Ein Talent blüht auf: "Sie wissen jetzt, was ich kann"
Rad-Profi Riccardo Zoidl im Gipfelgespräch über seinen Profi-Einstieg, das Doping-Gespenst und seinen Bonus im Windkanal.
Wenn am Sonntag in Leonding die heimische Radsportsaison eröffnet wird, ist der Dominator des Vorjahres nicht mehr dabei: Ex-Gourmetfein-Wels-Radler Riccardo Zoidl wird heuer im Trek-Team sein erstes Jahr bei den Profis bestreiten. Durch einen bei einem Rennunfall in Italien erlittenen Schlüsselbeinbruch lässt sich der 25-Jährige aus Goldwörth nicht bremsen.
OÖN: Du* bist vom Welser Gourmetfein-Team ins Profi-Lager zu Trek Factory Racing gewechselt. Wie kann man diesen Karriereschritt jemanden erklären, der sich im Radsport nicht auskennt?
Riccardo Zoidl: Das ist ungefähr so, wie wenn ein Spieler aus der österreichischen Bundesliga von Real Madrid geholt wird. Die Insider wissen das. Wenn man mich heuer öfter auf Eurosport sehen wird, werden auch andere Leute bemerken , wo ich jetzt mitspielen darf.
Wann ist es dir so richtig bewusst geworden, dass du praktisch in die Champions-League des Radsports angekommen bist?
Da hat es mehrere Momente gegeben. Der erste war das Teamtreffen Ende November, das war so eine Art Kennenlern-Meeting. Da rennen dir Leute über den Weg rennen, die du bisher nur aus dem Fernsehen gekannt hast. Ein spezieller Moment war auch, als ich meine neue Ausrüstung bekommen hab. Da war mir klar: Jetzt hab ich es wirklich geschafft.
So richtig geschafft hat man es aber erst, wenn man sich bei den Profis etabliert hat. Ist das ein Gedanke, der dich irgendwie beunruhigt?
Nein, ich freue mich über meine Chance, dort dabei zu sein. Außerdem habe ich einen Zweijahresvertrag. Einen extremen Druck darf man sich nicht machen. Ich bin jedenfalls voll motiviert.
Du hast bei der Mittelmeerrundfahrt gleich in eine Führungsrolle spielen dürfen. Hat dich das überrascht?
Ja, das ist natürlich eher ungewöhnlich für einen Rookie. Das hat mir gezeigt, wie sehr man mir vertraut. Andererseits haben meine Daten und Trainingsleistungen natürlich auch gepasst.
Wie haben deine Teamkollegen darauf reagiert, dass der neue Mann gleich der Chef ist?
Die waren eher entspannt. Jeder hat seinen Job und ist für seine Rolle eingekauft worden. Da wissen alle, was sie zu tun haben. Da gibt es keine Zickereien. Da war es eher bei Gourmetfein Wels so, dass jemand sauer war, weil er sich unterordnen musste.
Für welche Rolle hat das Trek Team Riccardo Zoidl eingekauft?
Ich denke, sie werden mich für Rundfahrten aufbauen. Heuer noch für die einwöchigen. Und wenn es gut läuft, dann werden auch Klassiker wie der Giro ein Thema. Ein Wasserträger kann ich mit 35 auch noch werden . . .
Ist der heurige Giro eine Art „Probefahrt“?
Ursprünglich hat man mir mitgeteilt, dass ich eine Art zweiter Kapitän sein soll. Nach meinem Sturz und dem Schlüsselbeinbruch muss man jetzt schauen, was möglich ist. Ich werde jedenfalls versuchen, jeden Tag voll reinzuhalten.
Ist man als Rad-Profi ein gläserner Mensch für die Teamführung? Ich nehme an, deine „Telemetriedaten“ werden genau beobachtet . . .
Wir verwenden permanent das SRM-System, das unsere Leistungsdaten speichert. Da kann man nur mit offenen Karten spielen. Ich habe im Winter etwas mehr trainiert, weil ich gleich in den ersten Rennen aufzeigen wollte. Das hat recht gut funktioniert. Sie wissen jetzt, was ich kann.
Vorher haben Sie das nicht gewusst?
Naja, sie haben keine genauen Daten gehabt.
Deine „Daten“ waren ja die sensationellen Erfolge im Jahr 2013…
Es könnte ja sein, dass ich beschissen hab . . .
Was heißt das?
Naja, in punkto Doping. Bei manchen Leuten, die frisch zu einem Pro-Tour-Team kommen, weiß man nicht, wie sie wirklich beisammen sind. Nicht alle Continental-Team-Fahrer haben einen Blutpass und regelmäßige Dopingkontrollen. Für mich hat sich nicht viel geändert, weil wir auch schon in Österreich seit zwei Jahren immer Blutkontrollen haben. Und das nicht zu selten.
Ist der Radsport in einem Profi-Team ein Mannschaftssport oder sind die Leute doch eher auf einen Ego-Trip?
Ich finde, dass hier weniger Egoismus ist als in kleineren Teams. Bei den Kleinen will jeder rauf, keiner verdient viel. Auf unserem Level wissen die Leute, was sie können und was ihre Aufgabe ist. Da ist alles geregelt.
Hat es in deiner Karriere Momente gegeben, in denen du schon vom Rad steigen wolltest?
In der Zeit um die Doping-Geschichte von Bernhard Kohl hab ich mir schon so meine Gedanken gemacht. Da wollte ich schon echt einmal aufhören. Ich hatte das Gefühl, dass zu viel getrickst wurde. Es gab Leistungssprünge von Woche zu Woche, wo du dir gedacht hast, wie geht denn so etwas?
Im Radsport wird man als Sieger nicht nur gefeiert sondern auch verdächtigt. Hast du auch diese Erfahrung gemacht?
Ja, sicher. Das hört man dann über zwei drei Ecken . . . offen sagt dir das niemand.
Hast du als Profi schon ausgelernt oder hast du noch Schwächen, an denen du arbeiten musst?
Lernen kann man immer. Im taktischen Bereich könnte ich vielleicht etwas ruhiger werden. Beim Rennen in Italien hat mir einmal Fabian Cancellara gesagt „Hey Junge, fahr nicht so viel im Wind, bleib cool“. Das ist okay, es stimmt ja, dass ich manchmal zu viel investiere und zu hektisch bin.
Deine Zeitfahrstärke ist ein großes Plus und ein Geschenk des Himmels . . .
Ja, ich muss sagen, ich bin körperlich wirklich bevorzugt. Ich bin relativ klein, habe kurze Füße. Bei Tests hatte ich wirklich ausgezeichnete aerodynamische Werte. Ein Cancellara sitzt nicht so auf dem Radl wie ich. Ich muss viel weniger Watt treten als er, das ist unglaublich. Natürlich steckt auch viel Training dahinter, heuer hab ich speziell für das Zeitfahren gearbeitet.
Wenn ein Fußballer aus der österreichischen Liga zu Real Madrid wechselt, hat er ausgesorgt. Wie geht`s da vergleichsweise einen Radprofi?
Naja, ausgesorgt hab` ich lange noch nicht. Aber ich will nicht jammern. Wenn du frisch in ein Pro-Team kommst, dann gibt es nicht viel Geld zu holen. Wenn es in zwei Jahren darum geht, einen neuen Vertrag zu machen, ist ein gewaltiger Sprung drinnen - wenn du g`scheit gefahren bist.
Gibt es Länder, in denen du besonders gerne fährst?
Frankreich taugt mir sehr, da sind die Zuschauer super. Da ist immer viel los, da ist der Radsport ein echtes Spektakel. Italien ist auch klass, nur hab ich da jetzt eine negative Erfahrung gemacht.
Du meinst deinen Sturz und den Schlüsselbeinbruch. Solche Verletzungen sind für Rad-Profis leider keine Seltenheit.
Ja, das gehört schon fast dazu. Witziger Weise haben wir am Abend vor meinem Sturz noch über Verletzungen gesprochen. Da haben sich meine Teamkollegen gewundert, dass ich mir noch nie das Schlüsselbein gebrochen hab . .. Am Tag danach war´s dann so weit . . .Naja, es ist zum Glück ein richtig schöner Bruch. Da kann man nämlich schnell wieder auf dem Radl sitzen.
Radprofis sind eher schmerzlose Indianer. Schürfwunden sind euch ja völlig egal.
Das ist wirklich nicht so schlimm. Man will sofort weiterfahren, das spürt man gar nicht so. Erst am Abend beim Duschen . . .
Wird bei den Profis härter gefahren?
Es geht professioneller zu. So Kamikaze-Fahrer, die man beispielsweise bei Rennen im Ostblock erlebt, gibt`s keine. Aber speziell bergab ist es um einiges schneller. Die knallen g´scheit hinunter. Ich bin nicht der Super-Falke bergab und muss total an mein Limit gehen. Ich bleib halt dran und hoffe, dass die vor mir wissen, welches Tempo die Kurve verträgt.
In Österreich gibt es mehr Radfahrer als Skifahrer. Und trotzdem sind wir eine Skination und der Radsport viel zu wenig gepusht. Woran liegt das?
Das ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es an der Mentalität. Es fahren zwar viele mit dem Rad, aber der Rennsport ist eine andere Geschichte. Man müsste die Rennen attraktiver machen und richtig aufziehen. Die Leute kommen, wenn es ein Bier und eine Jause gibt - da musst du halt aus jedem Rennen auch ein Festl machen. Nur müsste man da auch Geld in die Hand nehmen, das viele Veranstalter leider nicht haben.
Du hast einen HTL-Abschluss, kannst du dir einen anderen Job außer Rad-Profi vorstellen?
Das ist schwer. Ich muss sagen, ich habe mit meinem Beruf und dem Radfahren so viel Freude. Wenn man sein Hobby, seine Leidenschaft zum Beruf machen kann, dann ist das einfach der Traumjob schlechthin. Ich will das so lange machen, wie es geht.
* beim Gipfelgespräch ist ausnahmsweise die Du-Form erlaubt
Bruch als Bergwertung
Der Ort unseres Gipfelgesprächs mit Riccardo Zoidl ist nicht zufällig das hügelige Scharten. Die Gegend, in der jetzt schon viele Hobby-Radler und Wanderer das blühende Oberösterreich genießen, kennt der Jung-Profi sehr gut. Hier steigt mit dem Kirschblütenrennen jährlich ein echter oberösterreichischer Rad-Klassiker. Im Vorjahr hat Zoidl seinem damaligen Team Gourmetfein Wels einen prestigeträchtigen Heimsieg beschert.
Zoidls aktuelle Bergwertung ist aber nicht die Schartner-Höhe, sondern das Bewältigen eines Schlüsselbeinbruchs, den er sich bei einem Sturz am 8. März beim Eintagesrennen „Strade Bianche“ zugezogen hat. Nach einer Operation in Innsbruck beginnt Zoidl derzeit wieder mit dem Training. Ab 7. April steht ein zweiwöchiges Höhentrainingslager in der Sierra Nevada auf dem Programm. Danach möchte das 62 Kilo leichte Energiebündel, das zehn Minuten lang eine Leistung von 450 Watt treten kann, bei der „Tour Romandie“ Ende April wieder ins Renngeschehen eingreifen. Danach folgt ab 9. Mai mit dem Giro d‘Italia sein erster großer Klassiker.
Zur Person
Riccardo Zoidl (geb. am 8. April 1988) wuchs in Goldwörth auf, sein Vater Christian unterstützte bald seine sportlichen Ambitionen. Mit 15 legte er bei Nachwuchsrennen auf dem Rennrad eine Talentprobe ab. Die Karriere wäre fast vorzeitig zu Ende gewesen, bei einer Trainingsausfahrt kollidierte Zoidl 2004 an einem schrankenlosen Bahnübergang mit einem Zug. Er überstand den Unfall mit schweren Prellungen.
2011 gelang ihm der Durchbruch mit dem Sieg bei der Tobago-Rundfahrt. Im Dress von Gourmetfein Wels feierte der HTL-Absolvent im Vorjahr zahlreiche Erfolge, darunter auch den wichtigen Sieg bei der Österreich-Rundfahrt. Damit war der Weg zum Profi-Rennstall von Trek-Racing frei.
Mit Freundin Stephanie übersiedelt Zoidl gerade von Innsbruck nach Eferding.
des freut die region wenn ma den ricci wieder öfters bei uns trainieren sieht !