Toter Rekrut: Jetzt sprechen die Kameraden
HORN. Drei junge Soldaten aus der Kompanie des verstorbenen Rekruten Toni P. haben sich am Mittwoch in einem offenen Brief gegen Gerüchte und Unwahrheiten gewehrt.
Wie ausführlich berichtet, war der erst 19-jährige Rekrut während eines Marsches am vergangenen Donnerstag, dem heißesten Tag des Jahres, zusammengebrochen und wenig später im Krankenhaus gestorben. Die Staatsanwaltschaft Krems hat ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet, mehr dazu lesen Sie weiter unten.
Knapp eine Woche nach dem Tod des jungen Mannes haben sich drei Soldaten aus seiner Kompanie in einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Unter dem Titel "Wir haben nur die Wahrheit verdient" wehren sich die Kameraden gegen "Gerüchte und pietätlose Falschmeldungen".
Diese "Lügenmärchen" seien "ungeheuerlich und respektlos gegenüber allen, die um Toni trauern und sich für eine sachliche Aufklärung einsetzen. Gegenüber Tonis Familie, seinen Kameraden, unseren Vorgesetzten und allen Betroffenen, die in dieser schweren Zeit mit Lügen, Unterstellungen und Drohungen bis hin zur Erpressung konfrontiert sind", heißt es in dem Schriftstück.
Journalistin gab sich als Angehörige aus
Zur Erleichterung der Soldaten bei dem heißen Wetter sei eine Reihe von Maßnahmen getroffen worden. So habe man das Gepäck auf zwölf Kilo erleichtert, man habe im Unterhemd und ohne Helm marschieren dürfen. Klagen über gesundheitliche Probleme seien auf jeden Fall ernst genommen worden, beteuern die Rekruten. "Wir haben derzeit keinen Anhaltspunkt, ein Fehlverhalten unseres Kaders anzunehmen", heißt es.
Kopfschütteln löst auch der in dem Brief beschriebene Fall einer Medienvertreterin aus: Die Frau soll sich als Mutter des verstorbenen Soldaten ausgegeben haben und wollte sich so Zutritt zur Kaserne verschaffen, schreiben die Rekruten und weiter: "Wir sitzen nun am Schreibtisch und begreifen es einfach nicht".
Der Brief als PDF zum Download:
Video: Bundespräsident Van der Bellen fordert lückenlose Aufklärung im Fall des durch Überhitzung zu Tode gekommenen Rekruten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen fahrlässiger Tötung.
"Auch uns trifft der tragische Tod eines Kameraden. Die Aufklärung und Aufarbeitung ist daher oberstes Gebot. Wir ersuchen euch auch weiterhin, keine Vermutungen, falschen Anschuldigungen oder Vorverurteilungen zu tätigen", schlagen die Verantwortlichen des Bundesheeres in die selbe Kerbe. Sie haben die Eltern der Rekruten zu einem Informationsabend eingeladen, bei dem der verantwortliche Ausbilder, der Soldatenvertreter und ein Psychologe Fragen beantworten werden.
Ähnlicher Fall in den 70er-Jahren
Ein Fall aus dem Jahr 1974 weist erschreckende Parallelen zu dem tragischen Tot des Rekruten Toni P. auf: Der 18-jährige Kurt Wandl aus Krems hatte, obwohl er zusammengebrochen war, im August 1974 bei großer Hitze weiter an der harten Übung bei Mautern teilnehmen müssen. Er war bis zur Erschöpfung geschliffen worden und im Krankenhaus gestorben.
Verteidigungsminister war damals Karl Lütgendorf, Armeekommandant Emil Spannocchi. Als dann noch ein zweiter Todesfall eines 19-jährigen Rekruten bei einer Übung öffentlich bekannt wurde, machte sich in der Bevölkerung gewaltige Empörung breit, die in hysterischen Drohungen gegen Kasernen und die verantwortlichen Ausbilder gipfelte. Daraufhin musste sogar eine Sonderbewachung für die Kaserne Mautern angeordnet werden.
Der Fall offenbarte damals große Mängel im Beschwerderecht und in der Ausbildung. Das Begräbnis des Opfers der unmenschlichen Schleifermethoden heizte die Emotionen noch mehr an.
Als erste Maßnahme wurden zwei Offiziere und ein Unteroffizier versetzt, der verantwortliche Ausbilder, ein Stabswachtmeister, wurde suspendiert.
Turbulent und emotionell ging es auch beim Strafprozess gegen die vier angeklagten Heeresangehörigen zu. Einer wurde freigesprochen, drei wurden zu bedingten Haftstrafen zwischen sechs Wochen und einem halben Jahr verurteilt - aber nicht, weil sie am Tod des Rekruten Schuld gewesen seien, sondern nur wegen Verstoßes gegen die Dienstordnung. Der Hitzschlag-Tod sei nicht vorhersehbar gewesen, begründete das Gericht. Die Urteile wurden vom Obersten Gerichtshof bestätigt.
Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung
Nach dem Tod des Rekruten der Garde in Horn am Donnerstag ermittelt die Staatsanwaltschaft Krems wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Derzeit noch gegen unbekannt, sagte die Leiterin der Anklagebehörde, Susanne Waidecker, am Mittwoch.
Auf fahrlässige Tötung (§ 80 StGB) steht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen. Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 StGB) wird mit bis zu drei Jahren bestraft.
Der Rekrut war laut dem vorläufigen Obduktionsergebnis an Überhitzung des Körpers gestorben. Vorbehaltlich weiterer Untersuchungen gebe es keinen Hinweis auf eine relevante bakterielle Erkrankung des Grundwehrdieners, hatte Franz Hütter, Sprecher der Staatsanwaltschaft Krems, am Dienstagnachmittag mitgeteilt. Die Überhitzung des Körpers habe zu Herzstillstand geführt. Etwaige Vorerkrankungen des Rekruten werden laut Hütter noch untersucht.
Video: Überhitzung kann auch bei Ausdauer-Sportarten zum Problem werden. Intensivmediziner Martin Röggla erklärt, was bei Überhitzung im Körper konkret vorgeht und welche Hilfemaßnahmen zu setzen sind.
Ermittelt wird in dem Fall nicht nur seitens der Staatsanwaltschaft. Das Bundesheer hat nach Angaben vom Dienstagabend eine Untersuchungskommission eingesetzt, die von Hans Rathgeb, Präsident des Landesgerichts Salzburg und Brigadier der Miliz, geleitet wird. Dies deshalb, "um größtmögliche Transparenz und Offenheit sicherzustellen", sagte Generalleutnant Franz Reißner, Kommandant der Landstreitkräfte.
Eine Sonderkommission soll zudem sämtliche relevanten Ausbildungsvorschriften im Bundesheer überprüfen. Ihr steht Generalleutnant Günter Höfler vor, Leiter der österreichischen Militärvertretung Brüssel.
Das Bundesheer werde alles unternehmen, die Ursachen für den Tod des jungen Soldaten "lückenlos und transparent aufzuklären. Das ist für mich oberstes Gebot", betonte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstagabend in einer Aussendung. Rathgeb habe "sämtliches Pouvoir, für vollständige Aufklärung zu sorgen". Vorverurteilungen seien nicht angebracht.
Video: Nach dem Tod eines Rekruten der Kaserne Horn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Nun erhebt auch der Vater eines anderen Rekruten schwere Vorwürfe gegen die dortigen Ausbildner.
Stellungnahme des Ministeriums
Das Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch mit, dass das Bundesheer im Vorjahr 144 Beschwerden abgewickelt hat.
16 Prozent davon kamen von Rekruten wie jenem Mann, der bei dem Marsch in Niederösterreich verstorben ist. 18 Prozent der Betroffenen waren Chargen, 22 Prozent Unteroffiziere, 16 Prozent Offiziere und 28 Prozent andere Mitarbeiter. "Das Bundesheer hat ein umfangreiches und genau geregeltes Disziplinar- und Beschwerdewesen, um Missstände von vornherein zu verhindern, bzw. tatsächlich Bestehende anzuzeigen und abzustellen", teilte das Ministerium aufgrund des aktuellen Todesfalles mit.
Der Großteil der Beschwerden, 42 Prozent, bezog sich auf die Ausbildung, neun Prozent auf die Versorgung und drei Prozent auf die Infrastruktur.
So reagierte Bundespräsident Alexander van der Bellen auf Facebook: