Eine Heldin, die hundert Seelen im Herzen trägt
Elisabeth Kulman betörte beim Attergauer Kultursommer.
Hunderte Seelen in einer Person, mannigfaltige Charaktere in einer Stimme, unvergleichlich satt und dabei weich-betörend im Timbre: So ließ die grandiose Elisabeth Kulman zum Schlusspunkt des Attergauer Kultursommers mit dem Programm "La Femme c’est moi" ihre Heldinnen à la Carmen, Dalila, Brünnhilde, Seeräuberjenny oder Schuberts "Mädchen an der Seite des Todes" auf dem Catwalk der Emotionen erscheinen. Mit "im Herzen kochender Rache" oder fein und ganz zart dort, wo die Zauberflöten-Pamina voll von Liebesschmerz ins Fühlen kommt.
Im Berühren verschiedenster Protagonistinnen, welche die Musikwelt erschaffen hat, zauberte Kulman auch Heiter-Sarkastisches aus dem Talon hervor. Chanson-Töne und eine charmante Verbeugung vor dem Beatles-Hit "When I’m Sixty-Four" amüsierten. Mit "Non, je ne regrette rien" bekundete Kulman ihre ungemein starke Persönlichkeit, die nach großen Zeiten an der Oper nun dem Opernbetrieb den Rücken kehrt und dem Publikum und sich selbst fortan nach eigenen Gesetzen Vergnügen bereitet. Man hat gerade diese Töne so klar von Edith Piaf im Ohr – und dennoch gehen sie unter der warmen Stimme Kulmans in neuen Dimensionen auf. Dieses Soloprogramm, bei dem wie im Medley eine Nummer in die nächste gleitet, hat sich die ausstrahlungsstarke Künstlerin selbst maßgeschneidert. Voller Lust am Ausleben verschiedenster Frauenfiguren und im Herauskitzeln von deren Herzensregungen und deren Streben nach innerer wie äußerer Freiheit.
Überraschende Momente
Im originellen Arrangement von Tscho Theissing swingte, parodierte und improvisierte die mit Aliosha Biz, Franz Bartolomey, Herbert Mayr, Eduard Kutrowatz, Maria Reiter und Gerald Preinfalk spitzenmäßig besetzte Band. Auch die ideenreichen Bearbeitungen ließen schmunzeln: Ein Gang quer über Stile hinweg durch die Musikgeschichte. An Überraschungsmomenten bei gesungenen wie agierten Solo-Einwürfen fehlte es nicht.
Als Bandmitglieder suchte sich Kulman die besten Profis ihres Faches aus, die wandelbar und virtuos verschiedenste Stile aus ihren Instrumenten herausholten. Und erst recht trägt Elisabeth Kulman viele Rollen in ihrem Herzen: Wunderbar, wie sie über Pizzicati von Violine und Cello zum schwebenden "I don’t know how to love him" im Musical-Sound ansetzte oder als Walküren-Chefin, aufgestachelt durch das hier grotesk wirkende Walkürenritt-Thema des Saxophons, im silberfarbigen Radhelm die Bühne erstürmte. Ihr unglaubliches Können versetzte in Staunen. Ihre so eindeutige Identifikation mit den Frauenseelen verblüffte immer wieder aufs Neue.
Eine Heldin durch und durch, die von der Galerie der Attergauhalle vollen Herzens Friedrich Hollaenders "Raus mit den Männern aus dem Reichstag" forderte. Ein einzigartiges Ereignis: Man(n) muss diese Revue unbedingt gehört und gesehen haben!
Klassik: Elisabeth Kulman "La Femme c’est moi", Attergauhalle St. Georgen, 17. August,
OÖN Bewertung: