Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Briefe ans Christkind

Von Roman Sandgruber, 24. Dezember 2016, 00:04 Uhr
Briefe ans Christkind
Bild: volker weihbold

Zu Weihnachten werden viele Briefe geschrieben. An Verwandte und Freunde, an Kunden und Geschäftspartner, an Spender und Unterstützer, ans Christkind.

Das meiste davon sind Massensendungen, die zum vorgedruckten Text vielleicht noch eine eilig hingekritzelte Unterschrift tragen oder überhaupt per Massen-Mail verteilt werden. Doch den echten Christkindbriefen wohnt ein Zauber inne. Von kleinen Händen in ungelenken Buchstaben aufs Papier gemalt und dann aufs Fensterbrett oder unter die Türschwelle gelegt, wird sehnsüchtig gewartet, ob sie auch abgeholt werden. Meist sind sie am nächsten Tag verschwunden. Alles andere wäre eine große Enttäuschung. Ob sich die Wünsche dann alle erfüllen lassen?

Es ist den Kindern vorbehalten, noch an das Christkind zu glauben. In vielen Kulturen kennt man diese geheimnisvollen Gabenbringer: Sie kommen in Gestalt von Tieren, Geistern, Heiligen. Ihre Geschenke fliegen durch den Rauchfang, liegen in Stiefeln, hängen auf Bäumen. Inzwischen sind sie zu Brauchtumsrelikten geworden und in den Kommerzkitsch gerückt. Doch auch in unserer entzauberten Welt, die an keine übernatürlichen Kräfte mehr glauben will, sind es nicht nur die Kinder, die ans Christkind schreiben und auf das Christkind vertrauen. Im neudeutschen Politsprech ist es üblich geworden, Wünsche, die man nicht erfüllen will oder erfüllen kann, als Briefe an das Christkind zu bezeichnen. Die Wunschzettel an eine vermeintlich unerschöpfliche Staatskasse, die willfährig erfüllt werden sollen, weil sie andere bezahlen müssen, werden immer länger. Die Gesellschaft will etwas, und andere müssen es liefern oder bezahlen. Mindestsicherung und Mindestlohn auf höchstem Niveau, Arbeitszeitverkürzung und Frühpension, staufreier Verkehr ohne ausgebaute Straßen, Strom aus der Steckdose ohne lästige Leitungen, Handy-Empfang ohne Strahlenbelastung, Bestresultate im Pisatest ohne stressiges Lernen, Spitzenuniversitäten, aber ohne Geld. Alles gratis. Und bitte sofort. Doch diese Art von Weihnachten gibt es nicht.

Doch es gibt auch die Christkindbriefe, die nicht abgeholt werden. Und viele, die gar nicht geschrieben werden. Von jenen, die schon völlig verzweifelt sind. Die den Glauben an das Christkind verloren haben. Briefe aus den vielen Elendsecken unserer Erde, auf die keine Reaktion folgt, und selten genug auch tröstende Botschaften, die dem Frieden und der Glückseligkeit dienen. Wir werden uns wieder erinnern müssen, dass hinter jedem Christkind ein Mensch steht, der das Christkind sein muss. Das Christkind sind wir selber, und nicht die anderen.

 

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz. 

mehr aus Weihnachten

Süßer die Glocken nie klingen

Ein Schatz aus Steyr schreibt "Stille Nacht"-Geschichte neu

Zur Heiligen Nacht kam Halley, der Komet, zu früh oder zu spät

Die sieben Phasen der Weihnacht

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen