Paket gegen Kindesmissbrauch: Experten gespalten
WIEN. Das Maßnahmenpaket der Regierung, mit dem unter anderem die Darstellung von Kindesmissbrauch bekämpft werden soll, hat am Mittwoch bei Experten für unterschiedliche Reaktionen gesorgt.
Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl, Leiter des Vienna Centre for Societal Security, sprach höheren Strafen jede präventive Wirkung ab und sprach von Populismus. "Das Paket ist wirklich sehr positiv und erfüllt langjährige Forderungen", meinte hingegen "Möwe"-Geschäftsführerin Hedwig Wölfl.
Die Expertin begrüßte vor allem die Kinderschutzkampagne. "Wir freuen uns sehr über diese Bewusstseinsbildung, die zum Hinschauen animieren soll. Toll, dass sich die Regierung dazu durchgerungen hat, hier den Fokus zu setzen." Prävention sei eine der wirksamsten Maßnahmen, bekräftigte Wölfl. Positiv bewertete sie unter anderem auch die Verständigungspflicht, die Qualitätssicherung für Kinderschutz sowie die Kinderschutzkonzepte an Schulen. "Das sind gute Schritte, die wir sehr begrüßen."
Erhöhung "schadet nicht"
Der Strafrahmen müsse dem Delikt angemessen sein und die Erhöhung "schadet nicht". "Aber ich muss auch sagen, dass der derzeitige Rahmen derzeit kaum ausgeschöpft wird." Zudem würden auch Verfahren eingestellt und es gebe eine riesige Dunkelziffer. Deshalb sei die geplante Aufklärungskampagne "so was von wichtig". Wölfl wünscht sich eine weitere Stärkung der Kinderschutzzentren und -einrichtungen, die es für die Betreuung bei Verdachtsfällen und bei der Prozessbegleitung unbedingt brauche. Der niedergelassene Bereich könne gegebenenfalls für die Nachbehandlung genutzt werden. Was die vorgesehenen Mittel betrifft, könne man damit arbeiten. "Es ist einmal ein Anfang."
"Es gibt keine Korrelation zwischen Strafhöhe und Abschreckung", machte Kreissl unter Berufung auf zahlreiche Untersuchungen klar. Abschreckend für potenzielle Täter sei lediglich ein hohes Risiko, erwischt zu werden. Wichtig sei auch, dass die Strafe rasch auf die Tat folgt. Hier gebe es einen Wirkungszusammenhang.
"Bringt nichts, aber man kann es gut verkaufen"
Die angekündigten höheren Strafen seien eine "einfache, billige Methode" der Regierung zu zeigen, "wir tun etwas", meinte der Kriminalsoziologe. Es bringe nichts, aber "man kann es gut verkaufen". Lange Gefängnisstrafen seien, was die Rückfallquote betrifft, kontraproduktiv. Diversion, sozialpädagogische Aufarbeitung und entsprechende Behandlung im Strafvollzug wären erfolgreicher.
Sinnvoller in Sachen Prävention wäre es, zu versuchen, zur Quelle vorzudringen und dort die Taten und die Verbreitung dieser Darstellungen zu unterbinden. Dazu benötige man Massenüberprüfungen im Netz, um den Tausch von Bildern zu stoppen. In den USA habe man etwa Profile von Kreditkartentransaktionen erstellt und sei den Tätern auf die Spur gekommen. In Europa sei den Behörden diesbezüglich aufgrund des Datenschutzes die Hände gebunden, meinte Kreissl, der nicht die Forderung erheben wollte, diesen aufzuweichen.
Verfassungsrechtler: "Mit Augenmaß vorgehen"
Was die mögliche Verständigungspflicht der Strafverfolgungsbehörden an Arbeitgeber und Vereine betrifft, wenn dort durch den Verdächtigen eine akute Gefahr für Kinder ausgehen könnte, meldeten sich Verfassungsrechtler im ORF-Mittagsjournal zu Wort: Bernd-Christian Funk meinte, man müsse mit Augenmaß vorgehen, da die Gefahr bestünde, dass bei Beschuldigungen, die keine Substanz haben, Schäden entstehen, die nicht mehr wieder gut gemacht werden können. "Auf der anderen Seite ist schon klar, dass alle Möglichkeiten der Prävention genützt werden sollen."
Laut dem WU-Professor Harald Eberhard geht es um eine Abwägung zwischen Kinderrechten und jenen des Beschuldigten auf Privat- und Familienleben. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, müsse es eine Ausnahme von der Amtsverschwiegenheit geben. Zudem sollte die Verständigungspflicht schon für die Kriminalpolizei gelten, sofern ein begründeter Verdacht vorliegt. Ansonsten könne in langen Verfahren zu Amtshaftungsansprüchen kommen, wenn nicht entsprechend gehandelt wurde.
<<"Es gibt keine Korrelation zwischen Strafhöhe und Abschreckung", machte Kreissl unter Berufung auf zahlreiche Untersuchungen klar. Abschreckend für potenzielle Täter sei lediglich ein hohes Risiko, erwischt zu werden. Wichtig sei auch, dass die Strafe rasch auf die Tat folgt. Hier gebe es einen Wirkungszusammenhang.>> Dem ist nichts hinzuzufügen.