Auf Wald und Wild achten
RIED IN DER RIEDMARK. Eichen und Tannen sind im Klimawandel die wichtigsten Baumarten für fitte Wälder. Sie können auch ohne Schutzzäune aufkommen, wenn der Rehbestand reguliert wird. Das beweist die Jagdgenossenschaft Ried in der Riedmark seit mehr als 30 Jahren. Seit drei Generationen stellt die Bauernfamilie Beyer den Jagdleiter in dem mit 3300 Hektar sehr stattlichen Revier im Bezirk Perg. Als Karl Beyer 1991 von seinem Vater übernahm, stellte sich ihm eine große Aufgabe. 1990 war ein Sturm über die 4000-Einwohner-Gemeinde gefegt und hatte große Schäden angerichtet. Alle glaubten, dass die Aufforstung nur gelingen könne, wenn die Jungpflanzen großflächig eingezäunt würden.
Jeder will Bock schießen
Die Jägerschaft wollte das Land für die Rehe offen halten und versprach den Grundbesitzern, die Wildbestände zu drosseln und damit die Aufforstungen vor Verbiss zu schützen. "Wir haben intern lange Abende diskutiert", erinnert sich Beyer. Im ersten Jahr wurde der Rehabschuss von 320 auf 400 Stück erhöht, im nächsten auf 450, dann 500. Die rund 70 Jäger wurden auf 20 Kleinreviere aufgeteilt und waren für ihre Resultate verantwortlich. Nur zwei hätten nicht mitgemacht. Das Ziel wurde mit einem Punktesystem erreicht. Ein Jäger durfte, wenn er genug weibliche Tiere (Geißen) erlegt hatte, im Jahr darauf einen Bock schießen.
Weniger Muttertiere bedeuten weniger Nachwuchs und damit niedrigere Wildstände. "Alle haben geschaut, dass sie genügend Punkte für ein paar Böcke zusammengebracht haben", sagt Beyer: "Es will ja jeder einen guten Bock schießen. Das glaubt doch niemand, dass nicht wegen der Trophäen gejagt wird, wie beim Jagdverband behauptet." Der niedrige Wildbestand brachte positive Nebeneffekte: Das Durchschnittsgewicht der Rehe stieg, bei mehrjährigen Böcken zum Beispiel von 17 auf über 20 Kilo. Damit legten die Verkaufserlöse zu. Gleichzeitig gab es prächtige Trophäen. "Ich hatte diesen Effekt schon im Hinterkopf", sagt Beyer. Wenn Wild weniger Konkurrenz hat, hat es weniger Stress und entwickelt sich besser. Seither gilt in Ried als Regel: Wenn das Wildbretgewicht pro Reh sinkt, muss der Abschuss erhöht werden.
Wegen des Klimawandels müssen die Fichtenmonokulturen in tiefen Lagen rasch von stabilen Mischwäldern abgelöst werden. Zu hohe Rehbestände gefährden jedoch das Aufkommen von Tannen und robusten Laubbaumarten. Die Jungtriebe werden vom Wild verbissen, die Stämme gefegt. In Ried wurde die Wald-Wild-Problematik erfolgreich gelöst. Das gelang, weil die Jagdleiter ebenso begeisterte Forstwirte wie Jäger sind. Der gesunde Wald ist ihnen so wichtig wie ihre Jagdleidenschaft.
Naturverjüngung statt Zäune
Mittlerweile ist seit 2015 Sohn Matthias Beyer Jagdleiter. Das System wurde beibehalten, nicht nur wegen der jagdlich positiven Effekte. "Wir arbeiten im Wald praktisch nur noch mit Naturverjüngung", sagt der Junior. Nur einmal sei eine Lehmgrube aufgeforstet worden. Die Familie bewirtschaftet mehr als 20 Hektar eigenen Wald, außerdem ist der Jungbauer als Forstdienstleister in der Region unterwegs.
Stolz zeigen die Beyers ihre naturverjüngten Eichen. "Mit den Eichen war es schwer, aber wir haben sie durchgebracht. Heute haben wir wunderschöne Bestände", sagt der Senior. In Rieder Wäldern entwickeln sich sogar Tannen völlig selbsttätig, ohne dass Pflanzen gesetzt und Zäune aufgestellt werden müssten. In vielen Revieren in Oberösterreich gelingt diese Naturverjüngung nicht ausreichend, weil die Rehbestände zu hoch sind. Es muss viel Geld in Forstpflanzen und Baumschutz investiert werden.
Öko-Preise für die Jäger
Kein Wunder, dass die Rieder Jagd mittlerweile preisgekrönt ist. Schon 2000 gab es den 1. Preis der Landwirtschaftskammer für Wald-Wild-Ökologie, 2005 den Staatspreis und 2015 den Landespreis für Waldwirtschaft. Karl Beyer wurde für Vorträge gebucht. Das Anwesen in Ried wurde Ziel vieler Exkursionen – von Jägern, Forstfacharbeitern und Fachschülern. "Wir hatten schon 60 bis 70 Busgruppen hier", erzählt Matthias Beyer.
Es gibt erfolgreiche Nachahmer. Für eine Studie des Landwirtschaftsministeriums wurde vor zwei Jahren nicht nur das Revier in Ried ausgewählt, sondern auch die Öko-Bauernjagd Mörschwang (Bez. Ried i. I.) und eine Jagdgemeinschaft in Vorderweißenbach. "Wir haben in Mörschwang mit einem Verbissanteil von 30 Prozent übernommen, heuer sind es nur noch drei Prozent", sagt Jagdleiter Johann Hauer. Er ist auch Landesobmann des Vereins Öko-Bauernjagd.