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Wirecard-Prozess: Urteil könnte doch noch 2025 fallen

Von nachrichten.at/apa, 26. Jänner 2025, 13:34 Uhr
Wirecard
Verschwundenes Geld und ein flüchtiger Finanzchef: Der Wirecard-Zusammenbruch ist einer der größten deutschen Finanzskandale. Bild: APA/DPA/SVEN HOPPE

MÜNCHEN/WIEN. Die Staatsanwaltschaft könnte die Anklage zusammenstreichen, da die Gesamtstrafe auf maximal 15 Jahre gedeckelt ist.

Im Münchner Strafprozess um die milliardenschwere Pleite des Finanzkonzerns Wirecard erwägen Gericht und Staatsanwaltschaft, etliche Vorwürfe fallen zu lassen. Was auf den ersten Blick wie eine Kapitulation vor den komplizierten Zahlungsströmen und wie eine gute Nachricht für den angeklagten und aus Österreich stammenden Ex-Chef Markus Braun ausschaut, werten Prozessbeteiligte als vorweggenommenes hartes Urteil.

Denn bereits die verbleibenden Vorwürfe dürften auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis 15 Jahren hinauslaufen, wie aus einem Dokument des Landgerichts hervorgeht. "Bei Braun geht das in Richtung Höchstmaß", sagt auch ein Insider.

Am Mittwoch will die Staatsanwaltschaft bekanntgeben, ob sie ihre Anklage rückwirkend zusammenstreicht. Brauns Verteidigung protestiert: "Wir sind gegen eine solche Vorverurteilung", sagt Rechtsanwältin Theres Kraußlach. Sie fordert eine umfassende Aufklärung und einen Freispruch.

Finanzskandal um fehlende Milliarden

In einem der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Geschichte versucht das Gericht seit mehr als zwei Jahren, Licht in die Vorgänge bei Wirecard zu bringen. Der früher im deutschen Aktienleitindex DAX notierte Konzern kollabierte im Juni 2020, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten.

Nach Überzeugung von Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter hat das Geld nie existiert. Die Pleite ist einer der größten Finanzskandale, die Deutschland je gesehen hat. Anleger und Banken verloren Milliarden. Das Beben erreichte in einem Untersuchungsausschuss auch die Bundespolitik und führte zu einer Reform der Finanzaufsicht.

Drei Angeklagte vor Gericht

Das Münchner Gericht muss klären, ob die drei Angeklagten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Davon scheint die Strafkammer mittlerweile überzeugt, wie der Vorsitzende Richter Markus Födisch mehrfach andeutete: Braun, der alle Vorwürfe bestreitet, wurde bisher nicht aus der Untersuchungshaft entlassen.

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Ex-Vorstandschef Markus Braun droht eine mehrjährige Haftstrafe. Bild: FABRIZIO BENSCH (POOL)

Dem Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa bot das Gericht als ermäßigte Strafe eine Größenordnung von mehr als zwei und weniger als acht Jahren an, wenn er gestehe. Erffa lehnte ab, weil er sich als unschuldig ansieht. Der frühere Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, hat hingegen ein Geständnis abgelegt und hofft als Kronzeuge auf einen deutlichen Strafnachlass.

Der frühere Wirecard-Finanzchef, Jan Marsalek aus Wien, ist flüchtig. Ihm werden geheimdienstliche Verbindungen nach Russland nachgesagt.

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Ex-Finanzchef Jan Marsalek wird von den Behörden gesucht, er wird in Russland vermutet. Bild: APA/AFP/Police Munich/HANDOUT

Eine andere Leitplanke für das Gericht ist eine oft unbeachtete Obergrenze für das Strafmaß. Selbst wenn die Richter Braun alle Anklagevorwürfe der 27-fachen Marktmanipulation, viermaligen Bilanzfälschung, sechsmaligen schweren Untreue und des sechsmaligen schweren Betrugs vollständig nachweisen könnten, würde sich die Strafe nicht beliebig erhöhen.

Obwohl auf nur einen einzigen schweren Betrugsfall bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen, ist bei mehreren Delikten die sogenannte Gesamtstrafe immer auf maximal 15 Jahre gedeckelt. So schreibt es Paragraph 54 des Strafgesetzbuchs vor.

Falsche Mitteilungen fallen "nicht beträchtlich ins Gewicht"

Deswegen lohne sich die Aufklärung einer Reihe von Vorwürfen nicht mehr, erklärte das Gericht im Dezember und bat die Staatsanwaltschaft, über eine Einstellung von Prozessteilen nachzudenken. "Angesichts der Anzahl und dem Unrechtsgehalt der verbleibenden Taten fällt die Einstellung im vorgeschlagenen Umfang nicht beträchtlich ins Gewicht", heißt es in der Verfügung. Der Rest reicht nach Ansicht des Gerichts also bereits nach jetziger Beweislage für ein hartes Urteil. "Bei den verbleibenden Untreue- und Betrugstaten ist weiterhin von einem voraussichtlich äußerst hohen Gesamtschaden auszugehen."

Eine Untersuchung beispielsweise aller mutmaßlich gefälschter Quartalsmitteilungen ziehe den Prozess unnötig in die Länge, argumentierte das Gericht: "Der Einfluss der betroffenen Vorwürfe auf eine im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Gesamtstrafe steht in keinem Verhältnis zu dem insoweit höheren Zeit-, Kosten- und Arbeitskräfteaufwand." Bei unverändertem Programm werde sich der im Dezember 2022 begonnene Prozess noch bis ins Jahr 2026 hinziehen. Mehrere Insider rechnen nun mit einem Urteil vor Jahresende.

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