Myanmar: Suu Kyi zu fünf Jahren Haft verurteilt
NAYPYDIAW. Ein von der Militärjunta in Myanmar kontrolliertes Gericht hat die entmachtete Ex-Regierungschefin Aung San Suu Kyi zu fünf Jahren Haft wegen Korruption verurteilt.
Dies sagten mit dem Prozess vertraute Quellen, die anonym bleiben wollten, am Mittwoch der dpa. Die 76-jährige Friedensnobelpreisträgerin sieht sich mit fast einem Dutzend Korruptionsklagen konfrontiert. Dies war das erste Urteil. Für jeden Anklagepunkt drohen der Politikerin bis zu 15 Jahre Gefängnis.
EU kritisierte "politisch motivierten Prozess"
Die EU sprach von einem "politisch motivierten" Prozess, durch den die Menschenrechte verletzt worden seien. Das Urteil gegen Suu Kyi sei ein weiterer Schritt "zur Demontage des Rechtsstaats", ein weiterer Rückschlag für die Demokratie in Myanmar und eine weitere "krasse Verletzung der Menschenrechte", erklärte ein EU-Sprecher. Die EU wiederhole ihren dringenden Appell, alle politischen Häftlinge unverzüglich freizulassen.
Suu Kyi, die während des Prozesses bei all ihren Anhörungen anwesend war, zeigte sich unzufrieden mit dem Urteil. Sie wolle Berufung einlegen, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters eine ihrer Quellen.
"Wir verurteilen den politisch motivierten Prozess und die Verurteilung" von Suu Kyi, schrieb das Außenministerium in einem auf Englisch verfassten Tweet. Das Ministerium forderte darin die "sofortige und bedingungslose Freilassung" der entmachteten Ex-Regierungschefin und von all jenen, die nach dem Militärputsch in Maynmar "willkürlich inhaftiert wurden".
Die eigentlich für Dienstag geplante Urteilsverkündung war zuvor ohne Nennung von Gründen um einen Tag verschoben worden. Suu Kyi hatte den Vorwurf zurückgewiesen, Gold und 600.000 US-Dollar (560.000 Euro) Bestechungsgeld von einem Politiker angenommen zu haben. Das Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Suu Kyis Anwälte dürfen nicht mit Medien sprechen.
"Die Tage von Aung San Suu Kyi als freie Frau sind praktisch gezählt", sagte der Vizedirektor von Human Rights Watch Asien, Phil Robertson, der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts ihres fortgeschrittenen Alters könnten die Urteile "lebenslang" für sie bedeuten. Mit dieser Verurteilung wegen falscher Korruptionsvorwürfe würden nun weitere Jahre hinter Gittern angehäuft, so Robertson. "Die Zerstörung der Demokratie in Myanmar bedeutet auch, Aung San Suu Kyi loszuwerden - und die Junta überlässt nichts dem Zufall."
Das Militär hatte im Februar vergangenen Jahres geputscht. Die Generäle begründeten den Umsturz mit angeblichem Betrug bei der Wahl im November 2020, die Suu Kyi klar gewonnen hatte. Beweise legten sie keine vor. Seither versinkt Myanmar in Chaos und Gewalt.
Suu Kyi steht seit mehr als 30 Jahren für die Hoffnung der Myanmarer auf Demokratie. Seit ihrer Festnahme ist sie völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden und wird an einem unbekannten Ort in der Hauptstadt festgehalten. Seit dem Staatsstreich wurden auch viele von Suu Kyis politischen Verbündeten festgenommen. Andere sind untergetaucht oder ins Exil geflohen. Nach Angaben von Beobachtern wurden seit dem Putsch in Myanmar mehr als 1.700 Menschen getötet und mehr als 13.000 weitere festgenommen.
Menschenrechtler sprechen von einem Schauprozess gegen Suu Kyi. Vermutet wird, dass die Junta die Politikerin, die früher schon viele Jahre unter Hausarrest stand, auf Dauer zum Schweigen bringen will. Vor einigen Monaten war sie bereits in anderen Fällen zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings ist unklar, ob sie tatsächlich eine Haftstrafe antreten muss oder im Hausarrest bleiben wird.