Das große Feilschen um die Spitze der EU-Kommission hat begonnen
Frankreichs Präsident will das Machtmonopol der EVP brechen und Weber verhindern.
Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bei EU-Gipfeln stets einen vielbeachteten Auftritt – als Europas jüngster Regierungschef, der gern pointiert formulierte. Dienstagabend fehlte er bei dem Abendessen der Mächtigen, bei dem erstmals über die Besetzung der europäischen Spitzenjobs gesprochen wurde – zuallererst über die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Kommissionsspitze. Statt des gestürzten Bundeskanzlers kam Hartwig Löger, den der Bundespräsident kurzzeitig mit der Fortführung der Geschäfte betraut hatte. Doch mangels politischer Legitimation konnte Löger kein Gewicht auf die Waage bringen. Was Manfred Weber, den Kandidaten der europäischen Volkspartei (EVP) für das Amt des Kommissionschefs, schmerzhaft vermisst haben dürfte. Immerhin war Kurz einer seiner großen Fürsprecher.
Merkel will Weber
Nun bleibt noch Angela Merkel als Schwergewicht unter den acht konservativen Regierungschefs. 15 andere Regierungschefs sind dem liberalen oder sozialdemokratischen Lager zugeordnet – und sicher keine Freunde Webers.
Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will umsetzen, was er im Europawahlkampf als Parole ausgegeben hat: Das Machtmonopol der EVP brechen – und Manfred Weber verhindern.
"Erfahrung und Glaubwürdigkeit" seien nötig, meinte Macron, und er nannte drei Namen: Zwei Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, nämlich die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und den niederländischen Vize-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans sowie den französischen Brexit-Verhandler Michel Barnier. Weber erwähnte er nicht. Die Präsidenten des Europäischen Parlaments wollen nur jemanden als Kommissionschef akzeptieren, der als Spitzenkandidat angetreten ist. Sie führten die hohe Wahlbeteiligung an. Die Staats- und Regierungschefs wiederum haben grundsätzlich wenig Freude mit dem Modell der Spitzenkandidaten. Sie wollen sich nicht übertrumpfen lassen. Immer wieder betonen sie, laut EU-Vertrag müssten sie das Ergebnis der Europawahlen berücksichtigen, seien aber nicht dazu gezwungen.
Schwierige Kompromisssuche
Und doch begrenzt das Parlament die Macht der Chefs. Denn die einzig direkt gewählte Institution der EU muss ihrem Vorschlag zustimmen. Weber und seine EVP pochen zwar darauf, dass sie trotz der Verluste immer noch die stärksten im Parlament sind. Aber sie benötigen Hilfe von anderen Fraktionen, um eine Mehrheit zu erringen. Und auch im Parlament hält sich die Begeisterung für den biederen CSU-Mann Weber in Grenzen. Doch in der EU ist der Kompromiss höchstes Gebot. Möglich, dass Macron Weber akzeptiert, wenn Macron und seine liberalen Verbündeten einen anderen der offenen Chefposten erhalten: Ratspräsident etwa oder EU-Außenbeauftragter, vielleicht auch EU-Parlamentspräsident. Für den Posten des Chefs der Europäischen Zentralbank hat Deutschland Interesse angemeldet. Das gilt als offenes Geheimnis. Dann aber wäre Weber wohl endgültig aus dem Rennen. Zwei Deutsche in europäischen Spitzenpositionen – das ist wohl unmöglich.
Der Chef der Kommission
Der EU-Kommissionspräsident wird vom Parlament gewählt. Die Abgeordneten können nur über Kandidaten abstimmen, die vom Europäischen Rat vorgeschlagen werden. Wer eine Chance haben will, braucht also das Vertrauen der Staats- und Regierungschefs. Die müssen bei ihrer Kandidatensuche gemäß den europäischen Verträgen das Wahlergebnis berücksichtigen. Das kann aber vieles heißen. Das Parlament hat angekündigt, nur jemanden zu wählen, der bei der Wahl auch als Spitzenkandidat angetreten ist. Einige Regierungschefs wollen sich ihr Vorschlagsrecht aber nicht nehmen lassen.
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