Bernhard Raimann: Vom Burgenland in die NFL
In ein paar Tagen wird Football-Athlet Bernhard Raimann erfahren, wohin seine Reise in der US-Liga NFL geht. Der NFL-Draft vom 28. bis 30. April wird aus österreichischer Sicht auf alle Fälle historisch.
Bernhard Raimann dürfte mit seiner bevorstehenden Auswahl im Draft als erster Österreicher seit fast 35 Jahren ein NFL-Spiel bestreiten. Bisher waren rot-weiß-rote Akteure in der US-Profiliga im American Football nur auf der Spezialposition des Kickers aktiv. Als erster Feldspieler, nämlich in der Offensive Line, würde der 24-jährige Burgenländer auch in dieser Hinsicht Geschichte schreiben.
Drei Österreicher kickten in den 1970er und 1980er-Jahren in der NFL. Der frühere Fußball-Nationalspieler Toni Fritsch gewann mit den Dallas Cowboys 1972 die Super Bowl, Raimund "Ray" Wersching war 1982 und 1985 mit den San Francisco 49ers erfolgreich. Der Auswanderer-Sohn aus Mondsee bestritt 1987 auch das bisher letzte NFL-Spiel eines Österreichers. Dritter im Bunde der NFL-Österreicher war der gebürtige Steirer Toni Linhart.
Derzeit gibt es drei Österreicher im Dunstkreis der Football-Profiliga. Neben Raimann, der sich direkt Hoffnungen auf einen Stammplatz machen darf, befinden sich Bernhard Seikovits (Arizona Cardinals) und Sandro Platzgummer (New York Giants) seit ein bzw. zwei Jahren in Trainingskadern. Beide waren im Gegensatz zu Raimann über das International Player Pathway Program (IPPP) der NFL zu ihren Clubs gekommen.
Noch nie wurde ein Österreicher in der NFL gedraftet
Beim NFL-Draft vom 28. bis 30. April picken sich die 32 Teams ihre Favoriten unter den besten verfügbaren College-Absolventen heraus. Seine Castings hat der 24-jährige Offensive Tackle bereits hinter sich. "Jetzt ist Warten angesagt", betonte Raimann, der sich mit einer renommierten Spieleragentur zusammengetan hat, was seine guten Aussichten nur unterstreicht.
Von Experten wird Raimann als Kandidat für die erste Draft-Runde gehandelt, spätestens in der zweiten Runde wird voraussichtlich ein interessiertes Team zuschnappen. "Was immer passieren soll, soll auch passieren. Ich habe schon alle meine Tests und Vorstellungsgespräche abgeliefert. Jetzt liegt es an den Teams zu entscheiden, ob die mich auswählen wollen oder nicht", sagte der Burgenländer.
Wer in Runde eins bereits ausgewählt wird, ist nicht nur auf einen Schlag Millionär - dessen Chancen, binnen kurzer Zeit Stammspieler zu werden, sind sehr gut. "Für den österreichischen Football wäre es eine Sensation, wenn er gedraftet wird, vor allem hoch gedraftet wird", betonte Michael Eschlböck, Präsident des heimischen Verbands AFBÖ. "Es wäre das erste Mal in der Geschichte für einen Österreicher."
Die Aufgabe des Offensive Tackle ist es, mit gezielten Blocks das Angriffsspiel seiner Mannschaft via Lauf oder Pass zu ermöglichen. Vor allem sollen aber Spieler wie Raimann den Quarterback, dem wichtigsten Mann im Team, vor den heranstürmenden Verteidigern schützen. Entsprechend begehrt sind die besten Talente auf dieser Position und werden in der NFL dementsprechend gut bezahlt.
Spezieller Werdegang
Raimanns Werdegang ist auch deswegen so erstaunlich, weil der Österreicher erst vor zwei Jahren auf die technisch anspruchsvolle Tackle-Position gewechselt ist. Davor hatte er eine völlig andere Rolle inne, nämlich Passempfänger. Als 14-Jähriger spielte er bei den Vienna Vikings Wide Receiver, an der Delton-Kellogg High School in Michigan sowie am College war er zunächst Tight End.
Als es 2020 dann plötzlich einen Tackle-Engpass bei Central Michigan gab, schulte Raimann um und legte neben 25 zusätzlichen Kilogramm Körpergewicht eine beeindruckende Entwicklung hin, die ihn Anfang dieses Jahres bis in die Senior Bowl, dem College-All-Star-Game, führte. Der Burgenländer gilt mit 18 Karriere-Starts als Left Tackle zwar noch als ziemlich unerfahren, was gleichzeitig aber auch bedeutet, dass noch mehr Potenzial in ihm steckt. "Ich denke, dass er in den nächsten Jahren noch viel besser sein wird, weil er die Position noch immer lernt", zeigte sich Jim McElwain, sein Trainer bei Central Michigan, überzeugt. "Er ist ein Diamant, der zwar nicht mehr ganz roh ist, aber man muss noch die Kanten und Ecken feinschleifen", sagte Eschlböck.
In Michigan, so ist aktuell der Plan, wird Raimann auch den Draft verfolgen, und zwar mit der gesamten Familie bei seiner Freundin, mit der er schon seit einigen Jahren zusammen ist. Die Reise nach Las Vegas, wo die Talenteziehung in diesem Jahr stattfindet, tut er sich nicht an.
Raimann könnte der erste Österreicher werden, der via Draft einen Platz bei einem NFL-Team ergattert. "Für mich persönlich wäre das natürlich eine super Ehre, wenn das so funktioniert. Allerdings ist der Draft natürlich auch nur der Anfang und nicht das Endziel", erklärte er. "Ich würde mich sicher in dem Moment freuen, aber danach geht es einfach weiter zum nächsten Ziel."
Die Position von Raimann ist einer der wichtigsten im Football
Der Left Tackle ist Teil der sogenannten Offensive Line, kurz O-Line. Diese Angriffslinie besteht aus fünf Spielern, die an vorderster Front agieren und sich aus zwei Tackles, zwei Guards und dem Center zusammensetzt. Der Center übergibt den Football auf Kommando an den Quarterback und startet somit einen Spielzug. In der Folge sind alle fünf O-Liner damit beschäftigt, dem Quarterback die attackierenden Verteidiger durch Blocken vom Hals zu halten, damit dieser genügend Zeit zum Werfen hat.
Der linke Tackle ist jene Person, die in der O-Line am weitesten links steht. Das ist die Seite, auf der ein Quarterback, so er Rechtshänder ist, am verwundbarsten ist. Warum? Will ein Rechtshänder-Quarterback werfen, steht er mit dem linken Fuß und der linken Schulter nach vorn und hat einen ausgezeichneten Überblick über die rechte Seite und das Feld vor ihm. Er sieht aber nicht, ob ihn ein Verteidiger von der linken Seite angreift, da er ihr den Rücken zuwendet. Daher spricht man von der "blind side".
Genau diese blinde Seite soll der Left Tackle verteidigen, damit der Quarterback nicht plötzlich über den Haufen gerannt wird. Denn die Verletzungsgefahr bei Niederschlägen, die man nicht kommen sieht, ist groß. Nur die größten und stärksten Athleten kommen auf dieser Position zum Einsatz. Das Gardemaß für die Position sind 2 Meter Körpergröße bei zumindest 130 Kilo Gewicht - diese Voraussetzungen erfüllt Bernhard Raimann, der dafür in den vergangenen zwei Jahren viel Gewicht zulegen musste.
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