Schieder solide zu solidem Ergebnis
WIEN. Es war für den rebellischen Andreas Babler die erste echte Probe vor dem Wähler auf Bundesebene.
Den ersehnten Erfolg hätte bei der EU-Wahl aber just einer einfahren sollen, der seit vielen Jahren das Partei-Establishment repräsentiert: Andreas Schieder. Was er am Sonntag heimbrachte, war ein solides Ergebnis, das sich einem soliden Wahlkampf anschloss. Wirklich feuriger Wahlkämpfer wird Schieder wohl keiner mehr werden, ein versierter Europa-Politiker aber allemal bleiben.
Vor fünf Jahren hatten erst die Briefwähler der SPÖ ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer EU-Wahl erspart. Diesmal ging es auch nicht viel besser. So wird der Glaube, dass die Sozialdemokraten mit Babler an die Spitze der Wählergunst eilen werden können, kaum gewachsen sein.
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Dabei war der Wahlkampf des Spitzenkandidaten durchaus ordentlich. Praktisch jede Wähler-Gruppe wurde gezielt angesprochen, sogar die Mühe eines echten Programms machte man sich. Schieder, der an sich manchmal zum Grant neigt, bliebt die ganze Kampagne freundlich und höflich. Der Chef der Naturfreunde fuhr Mountainbike, wanderte, kochte, machte also im Wahlkampf alles, was ihm auch sonst Spaß macht.
Berufspolitiker
Dass ihm die Grünen unterstellten, an den Vorwürfen gegen deren Spitzenkandidatin Lena Schilling beteiligt gewesen zu sein, hat ihm sicher nicht geschadet. Denn Generalsekretärin Olga Voglauer musste schon wenige Stunden später zurückrudern - und tatsächlich war Schieder, so weit man weiß, der letzte in seiner Partei, der an die Causa anstreifen wollte.
Mit Schieder hatte Babler kein personelles Zeichen der Erneuerung setzen können oder wollen. Er ist das, was man gemeinhin einen Berufspolitiker nennt. Der Volkswirt war von Jugendtagen an - auch familiär bedingt - mit den Organisationen im roten Umfeld vertraut. Bei der Sozialistischen Jugend machte der Sohn des langjährigen SPÖ-Spitzenpolitikers Peter Schieder dann auch erstmals Karriere, als er zum Vizepräsidenten der Sozialistischen Jugendinitiative aufstieg.
Weitere Karrierestationen waren der Wiener Landtag und der Nationalrat. Schieder galt als Hoffnungsträger. Dass seine damalige Lebensgefährtin und nunmehrige Ehefrau Sonja Wehsely ihrerseits in der Landesregierung amtierte, war jedoch ein gewisses Hemmnis am Weg zu höheren Weihen.
Bitterste Niederlage
Es war letztlich Werner Faymann, der Schieder zum Staatssekretär machte, zunächst für Beamte, später dann mitten in der Hypo-Krise (mit)zuständig für die Finanzen. Vermutlich Karriere-Höhepunkt war die Zeit als Klubobmann in der Großen Koalition.
Die bitterste Niederlage in Schieders politischer Laufbahn war das Duell um den Vorsitz der Wiener Landespartei, das ja auch den Weg zum Bürgermeisteramt markierte. Nicht nur war nach der Schlappe gegen Michael Ludwig die schöne Aussicht auf das Rathaus weg - unter der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner fand er sich auch noch am politischen Abstellgleis.
Da traf es sich gut, dass die Partei einen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl suchte. Der seit Jugendtagen international gut vernetzte Schieder griff zu und nahm das Ticket nach Brüssel, wo er unter anderem als Brexit-Berichterstatter des EU-Parlaments und Vorsitzender der Nordmazedonien-Delegation diente. Dieses Ticket wird nun um fünf Jahre verlängert.