Schlange stehen und kopierte Ware: Geris Corona-Tagebuch
STEYR. Seit heute gilt sie endlich, der erste Teil unserer "neuen Normalität". Das heißt: Einkaufen fast nach Lust und Laune, Gesichtsmasken und Schlange stehen, wie sonst nur in England.
Wie haben wir alle doch darauf gewartet. Nach vier Wochen des Teilstillstandes dürfen wir endlich wieder fast überall hin einkaufen gehen oder eher fahren. Wer genau hingehört hat, dem ist es schon spätmorgens im Bett aufgefallen: Es waren wieder mehr Autos und Lkw im Morgenverkehr auf der Straße. Gut fürs Geschäft, schlecht für Umwelt und Ruhe. Und wer danach die Berichte von den Staus und vom Schlange stehen vor den Baumärkten verfolgt hat, der hat heimlich seine Faust geballt und ein leises Jaaaaa ausgestoßen: "Jaaa, ich bin keiner jener, die sich gerade die Beine in den Bauch stehen."
Nicht nur Baumärkte und Gartencenter haben ihre Pforten geöffnet. Auch viele andere, die kleineren Geschäfte in unserer Nähe, durften ihre gefüllten Schütten wieder präsentieren. Einkaufen und den lokalen Handel stärken, so lautet das Gebot der Stunde.
Doch was kaufen, um die regionale Wirtschaft zu stärken? Auf dem Bauernmarkt habe ich mich in den vergangenen Monaten schon eingedeckt, das Lamm aus Neuseeland habe ich ebenso verweigert wie den Wein aus Chile, Vitamine kommen seit geraumer Zeit vor allem von heimischen Äpfeln, herbeigeflogenen Kiwis entsage ich seit Wochen, obwohl sie der Händler meines Vertrauens feilbietet. Die Tulpen aus Holland sind längst kompostiert. Was also kaufen, um zu helfen? T-Shirts aus Billig-Fabriken in Bangladesh? Kopierte Ware aus chinesischer Beute-Produktion? Kleider unterbezahlter kambodschanischer Näherinnen? Holzspielzeug aus Mühlviertler Qualitätsproduktion brauche ich aktuell nicht mehr und noch nicht wieder.
Was also kaufen? Gutscheine für den nächsten Wellnessurlaub? Für den Winter? Oder gar erst fürs Frühjahr 2021? Andererseits: Fast jedes Stück, das nicht bei einem Online-Großhändler bestellt wird, der steueroptimiert weit weg sitzt (und dieses dann auch noch x-mal hin und her geschickt wird), sondern hier bei uns, ist schon ein kleiner Gewinn. Für uns alle.
Fragen über Fragen also, während die "neue Normalität" langsam von uns Besitz ergreift. Lassen wir uns überraschen, wohin sie uns führt. Vor allem aber: Für welche Richtung wir uns letztlich entscheiden.
Lesen Sie auch die Tagebucheinträge der vergangenen Wochen.
Und falls wer doch Lust hat auf Ware von weit her: Fair Trade macht's möglich - ohne Kinderarbeit & Co.
Schön, wenn sich wieder jemand profilieren kann im Kwalitätsblattl.
"Lies was gescheits".....