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Architekturkritik: Das hohe Schwarze

Von Georg Wilbertz, 31. August 2024, 13:00 Uhr
Haus P in Hagenberg
Neuer – überraschender – Akzent in ländlichem Kontext. Zu sehen in Hagenberg im Mühlkreis. Bild: Kurt Hörbst

In Hagenberg entstand 2023 ein Einfamilienhaus, das gewohnte Bauformen auf dem Land neu denkt und um überraschende Nuancen erweitert.

Dass Architekten ihre modernistischen Wohnhäuser gerne für die Kundschaft entwerfen, jedoch selbst am liebsten in schick renovierten, urbanen Altbauwohnungen leben, ist ein lang gehegtes Klischee. Sicher, an Klischees ist manches wahr. Doch bis heute kennt die Baugeschichte der Moderne viele faszinierende Häuser, die Architekten für sich selbst entworfen haben.

Ein aktuelles Beispiel plante Andreas Pühringer vom in Neumarkt/Mühlkreis ansässigen Büro SLP-Architekten für seine Familie und sich in der Ortschaft Anitzberg in Hagenberg. Nicht nur rein höhenmäßig (vier Geschoße, erschlossen durch Treppe und Fahrstuhl), sondern auch architektonisch setzt das 2023 fertiggestellte Einfamilienhaus ein Zeichen. Dies liegt an einer selten zu beobachtenden gestalterischen Konsequenz und Homogenität im Äußeren und Inneren, wie sie Architekten wohl nur bei ihren eigenen Häusern realisieren können. Hier spricht ihnen (außer der Baubehörde) niemand rein.

Das hohe Schwarze
Das hohe Schwarze Bild: Kurt Hörbst

Großes und kleines

Natürlich spielt der Name des Hauses an das in den 1920er-Jahren von Coco Chanel entworfene "kleine Schwarze" an. Und tatsächlich gibt es neben dem monochromen Schwarz der Außenhülle weitere Parallelen zwischen legendärem Etuikleid und Wohnhaus. Die Silhouette ist schlank, die Linienführung klar und "aufgeräumt", und beide prägt eine puristische Eleganz, die neben der einfachen Grundform von den perfekt ausgeführten Details lebt.

Dass das hohe Schwarze auf den ersten Blick in seinem dörflichen Kontext als baulicher Fremdkörper wahrgenommen werden könnte, liegt an seiner ungewöhnlichen Höhe. Vier Geschoße erheben sich ohne horizontale Zäsuren auf einer klein bemessenen Grundfläche. Die Folge ist ein klar konturierter, ausgewogen proportionierter Baukörper, in den 19 gleich große Fenster eingeschnitten sind. Sie lassen die innere Gliederung im Äußeren erahnen. Ein schlichtes, geradezu "klassisch" geneigtes Aluminium-Satteldach schließt den Bau nach oben ab. In Summe abstrahiert der Entwurf das Schema Haus.

Helle Räume in dunkler Hülle

Weiter befremdlich mag die monochrom schwarze Außenerscheinung sein. Sie konterkariert die am Ort üblichen Formen des "Bauens auf dem Land". Andreas Pühringer möchte sich hierdurch selbstbewusst von der Tradition absetzen und einen baulich auffälligen Markstein setzen. Aber darüber hinaus unterstreicht die Farbgebung den bereits erwähnten Hang zu Klarheit und Abstraktion.

Ein weiterer Grund liegt in der radikalen Kontrastierung zwischen Außen- und Innengestaltung. Während sich das Haus nach außen von seiner dunklen Seite zeigt, sind die Innenräume vollständig mit hellem Holz verkleidet. Es herrscht eine fast überbordende Lichtfülle, die durch die Oberflächen und die Wärme des Materials ihre atmosphärisch notwendige Brechung erhält. Der klaren Disposition des Äußeren entspricht eine unaufgeregte, funktional überzeugende Raumaufteilung über alle vier Geschoße hinweg. Der demonstrativ schlichte Grundriss, der auf überflüssige Spielereien verzichtet, unterstreicht dies.

Haus P in Hagenberg
Innen dominieren Helle und Purismus. Bild: Kurt Hörbst

In zweiter Reihe

Bei der Gewöhnung an das hohe Schwarze mag helfen, dass es innerhalb der Dorfstruktur nicht direkt an der Straße, sondern in der zweiten Reihe steht. Dass diese Lage kein Nachteil sein muss, belegt das hohe Schwarze eindrucksvoll. Im Zusammenspiel mit den umliegenden Häusern ergibt die Höhenstaffelung der Gebäude am Übergang vom Ort zur Landschaft eine reizvoll dynamische Gesamtwirkung.

Der ästhetische Anspruch dieser Architektur erfordert eine handwerkliche Fertigungsgüte (Vater Franz Pühringer hat als gelernter Tischlermeister intensiv mitgewirkt), die mit dem Entwurf Schritt hält. Insofern ist Pühringers Architektenhaus ein Paradebeispiel für den essenziellen Zusammenhang sorgfältig ausgeführter Details und stimmiger Gesamtwirkung. Auch deshalb behauptet das Haus mit gelassenem Selbstbewusstsein seinen Platz im und am Ort. Und spätestens beim zweiten Hinsehen wirkt es überraschend und vertraut zugleich. In diesem kalkulierten Spannungsverhältnis entfaltet sich der architektonische Reiz des hohen Schwarzen.

Datenblatt

Architektur: Schneider Lengauer Pühringer ZT GmbH (projektverantwortlich: Andreas Pühringer)
Bauherrschaft: Sandra und Andreas Pühringer
Planung: 10/2019 – 12/2020
Ausführung: 10/2020 – 04/2023
Bebaute Fläche: 85 m² / Nutzfläche: 180 m²
Baumaterial: Holzbau (einschließlich Türen, Fenster), Innenflächen: naturbelassenes Sperrholz, außen Tannenbretter
Nachhaltigkeit: Wärmepumpe

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Georg Wilbertz
Georg Wilbertz
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1  Kommentar
1  Kommentar
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analysis (3.859 Kommentare)
vor einer Stunde

Investitions- u. Betriebskosten für den Lift und die Abhängigkeit bei Gebrechlichkeit der Bewohner, werden wie zumeist üblich von diesen "Künstlern" ignoriert!

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