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"Bin in Blutrausch verfallen": 18-Jähriger zu Doppelmord geständig

Von nachrichten.at/apa, 18. November 2024, 11:28 Uhr
Dem Burschen wird in erster Linie vorgeworfen, im Sommer 2023 zwei schlafende Wohnungslose mit einem Messer vorsätzlich getötet und eine unterstandslose Frau schwer verletzt zu haben. Bild: HANS KLAUS TECHT (APA/HANS KLAUS TECHT)

WIEN. Am Montag hat am Wiener Landesgericht gegen einen 18-Jährigen ein Prozess wegen Doppelmordes, versuchten Mordes und absichtlicher schwerer Körperverletzung begonnen.

Dieser Artikel wurde um 13:34 Uhr aktualisiert.

Dem Burschen wird vorgeworfen, im Sommer 2023 zwei schlafende Wohnungslose mit einem Messer vorsätzlich getötet und eine unterstandslose Frau schwer verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat die Zeugeneinvernahme der Frau beantragt. "Ich bekenne mich schuldig", sagte der 18-Jährige in seiner Einvernahme.

"Ich hab es gemacht. Ich bereue es", sagte der junge Mann, der ausführlich zu den inkriminierten Morden Stellung nahm. "Wenn ich schon entscheide über Leben und Tod, muss ich das machen", erläuterte der 18-Jährige. Er sei "in eine Art Blutrausch verfallen", meinte der Angeklagte. Er habe sich "vor jeder Tat dreckig gefühlt und schmutzig. Ich musste komplett sauber sein, frisch geduscht, gesäubert." Er sei "ein dummer Mensch gewesen, der durch die Gegend geht und Menschen umbringt". Das habe ihn schon "eine längere Phase, zwei bis drei Monate beschäftigt". Der Gedanke habe ihn "nicht mehr losgelassen."

Nach erstem Mord "ein Gefühl von Erfüllung"

"Es waren nicht gezielt obdachlose Menschen", betonte der Angeklagte. Er habe den Opfern "nicht in die Augen schauen können. Ich konnte nicht das Leiden im Gesicht sehen. Es waren schlafende Menschen." Nach dem ersten vollendeten Mord habe ihn "ein Gefühl von Erfüllung" überkommen: "Das Opfer sollte sterben." Er habe sich "einerseits schlecht gefühlt. Andererseits war es ein Reiz, den ich noch nie gespürt habe. Irgendwie hat es mir das gegeben, was ich gesucht habe". "Der kleine Teufel hat die Oberhand gehabt", bemerkte der Angeklagte. "Der große Teufel", korrigierte der vorsitzende Richter Andreas Hautz.

Neben den Tötungsdelikten wird auch eine gegen die Mutter des Burschen gerichtete Gewalttat verhandelt. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt dem Burschen, zu sämtlichen Tatzeitpunkten zurechnungsfähig und damit schuldfähig gewesen zu sein. Der Sachverständige Peter Hofmann stellte jedoch fest, dass von dem 18-Jährigen infolge einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung eine immense Gefahr ausgeht. Hofmann bezeichnete den 18-Jährigen in seiner Expertise als "Serienmörder". Diese seien dadurch gekennzeichnet, "dass sie oftmals noch einen stärkeren Reiz erleben wollen" und bei ihren Taten "nach anderen Opfern, anderen Örtlichkeiten und anderen Tötungsmethoden suchen." Dem Gutachten zufolge sind ohne therapeutische Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig wieder Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten, weshalb die Staatsanwaltschaft gemäß § 21 Absatz 2 StGB zusätzlich die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt hat.

56-Jähriger hatte keine Überlebenschance

Der zu den Tatzeitpunkten 17-Jährige stach zunächst am 12. Juli 2023 mit einem Kampfmesser auf einen 56-jährigen Mann ein, der sich auf einer Parkbank am Handelskai in Wien-Brigittenau niedergelassen hatte. Das schlafende Opfer wachte nach den ersten Stichen in den Bauch auf, schrie und versuchte sich aufzurichten. "Er hat weiter zugestochen. Auch in den Kopf", erklärte die Staatsanwältin. Der Angeklagte habe den Tatort mit dem Sterbenden verlassen, "wissend, dass er nicht überleben wird", sich ein Getränk gekauft und in einem nahe gelegenen Park Youtube-Videos geschaut. Dann sei er heimgegangen. Der 56-Jährige erlitt acht Stichverletzungen und hatte keine Überlebenschance.

Am 22. Juli fügte der 18-Jährige laut Anklage mit derselben Waffe in der Venediger Au in Wien-Leopoldstadt einer 51 Jahre alten Frau schwere Stich- und Schnittverletzungen zu, die das Opfer überlebte. Er hatte diese eine halbe Stunde lang beobachtet, ehe sich andere Personen von dem auserkorenen Opfer entfernten. Die Frau wickelte sich in einen Schlafsack ein, der Jugendliche näherte sich ihr an "und stach einfach mittig mehrmals in die Decke", berichtete die Staatsanwältin. Als die Frau zu schreien begann, lief der Angeklagte davon.

Opfer berichtete von Schmerzen wie Schläge

"Ich habe gedacht, ich werde geschlagen mit einem Eisen. Ich habe zwei Schläge gespürt", schilderte die 51-Jährige als Zeugin dem Geschworenengericht. Sie habe zwei Stiche in die Leber und sieben in die Hand bekommen: "Ich habe das Blut gerochen." Sie habe sich aus dem Schlafsack ausgepackt, sei "zum Praterstern gegangen" und habe "um Hilfe gerufen". Ein Taxifahrer wurde auf die 51-Jährige aufmerksam und setzte die Rettungskette in Gang. Die Schwerverletzte wurde ins AKH gebracht und konnte dank notfallmedizinischer Hilfe gerettet werden.

In der Nacht auf den 9. August griff der Angeklagte am Hernalser Gürtel in Wien-Josefstadt einen 55 Jahre alten Mann mit dem Messer an, das er von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. "Es war wieder Zeit, ein Opfer zu suchen", führte die Staatsanwältin aus. Der Angeklagte habe "ein Ventil gesucht, um seine Aggressionen los zu werden." Das dritte Opfer schlief in einer Unterführung. Als der Mann attackiert wurde, wachte er auf, brüllte, bewegte sich und konnte sich schwer verletzt Richtung Gürtel schleppen, während der Angreifer davonlief. Obwohl der 55-Jährige rasch in ein Spital kam und notoperiert wurde, verstarb er am folgenden Tag. Die Klinge des Messers hatte ihm die Halsschlagader durchtrennt.

Der Angeklagte habe "seit Kindertagen Mordfantasien gehabt", schilderte Staatsanwältin Julia Kalmar eingangs der Verhandlung. Er habe beim Gedanken daran "Erregung und Gänsehaut verspürt."

Vor Taten Handy auf Flugmodus gesetzt und sich maskiert

Vor den inkriminierten Tötungsdelikten hatte der 17-Jährige sein Handy jeweils auf Flugmodus gesetzt, um nicht geortet werden zu können. Er maskierte sich mit einer schwarzen Kapuzen-Jacke, wobei er sich unmittelbar vor den Tathandlungen die Kapuze über den Kopf zog. Zusätzlich streifte er sich "aus Angst vor Überwachungskameras", wie die Staatsanwältin sagte, einen selbst gebastelten Mundschutz über. Die Tatwaffe befestigte er jeweils am Knöchel seiner rechten Hand, um nicht abzurutschen.

Er habe schon in der Schule an einen "Amoklauf in der Schule" gedacht, schilderte der 18-Jährige den Geschworenen. "Ich konnte mich abhalten. Damals war meine Störung noch nicht so stark. Damals konnte ich das noch als dummen Gedanken zur Seite schieben." Bereits mit zehn habe er mit einer Softgun auf seine Stiefmutter gezielt.

Auch Angriff auf Mutter von Anklage umfasst

Am 18. September 2023 ging er dann laut Anklage auf seine Mutter los und fügte ihr mehrere Rippenbrüche, eine Schädelprellung, Hämatome und Abschürfungen am ganzen Körper zu, indem er ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und anschließend auf Kopf und Körper der zu Boden gestürzten Frau eintrat. "Es war aufgestaute Wut, weil mir meine Jugend genommen wurde", war der Angeklagte auch dazu geständig.

Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger betonte, der 18-Jährige sei "kein empathieloses Monster", sondern ein "lieber, netter 18-Jähriger". Er sei von seiner schwierigen Kindheit geprägt, die Eltern hätten sich scheiden lassen, als er zwei Jahre alt war. Die neue Partnerin des Vaters - seine Stiefmutter - hätte den Angeklagten "psychisch missbraucht" und später dessen geliebte jüngere Halbschwester erschossen und im Anschluss Suizid begangen.

Nach Tod der Schwester "mit ihr gestorben"

"Ich bin zum Teil mit ihr gestorben", sagte der 18-Jährige dazu. Die Stiefmutter habe ihm "einen Teil meines Lebens genommen", denn er habe die Halbschwester geliebt. Nach ihrem Tod habe er verstärkt Drogen - Kokain, Ketamin und andere Substanzen - konsumiert.

Seine leibliche Mutter sei manisch-depressiv gewesen und habe ihm "die Liebe, die man bei ihr gesucht hat, nicht gegeben." Er habe "nur Hass bekommen." Sein Vater sei "ein guter Vater für mich" gewesen, "aber was mir gefehlt hat, war ein Vater, der sich durchsetzen kann. Er will es jedem Recht machen. Das ist der falsche Weg. Er ist ein schwacher Mensch". Ihm hätte "ein Mann mit Durchschlagskraft" als Vater-Figur gefehlt.

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