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ÖBB-Triebwagen gekapert, um Lokführer zu spielen: "Wir sind Eisenbahn-Fans"

Von nachrichten.at/apa, 07. August 2024, 14:23 Uhr
Passagiere Zug Bahnsteig
140 Passagiere mussten aussteigen, weil ein Sicherheitsrisiko nicht ausgeschlossen werden konnte. (Symbolbild) Bild: (APA/DPA/BODO MARKS)

WIEN. Ein außergewöhnlicher Prozess ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht über die Bühne gegangen.

Jene beiden Burschen, die im Mai 2023 in einem ÖBB-Railjet zwischen St. Pölten und Wien über die Lautsprecher-Anlage eine Hitler-Rede abgespielt hatten, mussten sich nun vor Gericht verantworten, weil sie danach weiter die ÖBB genarrt hatten. Zum einen erschwindelten sie sich Hotelübernachtungen, zum anderen kaperten sie einen Triebwagen der ÖBB, um Lokführer zu spielen.

Der Vorfall im ÖBB-Railjet hatte für beträchtliches mediales Aufsehen gesorgt. Die zwei Burschen hatten damals die Sprechstelle, die es in jeder ÖBB-Garnitur gibt, mit einem Spezialschlüssel geöffnet, über den üblicherweise nur das Personal der ÖBB verfügt. Statt der gewohnten Bord-Informationen ertönte plötzlich aus den Lautsprechern eine Hitler-Rede, die die Burschen abspielten und mit "Heil Hitler"- und "Sieg Heil"-Rufen begleiteten.

Kein Verfahren wegen Hitler-Durchsage

Da sie sich im anschließend eingeleiteten Ermittlungsverfahren – sie wurden über Bilder aus Überwachungskameras ausgeforscht – wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung geständig zeigten und bis dahin unbescholten waren, kamen sie mit einer Diversion davon. Sie erklärten sich damit einverstanden, beim Verein Neustart das Programm "Dialog statt Hass" zu absolvieren, im Gegenzug stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren diversionell ein. Den beiden blieb vorerst ein Prozess erspart.

Von den ÖBB wurden sie jedoch mit einen Betriebsbenützungs- und einem Hausverbot belegt, was die zwei hart traf, wie sie nun vor Einzelrichterin Katharina Adegbite-Lewy freimütig zugaben. "Wir sind Eisenbahn-Fans", outete sich der jüngere der beiden, ein erst 18-Jähriger, der es ausdrücklich bedauerte, "dass ich bei den ÖBB keine Lehre begonnen habe". Über Instagram habe er den mitangeklagten, einen 21 Jahre alten ausgelernten Mechatroniker, kennengelernt, der ebenfalls für Eisenbahnen, Lokomotiven und Zugverbindungen schwärme. Was der Ältere umgehend bestätigte.

In ÖBB-Hemden Lokführer gespielt

Am 1. März 2024 sprangen die beiden am Bahnhof Leobersdorf (Bezirk Baden) auf einen Triebwagen, der am Ende einer abfahrbereiten S-Bahn-Garnitur nach Wien angekoppelt war. Es handelte sich dabei nämlich um eine Lok der Reihe 1144, wie die Angeklagten der Richterin erläuterte. Die sei ganz etwas Besonderes. "Wir wollten halt mitfahren nach Wien mit dieser alten Lok. Die Westbahn hat nur moderne Züge. Die sind nicht so interessant. Ich wollte ein Mal wieder eine alte Lok erleben", meinte der 21-Jährige.

Die beiden drückten die angeblich nicht abgeschlossene Tür der Lok auf, verschafften sich so Zutritt zum Führerstand, verklinkten eine Zusatzbremse und drückten am Druckluftgerüst ein paar Knöpfe. Das bemerkte allerdings der Zugführer. Als dieser den Steuerwagen im vordersten Teil des Zuges in Betrieb setzen wollte, gingen mehrere Warnleuchten an. "Ich bin drauf gekommen, dass etwas nicht stimmt", schilderte der 34-Jährige als Zeuge. Er sei den gesamten Zug abgegangen und habe dann im hinteren Triebwagen die beiden Angeklagten entdeckt: "Sie haben sich als Lokführer ausgegeben. Sie hatten auch ÖBB-Hemden an. Als ich ihre ÖBB-Ausweise verlangt haben, haben sie mir vorgeworfen, dass ich mich nicht auskenn'. Die Herrschaften haben mich auf die Palme gebracht."

140 Passagiere mussten aussteigen

Schließlich wurde die Polizei gerufen. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die von den Angeklagten vorgenommenen Manipulationen ein Sicherheitsrisiko darstellten, mussten 140 Passagiere aussteigen. Der Zug wurde als Leerfahrt zum Bahnhof Floridsdorf gebracht und dort einem Sicherheitscheck unterzogen. Dabei stellte sich dann heraus, dass die Angeklagten keinen Schaden angerichtet hatten, so dass sie vom Vorwurf der schweren Sachbeschädigung freigesprochen wurden. "Ihr Ziel war es, mit der Lok zu fahren, nicht sie zu zerstören. Im Zweifel kann ich keinen Schädigungsvorsatz erkennen", stellte die Richterin fest.

Hotelübernachtungen erschwindelt

Verurteilt wurden die beiden jedoch wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Der 18-Jährige hatte sich zwischen 6. Dezember 2023 und 9. Jänner von den ÖBB sieben Hotelübernachtungen erschwindelt, indem er jeweils unter einem falschen Namen vorgab, er habe witterungsbedingt Anschlusszüge Richtung Deutschland verpasst und sitze nun ohne Obdach in Schnee fest. In einem Fall war der 21-Jährige mit von der Partie, der dafür rechtskräftig fünf Monate bedingt ausfasste.

Der 18-Jährige, der zum Tatzeitpunkt noch Jugendlicher war, kam ohne Strafe davon, um – wie die Richterin erläuterte – ihm die berufliche Zukunft nicht zu verbauen. Falls er sich innerhalb der festgesetzten zweijährigen Probezeit nichts zuschulden kommen lässt, bleibt es beim Schuldspruch ohne Strafe. Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin bat um Bedenkzeit. Beide Burschen bekommen einen Bewährungshelfer zugeteilt.

"Ich werde vom Zugfahren Abstand nehmen"

"Ich werd' so einen Blödsinn nicht mehr machen", versprach der 18-Jährige der Richterin. Der 21-Jährige verwies wiederum darauf, inzwischen einen Führerschein zu besitzen: "Ich bin jetzt mit dem Auto unterwegs. Ich werde vom Zugfahren Abstand nehmen."

Bei den verfahrensgegenständlichen Vorfällen handelte es sich offenbar nur um einen Bruchteil dessen, womit die beiden die ÖBB zuletzt beschäftigt bzw. genervt hatten. Wie eine Vertreterin des Unternehmens als Zeugin darlegte, wurden sie auch angezeigt, nachdem sie Fahrschein-Kontrollen durchgeführt hatten: "Sie geben sich als ÖBB-Mitarbeiter aus, haben ÖBB-Hemden an und den riesigen ÖBB-Schlüsselbund mit." Besorgt hätten sich die Burschen die Utensilien auf Verkaufsplattformen im Internet, vermutete die Zeugin. "Auch 67 Telefonstreiche gehen auf ihr Konto. Sie verspotten Zugbegleiter. Sie geben einfach keine Ruhe", setzte die ÖBB-Vertreterin fort. Die Durchsage mit der Hitler-Rede sei "der Gipfel" gewesen: "Aber sie haben auch schon die Chris Lohner verunstaltet abgespielt." Den ÖBB gehe es "hauptsächlich darum dass das endlich aufhört".

Nach Schluss der Verhandlung marschierte der 18-Jährige am Gang vor dem Gerichtssaal direkt zu der ÖBB-Vertreterin, die in der Rechtsabteilung beschäftigt ist: "Schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen!" Er habe öfters probiert, mit ihr telefonisch Kontakt aufzunehmen, bemerkte der Bursch. "Schätzchen, wenn du zehn Mal hintereinander anrufst, heb ich irgendwann nicht mehr ab", erwiderte die Zeugin.

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1  Kommentar
1  Kommentar
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Gabriel_ (3.828 Kommentare)
vor einer Stunde

"...wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung geständig zeigten und bis dahin unbescholten waren, kamen sie mit einer Diversion davon..."

So etwas ist für mich unverständlich...
Millionen Menschen wurden damals ermordet und diese beiden Deppen machen sich einen Spaß damit?

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