Regierung einigte sich auf höhere Strafen für Bilder von Kindesmissbrauch
WIEN. Die Regierung hat am Mittwoch ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Kindern und Jugendlichen präsentiert. So sollen die Strafen für die Darstellung von Kindesmissbrauch erhöht werden. Damit reagiert die türkis-grüne Koalition auf die Causa um den Schauspieler Florian Teichtmeister, der sich wegen Besitzes von Missbrauchsdarstellungen vor Gericht verantworten muss.
Vorgesehen sind höhere Strafen sowohl für den Besitz, als auch für die Herstellung und Verbreitung solcher Bilder.
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) erinnerte im Pressefoyer nach dem Ministerrat an "unglaublich tragische und erschütternde Fälle von Kindesmissbrauch", die in den vergangenen Wochen und Monaten bekannt geworden sind. "Es macht uns sprachlos. Es ist absolut widerlich und grausam." Man müsse den Entwicklungen der Digitalisierung, "die diese Delikte befeuern", entgegentreten. "Es sind abstoßende, es sind widerliche, es sind einfach schreckliche Taten", die sich gegen die Schwächsten der Gesellschaft richten, pflichtete Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bei.
Zadic hob auch hervor, dass man die Begriffe im Gesetz ändere, denn "Kinderpornografie" sei "verharmlosend". Es gehe hier nicht um "Kinderpornografie", erklärte auch Raab, es handle sich nicht um eine freiwillige Entscheidung, sondern es gehe immer um die Darstellung von sexuellem Missbrauch von Kindern. Jeder, der sich das anschaue, nehme in Kauf, dass Kinder missbraucht und vergewaltigt werden.
"Wir wollen die volle Härte gegen die Täter", betonte Raab. Die Regierung plant, die Strafe für den Besitz von Missbrauchsdarstellungen mündiger minderjähriger Personen (14 bis 18 Jahre) von bisher bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf bis zu zwei Jahre zu erhöhen. Bei unmündigen minderjährigen Personen (zwischen sieben und 14 Jahren) wird die Strafe von bisher bis zu zwei Jahren auf bis zu drei Jahre erhöht. Auch der Besitz einer "Vielzahl von Darstellungen" soll zu höheren Strafen führen, wobei dieser Begriff aber erst definiert werden muss.
Wer eine Vielzahl von Missbrauchsdarstellungen einer minderjährigen Person herstellt oder einem anderen anbietet, soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft werden. Bisher waren dies bis zu zwei Jahre. Bei jenen Personen, die dies zum Zweck der Verbreitung machen, wird die Mindeststrafdrohung von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht. Erfolgt die Herstellung einer Vielzahl von Darstellungen einer minderjährigen Person explizit zum Zweck der Verbreitung, beträgt der Strafrahmen ein Jahr bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.
"Wirksames Gesamtpaket"
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) unterstrich, dass seit Monaten an den Maßnahmen gearbeitet worden sei und es sich um ein "wirksames Gesamtpaket" von Prävention über Hilfe für die Opfer bis zu höheren Strafen für die Täter handle. So sollen künftig "alle Schulen verpflichtend" Kinderschutzkonzepte haben, erklärte Raab, wobei auf Nachfrage klar wurde, dass man mit den Ländern, die ja für den Pflichtschulbereich zuständig sind, erst Gespräche führen muss. Ein Gesetzesentwurf werde vom Bildungsministerium in den nächsten Wochen ausgearbeitet, kündigte Raab an. Zadic stellte für Vereine und Organisationen ein Gütesiegel in Aussicht, man werde eine entsprechende Zertifizierungsstelle einrichten.
"Zynische Lücke"
Nachschärfen will man beim Tätigkeitsverbot, wo eine "zynische Lücke" geschlossen werde, wie Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) berichtete. Geplant ist zudem eine ressortübergreifende Kinderschutzkampagne, hob Plakolm hervor, die das Wissen und Bewusstsein von Kindern stärken und ihnen zeigen soll, wo sie Hilfe bekommen. Kinder müssten wissen, was ihre Rechte sind und was ein Übergriff ist, und an wen sie sich wenden können, erklärte Zadic. Zur Hilfe und Unterstützung für Opfer von Kindesmissbrauch sollen etwa die Familienberatungsstellen weitere drei Millionen Euro bekommen. Ausgebaut werden soll auch die psychosozialen Nachbetreuung.
Die Regierung will auch Täterinnen und Täter im und nach dem Strafvollzug noch gezielter therapieren. Die Arbeit externer Dienstleister soll im Bereich der Psychotherapie erweitert und insbesondere Sexualtherapie angeboten werden, so das Vorhaben der Koalition.
Verbessern will die Regierung auch die Rahmenbedingungen für die polizeiliche Ermittlungsarbeit. Die Experten in Landeskriminalämtern sollen aufgestockt werden, aber auch in den Regionen. Das Cyberkompetenzzentrum im Bundeskriminalamt soll ebenfalls gestärkt werden. Auch eine Meldepflicht für Arbeitgeber und Vereine ist angedacht. Diese sollten Bescheid wissen, wenn etwa von ehrenamtlich Tätigen Personen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige eine akute Gefahr ausgeht. Das Justizministerium prüft derzeit, ob dies rechtlich und praktisch umsetzbar ist.
"Aktuell ist es für Vereine und Verbände gesetzlich oft schwierig herauszufinden, ob von einzelnen Personen akute Gefahr wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige ausgeht. Es ist wichtig, dass hier mehr Transparenz geschaffen wird", meinte Sportunion-Generalsekretär Stefan Grubhofer in einer Aussendung. So war etwa jener Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule Kinder missbraucht haben dürfte, war in einem Sportverein in leitender Position tätig. Der zuständige Dachverband ist die Sportunion.
Inkrafttreten noch unklar
Kosten soll das Maßnahmenpaket der Regierung einmalig 2,12 Mio. Euro und weiters jährlich neun Mio. Euro. Unklar ist allerdings, wann genau die Vorhaben umgesetzt und in Kraft treten werden. Zadic rechnet damit, einen konkreten Gesetzestext im ersten Halbjahr dem Parlament zuzuführen. Auch eine Begutachtungsfrist werde es geben. Nicht fest steht aber, wann genau etwa die Strafverschärfungen gelten sollen.
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) äußerte sich in einer schriftlichen Stellungnahme nach dem Ministerrat zu den Gesetzesvorhaben. Die Darstellung sexuellen Missbrauchs an Kindern zähle zu den "abscheulichsten Delikten", es sei daher gut, dass nun höhere Strafen kämen. "Falsche Toleranz ist hier völlig fehl am Platz, jeder, der solche Delikte begeht muss wissen, dass wir hier als Gesellschaft konsequent und hart handeln."
Kritik an den Regierungsplänen äußerte Strafrechtsexperte Alois Birklbauer. "Da gibt es viele Punkte eines gesetzgeberischen Schnellschusses, der wirklich nicht durchdacht ist", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal" und verwies auf "Strafdrohungstypen, die das Strafrecht bislang nicht kennt". So sei ein Rahmen bei Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr einzigartig.
Auch an der Verhältnismäßigkeit zweifelt Birklbauer teilweise. So könnte die Strafandrohung gegen "wirklichkeitsnahe Handlungen" etwa auch "rein computergenerierte Bilder" betreffen. Die Höchststrafe von zehn Jahren für Darstellungen von Missbrauchshandlungen zum Zweck der Verbreitung sei außerdem genau so hoch, wie die tatsächliche Vergewaltigung oder schwerer Missbrauch einer unmündigen Person.
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