Erwachsenwerden ist ein Mehrkampf
ALKOVEN/LINZ. Wegen eines Schicksalsschlags in ihrer Familie weiß Sophie Kreiner, was Sorgen tatsächlich sind. Seither ist bei der 17-Jährigen Träumen angesagt, ist die Alkovenerin doch eine der besten Nachwuchs-Leichtathletinnen der Welt.
Der Tag beginnt für Sophie Kreiner gegen sechs Uhr – und endet nach den Hausübungen meist erst nach neun Uhr abends. Er ist durchgetaktet wie ein Siebenkampf, und in dem ist die Alkovenerin Weltklasse. Zumindest in ihrem Alter. Die U18-Weltrangliste schloss die Leichtathletin in ihrer Disziplin auf dem ersten Platz ab – in einer Weltsportart ist das eine Sensation. "Ich habe nicht damit gerechnet, und anfangs habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht", so die 17-Jährige.
Ausnahmetalent hin oder her – in Österreich sei es schwierig, von der Leichtathletik zu leben, sagt die ATSV-Linz-Sportlerin. Der Blick in die Zukunft ist für die Schülerin, die heuer am Linzer Peuerbach-Gymnasium maturiert, dennoch keineswegs von Sorgen, sondern von Hoffnungen und Träumen getragen.
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Prägendes Erlebnis
Das innere Koordinatensystem für Sorgen und Ängste wurde bei Kreiner früh auf ein geerdetes Niveau verschoben. Schuld daran war ein Nierentumor bei ihrer kleinen Schwester Sara, die 2009 im Alter von nur 14 Monaten mit dem Tod rang (siehe Box rechts). Als Fünfjährige begriff Sophie zunächst nicht alles, was damals passierte. "Aber das hat was verändert. Auch wenn ich jetzt manchmal sage, dass ich Angst etwa vor einer Schularbeit habe, das ist im Endeffekt keine Angst. Weil das so viel weniger schlimm ist, als wenn es um die Gesundheit meiner Schwester geht."
Als Bruchstück ist ihr ein Weihnachtsfest in Erinnerung geblieben, das die Familie kurzerhand im Kinderbereich eines Fastfood-Restaurants nahe jenem Wiener Kinderspital feierte, in dem Sara behandelt wurde. Trotz aller Improvisation habe sie es "als wunderschönes Erlebnis" empfunden.
Wegen Saras Spenderniere war die Familie in der Pandemie entsprechend vorsichtig. Im ersten Monat habe Sophie keinen Menschen außerhalb ihrer Familie gesehen. "Ich weiß noch, was für ein Highlight das für mich war, als ich nach einem Monat das erste Mal mit meiner Mama in den Supermarkt einkaufen fahren durfte", verdeutlicht Sophie, wie sehr ihr die sozialen Kontakte abgegangen waren. Sportlich war der Rückfall indes gar nicht groß, weil Mutter Sabine und Vater Herbert ohnehin ihre Klubtrainer sind. "Da es am Anfang noch kein Homeschooling gab, hatte ich noch mehr Zeit fürs Training", erzählt sie von Hügelläufen, Sprints, Sprüngen sowie Krafteinheiten bei ihr zu Hause.
Die sportliche Heimat verloren
Ihre Eltern waren Leichtathletik-Staatsmeister. Sabine lief sogar nach der Geburt Sophies zu Hürdentiteln. Da ihr Trainingsrevier die Gugl war, schnupperte Sophie schon als Baby Stadionluft. Umso größer war der Wehmut, als die Gugl vor einem Jahr abgerissen wurde. "Das war traurig, weil dort alles angefangen hat. Dazu wussten wir nicht, wie es weitergeht", schildert die Athletin. Der Ausbau der Anlage in der Wieningerstraße sowie die noch laufende Revitalisierung der neuen ATSV-Heimat in der Derfflingerstraße zerstreuten die Unsicherheiten.
Wegen der Pandemie sieht Kreiner vor allem in einer Hinsicht Aufholbedarf: Im vergangenen Jahr wurde die U18-EM abgesagt. Mit dem nunmehrigen Wissen über die Weltrangliste schmerzt das doppelt. Groß wäre die Chance auf ihre erste internationale Medaille gewesen. Was dort möglich gewesen wäre, deutete sie eine Altersklasse höher an – als Vierte der U20-WM. Was positiv am Nachholbedarf ist? Er schürt den Hunger. Die U20-WM heuer in Cali ist das erklärte Saisonziel. Träumen ist also erlaubt.
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