücklich bleiben ..."
" ... dass ich eine gute Mutter bin und mein Sohn seine Ängste ablegt ..."
"Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder Menschen sind und friedlich miteinander zusammenleben."
Wer dieser Tage den Linzer Mariendom betritt, dem fallen zehn hochgeschossene, voll behangene Christbäume auf. Es sind weder Kerzen noch Kugeln noch ist es Lametta, was diesen Bäumen etwas Besonderes verleiht. Es sind weiße Karten. Vollgeschrieben mit Bitten und Herzenswünschen.
"Ich wünsche mir, dass meine Freunde ein Baby bekommen", steht auf einem Zettel. Auf einem anderen sind chinesische Schriftzeichen. Ein anderer beendet seine innigsten Wünsche mit dem spanischen "Feliz Navidad".
Erst Hunderte, dann Tausende und am Ende weit mehr als zehntausend solcher Wünsche hängen in der Adventzeit auf diesen Bäumen.
Friede und Gesundheit, so einfach
Friede in der Welt, für sich, allen voran aber in der Familie, wünschen sich die Menschen. Und Gesundheit. Um diese wenigen Punkte dreht sich das Seelenleben, wenn die Menschen im Dom für sich sind. Keine teuren Geschenke. Keine Reisen nach Venedig. Freilich, auch Lustiges steht drauf – "Lasagne für alle". Aber bei wahren Wünschen sind die Menschen auf das Wesentliche fokussiert.
Dompfarrer Maximilian Strasser freut sich über die Wünsche, bei denen es vielfach um den Kern des Menschseins gehe. Lesen tue er sie aber nicht. "Die Wünsche sind diskret", sagt er. Ohnehin würden daraus beim Gottesdienst am 24. Dezember die Fürbitten formuliert.
Dass die Menschen ihre Wünsche im "Weihnachtswald der Herzenswünsche" platzieren, sei für ihn nachvollziehbar. "Der Dom ist für alle offen, ein Ort, wo ich anbringen kann, was mich berührt", sagt Strasser, der ein gutes Stück dazu beigetragen hat, dass der Dom, der heuer 100 Jahre Weihjubiläum feierte, so offen ist.
Er selbst habe keinen Wunsch aufgeschrieben. Wenn, dann würde auf dem Zettel das stehen, was er Neugeborenen bei der Taufe mit auf den Weg gibt: "Da wünsche ich dem Kind, dass es das wird, was in ihm steckt."
Weihnachten war für Strasser schon als Kind etwas Besonderes, damals in Wels, wo er gut behütet mit seinen Brüdern in der Nachkriegszeit aufwuchs. Es war eine Zeit, in der jeder Schilling zweimal umgedreht wurde. In der die Großmutter Socken stopfte und die Mutter den Skipullover für Weihnachten strickte. "Es war eine prägende Zeit", sagt er. Vor allem bezüglich Bescheidenheit. "Ich bin der Schrecken aller, die auf Konsum setzen." Seinen besten Mantel habe er vor Jahren um 30 Euro gekauft. Das sei ihm halt innewohnend. Schon damals sei das Gewand weitergegeben worden – "aufgetragen" eben, wie er sagt.
Mit dem Vater die Krippe gebaut
Das wichtigste Symbol zu Weihnachten war für ihn als Kind die Krippe. Die hatte der Vater mit ihm und den Brüdern gebaut. Tischplattengroß. Ein Geschirrtuch habe er in Beton getaucht, daraus eine Grotte geformt, aus Kork wurde Bethlehem gebaut. "Das war eine wunderbare Adventbeschäftigung." Und nach dem Fest ging es zur Mitternachtsmette.
Die Mette sei auch heute noch etwas Besonderes für ihn. Zwei Gänsehautmomente berge sie in sich. Das mitternächtliche Chorgebet um halb zwölf und das gemeinsame Singen von "Stille Nacht! Heilige Nacht!" um Punkt Mitternacht. Das wird übrigens zweimal gesungen. Ein zweites Mal dann vor dem Auszug in der "Originalbesetzung" mit Gitarre und zwei Männerstimmen – so wie damals 1818 in Oberndorf bei Salzburg, als es von Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber mit der Gitarre erstmals erklang.
Die Mitternachtsmesse wird zwar traditionell von Bischof Manfred Scheuer gehalten, Strasser ist aber freilich involviert.
Es wird die letzte Mette sein, bei der er als Dompfarrer dabei ist – mit Ende des Jahres emeritiert er. 26 Jahre und vier Monate wird er dann diese Position bekleidet haben, die er 1998 nach dem plötzlichen Tod von Johann Bergsmann, mit dem er gut und gerne sprechen konnte, übernommen hatte.
Fortan war es Strasser wichtig, den Mariendom für Kunst und Kultur zu öffnen und seine sakrale und spirituelle Opulenz zu vermitteln. Der Dom solle durch das Turmportal betreten werden. Nicht weil es devot vonnöten wäre, sondern weil es etwas mit den Menschen mache, wenn sie hinten stünden und dann den Dom als Ganzes sehen. Dann nämlich, sagt er, "richtet mich der Raum auf, es hebt mich nach vorne. Und das ist etwas Wesentliches für den Menschen, jenseits seiner Religion. Dass er sich aufrichtet, nach oben schaut, nach vorne." Wer den Dom verlasse, solle das aufgerichtet und mit Zuversicht tun.
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