Nach Terroranschlag in Wien: Was über den Täter bekannt ist
WIEN. Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt Montagabend sind noch viele Fragen offen, in einigen Aspekten klärt sich mittlerweile das Bild. Was wir bisher über den Täter wissen:
Der erschossene Attentäter von Wien war 20 Jahre alt, Doppelstaatsbürger mit nordmazedonischen Wurzeln und nach einer Verurteilung wegen terroristischer Vereinigung im Dezember aus dem Gefängnis entlassen worden. Das gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag in einer Pressekonferenz bekannt.
Bei dem Täter habe sich bei ihm zweifelsfrei um einen Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" gehandelt. Kujtim F. wurde am 25. April 2019 zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Am 5. Dezember 2019 wurde er vorzeitig bedingt entlassen - er galt als junger Erwachsener und fiel damit unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Von Polizeikräften erschossen wurde der 20-Jährige Montagabend in der Nähe der Ruprechtskirche, teilte der Innenminister mit.
Mutter meldete Sohn als vermisst
"Er stammte aus einer vollkommen normalen Familie. Für mich war das ein Jugendlicher, der das Pech gehabt hat, an die falschen Freunde zu geraten. Wäre er nicht in eine Moschee, sondern zum Boxen gegangen, wäre er Boxer geworden" - mit diesen Worten charakterisierte der Wiener Strafverteidiger Nikolaus Rast Kujtim F., der am Montagabend in Wien mindestens vier Menschen erschossen hat.
Rast hatte den Burschen in einer Verhandlung am Wiener Landesgericht vertreten, wo dieser im April 2019 in einem Terror-Prozess als IS-Sympathisant zu 22 Monaten Haft verurteilt wurde, weil er nach Syrien reisen wollte, um sich der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" anzuschließen. In der Türkei wurde er jedoch von den Behörden aufgegriffen, am Grenzübertritt nach Syrien gehindert, in Haft genommen und zurück nach Österreich geschickt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) war ursprünglich auf den in Österreich geborenen Burschen aufmerksam geworden, weil seine Mutter ihn als vermisst gemeldet hatte. Im Zuge der Ermittlungen zu seinem Verbleib stellte sich dann heraus, dass diesem nichts zugestoßen war. Er befand sich vielmehr am Weg nach Syrien.
Slowakische Behörden warnten Österreich
Der Attentäter von Wien hat im Sommer versucht, in der Slowakei Munition zu kaufen. Nach Informationen von Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR scheiterte der Kauf an einem fehlenden Waffenschein. Die slowakische Polizei bestätigte den Kaufversuch am Mittwoch. Demnach wurden auch die österreichischen Behörden über den Fall informiert.
Die slowakische Polizei erhielt im Sommer die Information, dass verdächtige Personen aus Österreich versuchten, Munition zu kaufen. Es sei ihnen aber nicht gelungen, etwas zu erwerben, schrieb die Behörde auf Facebook. Sofort sei die österreichische Polizei informiert worden. Weitere Kommentare seitens der slowakischen Behörden werde es nicht geben, um die Ermittlungen in Österreich nicht zu gefährden.
Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte bereits am Dienstagabend gegenüber der SZ, dass die heimischen Behörden informiert worden waren. Gegenüber der APA gab es am Mittwoch zunächst keine Information dazu.
Nehammer übt Kritik an Justiz
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Dienstagnachmittag deutliche Kritik an dem Umstand geübt, dass der von der Polizei erschossene Attentäter vorzeitig aus einer 22-monatigen Haftstrafe bedingt entlassen worden war. Der 20-Jährige habe es geschafft, "das Deradikalisierungsprogramm der Justiz zu täuschen", sagte Nehammer. Es bedürfe daher einer "Evaluierung und Optimierung des Systems".
Kujtim F. war im April 2019 in Wien wegen terroristischer Vereinigung (§ 278 b StGB) verurteilt worden, nachdem er beim Versuch aus dem Verkehr gezogen worden war, nach Syrien zu reisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Bereits Anfang Dezember wurde er gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt und bekam einen Bewährungshelfer sowie eine Betreuung des auf Deradikalisierung radikalislamistischer Straftäter spezialisierten Vereins Derad beigestellt. Geschickt dürfte er beiden die Abkehr von der IS-Ideologie vorgetäuscht haben. Gegenüber dem Bewährungshelfer habe er sich "besonders bemüht" gegeben, stellte Nehammer fest. Bei den Terminen mit Derad sei er bestrebt gewesen, nach außen hin dem Bild eines in die Gesellschaft integrierten jungen Mannes zu entsprechen. In Wahrheit habe der 20-Jährige "ganz bewusst das System zerstören" wollen, bemerkte Nehammer.
Dem Vernehmen nach soll der 20-Jährige vor wenigen Tagen - Ende Oktober - einen Termin bei Derad absolviert haben. Dabei habe er explizit die jüngsten Terroranschläge in Frankreich verurteilt, hieß es. In Wahrheit gebe es aber "eine Fülle von Hinweisen auf seine Radikalisierung", betonte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bei der Pressekonferenz im Innenministerium.
Täter wurde nie als "deradikalisiert" dargestellt
Der Verein Derad, der den Wiener Attentäter betreut hat, hat am Mittwoch die Kritik von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als "unrichtig" zurückgewiesen. Es sei unrichtig, dass der Täter vorzeitig entlassen worden sei, weil Justiz und Prävention versagt hätten. Er sei nie als "deradikalisiert" dargestellt worden. Der Verein plädierte für bessere Zusammenarbeit statt Schuldzuweisungen. Denn Gerichte und Derad hätten nicht die Möglichkeiten, die der Verfassungsschutz hat. Weder Bewährungshilfe noch Derad noch ein Gericht könnten Personen überwachen oder Telefone abhören - wie es der Bundesverfassungsschutz könnte. Das BVT stehe mit der Justiz über Kontaktbeamte in Verbindung. Früher - bis 2018 - habe es einen Austausch zwischen Derad und der BVT-Präventionsabteilung gegeben. Bei Gefahr in Verzug habe man LVT und BVT stets kontaktiert und somit Straftaten in der Vergangenheit verhindern können, merkt der Verein an.
Und stellt zu dem Täter fest: Er wäre auch bei voller Haft seit Juli in Freiheit, und damit wäre auch so die "schreckliche Bluttat" jetzt möglich gewesen. Er sei nicht vorzeitig entlassen worden, weil er als deradikalisiert galt - sondern: "Im Gegenteil wurde die mögliche Halbstrafe (also Entlassung nach halber Haftdauer, Anm.) des Ersttäters von dem Gericht aus generalpräventiven Maßnahmen abgelehnt".
Video: Rückblick auf den Dienstagvormittag - der Tag nach dem Terroranschlag in Wien
Eltern des Täters aus Nordmazedonien
Die Eltern des 20-jährigen Attentäters aus Wien stammen nordmazedonischen Medienberichten zufolge aus der Ortschaft Celopek (albanisch: Cellopeku), etwa zehn Kilometer südöstlich der nordmazedonischen Stadt Tetovo. Dies meldete das Internatportal "A1on" am Dienstag unter Berufung auf inoffizielle Angaben der nordmazedonischen Polizei.
Weitere Informationen zur Familien des Attentäters gab es am Dienstag in nordmazedonischen Medien zunächst keine. Die Medien des Landes beriefen sich in ihrer Berichterstattung vor allem auf österreichische Medienberichte.
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