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Was tun mit Carbon?

Von Ulrike Rubasch, 26. November 2016, 00:04 Uhr

Carbonfaser gilt als Supermaterial: formbar, fest, leicht. Windräder, Autos und Flugzeuge sind aus ihnen gebaut. Doch die Entsorgung ist nicht geregelt und wird zum Problem.

Allein in Deutschland werden ab dem Jahr 2040 etwa 30.000 Tonnen Rotorblätter von Windrädern jährlich entsorgt werden müssen. Auch in Österreich mit seinen bald 1000 Windrädern ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Problem schlagend wird.

Derzeit gibt es noch keine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Recyclingtechnik für diesen relativ jungen Werkstoff. Die thermische Verwertung, also das Verbrennen etwa in Zementwerken, wird zum Teil durchgeführt. In Müllverbrennungsanlagen verursachen die Carbonfasern den Anlagenbetreibern Schwierigkeiten. Die Fasern verstopfen Filter, und durch ihre elektrische Leitfähigkeit lösen sie immer wieder Kurzschlüsse aus, die die gesamte Anlage teils für Tage lahmlegen. Die ökologisch minderwertige Verbrennung von kohlenfaserverstärktem Kunststoff (CFK) ist oft ein Risiko, da die leitenden Fasern sogar zu Bränden führen können.

Neben der thermischen Verwertung ist nur "Downcycling" möglich. Dabei werden die Fasern wiederverwertet, doch das Endprodukt kann mit Neuware nicht mithalten. Auch wofür das "Gewölle" verwendet werden kann, das daraus entsteht, ist noch unklar.

Rotorblätter für Spielplätze

Inzwischen werden viele Windrad-Rotorblätter mühsam zerlegt und zersägt und zwischengelagert, bis man eine Recyclinglösung hat. Auch die bloße Zerkleinerung ist gefährlich, vor allem für die Arbeitnehmer vor Ort, da der Faseranteil in der Luft sehr stark zunimmt und gesundheitsschädlich ist.

Vorerst finden die Windrad-Teile auf Spielplätzen als Baumaterial für Rutschen und Tunnels Verwendung. Doch "so viele Spielplätze können wir gar nicht bauen, wie wir Rotorblätter haben", sagte Alexandra Pehlken von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg bei einer Konferenz halbernst. Teilweise werden Carbon sowie Glasfaserkunststoffe (GFK) bereits in der Produktion gemischt, was die Trennung noch komplizierter macht.

Im privaten Bereich wird das das problematische und doch so geniale Material in Tennisschlägern, Fahrrädern, Walking- und Skistöcken oder sogar in Bobby-Cars eingesetzt. So gelangt es unsortiert zu den Entsorgern und teils in die Müllverbrennung.

"Die Dringlichkeit steigt, hier Lösungen zu finden. In 15 bis 20 Jahren kommt da einiges auf uns zu", sagt David Schönmayr, Projektmanager beim oberösterreichischen Umwelttechnik-Cluster. Er fordert die Politik auf, sich des Themas dringend anzunehmen. Er will mit der Montan-Uni Leoben und Kollegen von der Leichtbauplattform A2LT ähnlich wie gerade in Deutschland Bewusstseinsbildung bei Industrie und Politik betreiben, nach Lösungen zur Wiederverwertung suchen. Am Ende sollte das, so Schönmayr, in einer gesetzlichen Lösung zum Carbon-Recycling münden. "Der Politik ist das Problem einfach nicht bewusst."

Auto: Carbon nicht mehr Non-Plus-Ultra

Teilen der Industrie dürften die Schwierigkeiten klarer sein, die das junge Material auch mit sich bringt. BMW will angeblich bei dem Modell i3 von seinem Carbon-Fahrergehäuse wieder abgehen, weil Lebenszyklus-Analysen gezeigt hätten, dass vor allem das Ende problematisch – und auch teuer – werden kann. Sollte die Industrie zur Rücknahme der CFK und GFK gezwungen werden, könnten ungeahnte Entsorgungskosten auf die Betriebe zukommen. Klassische Aluminium-Leichtbauteile können wesentlich einfacher entsorgt, sprich eingeschmolzen werden.

Schönmayr berichtet auch von Überlegungen, zumindest die Sortierung von den Herstellern bezahlen zu lassen. Er fordert in jedem Fall Kostenwahrheit, um einen sinnvollen Recyclingprozess starten zu können. Forscher arbeiten auch an der Verwendung von alternativen Fasern wie Hanf und Holz, die in Verbundstoffe eingearbeitet werden.

Aus anderen Bereichen wie den Dämmstoffen ist eine ähnliche Entwicklung nicht ganz unbekannt. Man verwendet über Jahre Materialien, deren Entsorgung nicht mitgedacht wurde. Erst viele Jahre später, wenn der ökologische, gesundheits- und umweltpolitische Druck zu hoch wird, muss gehandelt werden. Bei den Carbonfasern könnte man sich viel ersparen, wenn schon jetzt entsprechende Forschungen betrieben und gesetzliche Rahmenbedingungen festgelegt würden.

 

Zahlen und Fakten

  • Jährlich werden weltweit 100.000 Tonnen kohlenfaserverstärkter Kunststoff (CFK) produziert (Umweltbundesamt).
  • Jährlich fallen in Europa 6000 bis 7000 Tonnen Produktionsabfälle von CFK an. Die Menge steigt rasch, unter anderem wegen der Windkraftanlagen.
  • Weltweit gibt es drei CFK-Recyclinganlagen mit jeweils 1000 Tonnen jährlicher Verarbeitungskapazität.
  • Der Energieverbrauch zur Erzeugung von CFK ist 20 Mal
  • höher als bei Glasfaserkunststoff (GFK).
  • Es gibt noch keinen Markt für wiederverwertete Carbonfasern (CFK-Rezyklate).
  • Ein Produzent hat für Carbon-Fahrräder ein freiwilliges Rücknahmesystem eingerichtet. Ansonsten landen alte Sportgeräte mit CFK wie Surfbretter oder Tennisschläger unsortiert im Rest- oder Sondermüll. Sie werden nicht wiederverwertet.
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