Anbruch einer neuen Ära in der Weltraumforschung

Die Ingenieure der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und der europäischen und kanadischen Pendants, ESA und CSA, zeigten sich gestern überglücklich. Denn die ersten Bilder des James Webb-Weltraumteleskops bewiesen der Öffentlichkeit, dass bei dem hochkomplizierten 10-Milliarden-Dollar-Unterfangen alles bis ins kleinste Detail geklappt hatte.

In einer Deep-Field-Aufnahme schaute das Infrarot-Teleskop mit ungeahnter Präzision 13,1 Milliarden Jahre in die Vergangenheit. "Dieses Bild bedeckt einen Himmelsausschnitt von der Größe eines Sandkorns, das auf Armeslänge gehalten wird", übersetzte NASA-Administrator Bill Nelson.

Weiters wurde gestern eine Analyse des Exo-Planeten WASP 96 b präsentiert, ein Gasplanet in der Größe Jupiters. In dessen Atmosphäre wurde Sauerstoff festgestellt. Hochauflösende Bilder eines sterbenden Sterns, einer Galaxien-Kollision und des Carina-Nebels zeigten eindrucksvoll das Potenzial des Instruments.

Die OÖN baten die Wiener Astronomin Ruth Grützbaum um eine erste Einschätzung.

OÖNachrichten: Was macht die Faszination der Deep-Field-Aufnahmen aus?

Das sind erst einmal nur Testbilder, und die sind sofort zum Besten geworden, das wir haben. Das ist also nur ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommt.

Quasi nur ein Schnappschuss gegenüber dem, was dem Hubble-Teleskop nur ansatzweise und mit einer Belichtungszeit von zwei Wochen gelang ...

Absolut. Dessen Extreme-Deep-Field-Aufnahme ist zehn Jahre her, da hat das Ding zwei Wochen lang auf dasselbe Stückerl Himmel draufgehalten, und das viel genauere Bild vom Webb-Teleskop ist in nur zwölf Stunden entstanden.

Das erste Bild des Webb-Teleskops lässt uns 13,1 Milliarden Jahre zurückschauen. Der Urknall ist 14 Milliarden (Licht-)Jahre her. Wie weit lässt sich denn überhaupt zurückschauen?

Es ist ja nicht so, dass das das gleiche Bild ist, nur höher aufgelöst. Wir sehen andere Farben, Infrarotfarben, die wir mit dem optischen Hubble-Teleskop nicht sehen konnten. Das ermöglicht es uns, überhaupt ins frühe Universum hinauszusehen. Die Verschiebung des Lichts ins Infrarote können wir mit unseren Augen nicht sehen. Das Hubble hatte zwar eine Infrarotkamera, die ging aber nicht so weit ins Infrarote, es konnte das tief rotverschobene Licht auch nicht sehen.

Je röter, desto älter sind diese Galaxien, oder?

Ja, älter, oder eben jünger, je nach Betrachtungsweise. Dieses Zurückschauen ins Universum, das ist ja eine Art Bohrkernprobe des Universums. Wir sehen immer weiter zurück und erblicken deshalb die jüngsten Galaxien, so als ob wir heute Babyfotos von uns selbst betrachten.

Soeben wurde die Aufnahme von Stephan’s Quintet präsentiert. Darauf kollidieren Galaxien. Die sind Ihr Spezialgebiet. Wie finden Sie das Bild?

Wow, super! Wir werden mit dem Webb-Teleskop nicht nur die Geburt von Galaxien und wahrscheinlich die erste Sternengeneration sehen, sondern können auch nahe Galaxien wie Stephan’s Quintet beobachten. Da sehen wir Staub, der zu leuchten beginnt, wir sehen, was da vorgeht, wenn die Galaxien verschmelzen, in unglaublich vielen Details. Das ist schon cool!