4 israelische Geiseln in Gaza freigelassen und zurück in Israel
GAZA-STADT. Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen vier weitere Geiseln freigelassen. Die vier jungen Soldatinnen wurden am Vormittag an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben und kurz darauf in ihre Heimat gebracht
Die israelische Armee begann Berichten zufolge im Gegenzug damit, 200 Palästinenser aus der Haft zu entlassen. Palästinensischen Angaben zufolge wurden rund 130 Häftlinge nach Ramallah im Westjordanland gebracht. Dort warten demnach ihre Familien auf sie.
Rund weitere 70 palästinensische Gefangene seien auf dem Weg nach Ägypten. Sie werden gemäß dem Abkommen wegen ihrer schweren Straftaten ins Ausland gebracht. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete, die Häftlinge seien am Grenzübergang Kerem Shalom im südlichen Gazastreifen angekommen. Von dort sollen sie zum Grenzübergang Rafah gebracht und nach Ägypten überstellt werden, meldete der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira. Viele werden von dort aus Berichten zufolge in andere Staaten wie Katar und die Türkei weiterreisen.
Das Abkommen sieht vor, dass Israel für jede freigelassene Soldatin 50 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlässt, darunter 30 Personen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen. Unter den am Samstag freikommenden Häftlingen ist israelischen Medien zufolge auch Wael Kassem, der an Bombenanschlägen in Israel mit Dutzenden Toten beteiligt gewesen sein soll.
Bildergalerie: Vier Geiseln von der Hamas ans Rote Kreuz übergeben
Galerie ansehenAngehörige freuen sich über Freilassung der Soldatinnen
Bei den freigelassenen israelischen Soldatinnen handelt sich um Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa, sie sind zwischen 19 und 20 Jahre alt. Islamistische Terroristen hatten die vier am 7. Oktober 2023 während des Überfalls der Hamas auf Israel mit rund 1.200 Toten entführt. Die Frauen wurden von einer Spezialeinheit der Armee nach Israel gebracht. Sie sollten zunächst ärztlich untersucht und auch direkt ihre Eltern treffen. Anschließend war die Weiterfahrt in eine Klinik bei Tel Aviv geplant, wo weitere Angehörige warteten.
Die israelische Regierung veröffentlichte Aufnahmen, die zeigen, wie die Eltern jubeln und vor Freude schreien, während sie Aufnahmen der Übergabe ihrer Töchter an die israelische Armee sehen. Die Familie Levys erklärte noch vor dem Wiedersehen mit der 20-Jährigen, sie sei "überglücklich und tief bewegt". "Unsere Herzen sind bei den Familien, die noch auf ihre Liebsten warten", fügten sie hinzu.
- ZIB 1: Vier weitere israelische Geiseln frei
Auch die Schwester von Daniela Gilboa, Noam Gilboa, äußerte sich erleichtert. Als Gerüchte, dass ihre Schwester tot sei, aufgekommen seien, sei sie zusammengebrochen, sagte sie der Nachrichtenseite ynet. Nun seien ihre Sorgen überwunden.
Noch Dutzende in Geiseln in Gaza
Die Freilassung erfolgt im Rahmen einer sechswöchigen Waffenruhe-Vereinbarung, die Sonntag in Kraft getreten ist. Schon vor knapp einer Woche hatte die Hamas drei verschleppte Zivilistinnen freigelassen. Die nun freigelassenen Soldatinnen sind damit die zweite Geisel-Gruppe, die freikommt. Im Gazastreifen werden nun noch 90 aus Israel Entführte festgehalten, davon sind israelischen Angaben zufolge mehr als 30 für tot erklärt worden.
In den kommenden Wochen, der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens, sollen noch weitere 26 Geiseln freigelassen werden. Laut der Nachrichtenseite ynet dürften acht von ihnen nicht mehr am Leben sein.
Martialischer Hamas-Auftritt - Geiseln lächelten bei Freilassung
Bewaffnete und maskierte Hamas-Kämpfer übergaben die vier lächelnden Soldatinnen auf einem Platz in der Stadt Gaza an Rotkreuz-Vertreter. Ehe sie in Fahrzeuge des Roten Kreuzes stiegen, wurden sie auf eine Bühne geführt, um dort der Menge zu winken. Ob die Frauen aus freien Stücken oder unter Drohungen handelten, war unklar. Nach wenigen Minuten verließ der Konvoi den Platz.
In Tel Aviv warteten zahlreiche Menschen auf die Nachricht über die Freilassung der Geiseln. Jubel brach aus, als die lang erwartete Nachricht eintraf. Viele der Versammelten trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Ihr seid nicht allein" - auch eine Botschaft an die verbleibenden Geiseln im Gazastreifen.
In die Freude über die Freilassung der vier Soldatinnen mischte sich bei betroffenen Familien aber auch Enttäuschung, auf die eigenen Angehörigen noch länger warten zu müssen. Die Zeitung "Haaretz" zitierte aus einem Schreiben der Familie Bibas, ihre Welt sei zusammengebrochen, als bei der Veröffentlichung der Namen der freizulassenden Geiseln nicht Shiri Bibas und ihre beiden kleinen Söhne aufgeführt gewesen seien.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, die Streitkräfte machten sich "große Sorgen" um die Familie. Die Hamas hatte vor über einem Jahr den Tod der drei verkündet, israelische Behörden haben dies jedoch nie bestätigt.
Armeesprecher drängt auf Rückkehr ziviler Geiseln
Bewohner des Gazastreifens dürfen indes nicht in den Norden des Gebiets zurückreisen, bis eine israelische Zivilistin freigelassen ist, die nach Angaben der israelischen Regierung ursprünglich an diesem Samstag freikommen sollte. Das teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit.
Zuvor hatte Armeesprecher Hagari der Hamas vorgeworfen, die Vereinbarungen über die Freilassung von Geiseln verletzt zu haben. Danach sollte die Freilassung von Zivilistinnen Vorrang vor Soldatinnen haben.
Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten und mehr als 250 aus Israel Entführten ausgebrochen. Große Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 47.000 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.
Im Zuge einer vorübergehenden Waffenruhe Ende November 2023 hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel damals 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen.