Eine ob der Historie zu harmlose "Tosca"
Puccinis Oper eröffnete die Saison am Musiktheater Linz und hinterließ manche Fragen.
Mit Standing Ovations hat das Publikum die neue Tosca-Produktion im Musiktheater bejubelt und hat – vorausgesetzt man bleibt an der Oberfläche – damit Recht. Rainer Mennicken und sein Ausstattungsteam Stefan Brandtmayr und Cornelia Kraske haben die Oper dort platziert, wo das Libretto spielt: in der Zeit der napoleonischen Kriege, in der Italien von Frankreich besetzt war und man mit aller Macht versuchte, sich von den Invasoren zu befreien.
Der Teufel steckte im Detail
Schön und gut. Aber nach mehr als 200 Jahren bewegter Geschichte ist das ein bisschen zu wenig und zu harmlos. Die Scarpias von damals leben heute umso besser, die Ohnmacht der dagegen Ankämpfenden wird größer. Und selbst die Position der Kirche hat sich nur wenig geändert. Auch die Geistlichkeit ist machtlos.
Daher scheint es fast unpassend, dass sich beim Te Deum im ersten Akt zwar grandios pompös der dunkle Hintergrund zu einem Kreuz vor blauem Himmel öffnet, dass weiße Kardinäle von unten herauffahren und sogar in einer Schar Engel von oben herabschweben. Aber zumindest angesichts des Bösen, bei dem diese Kirche mitgespielt hat, müsste sich irgendwo das Blut auf den weißen Habits der Scheinheiligkeit zeigen. Die koitiven Bewegungen Scarpias angesichts einer nacktbusigen Madonna mögen zwar die sexuellen Nöte des Tyrannen zeigen, nehmen aber keine Stellung zur Szene – und sie ist das Zentrum der Oper.
Der zweite Akt entsprach großteils dem, was man gewöhnt ist. Im dritten Akt spielt die Psychologie hinein – Cavaradossi sieht angesichts des Todes sein Leben Revue passieren, und selbst der Hirtenknabe mutiert zum kleinen Malerbuben, der seiner Freundin – vielleicht sogar Floria Tosca – die Sterne zeigt. Neu – so das Regieteam – sei auch die Lösung des Selbstmordes der Tosca, denn sie rettet sich in eine Öffnung des Hl. Michaels. Wenn nun dieser vom Blitz getroffen in Flammen aufgegangen wäre und so ein göttlicher Wink das Ende der Tosca hervorrufen würde, wäre es tatsächlich neu. So klettert aber das Tosca-Double auf einen Flügel der Statue, um von dort noch sicherer in den Tod zu springen – also was nun?
Es gibt viele Details, die nicht alles so stimmig erscheinen lassen, wie die glänzend lackierte Oberfläche das zeigen möchte. Musikalisch war der Abend ebenfalls keine Sensation. Dante Anzolini leitete das wunderbar disponierte und zu jeder dramatischen Aktion bereitstehende Bruckner Orchester, ließ aber viel von der Andersartigkeit dieser Partitur vermissen. Er ist überbemüht, jeden kleinsten Einsatz zu geben, beinahe jeder Sechzehntel Gewicht zu verleihen, vergisst aber darüber den großen Fluss. Manchmal wär es besser, die Musik strömen zu lassen.
Perfekter Chor und Kinderchor
Marcelo Puente hat als Cavaradossi ein wunderbares Timbre und versteht seine Stimme genau zu führen, schien aber nicht die Ruhe zu bekommen, Spitztöne sicher zu setzen. Tuomas Pursio konnte als gestandener Scarpia stimmlich punkten, wenngleich manchmal etwas mehr Differenzierung und subtilere Klänge nicht geschadet hätten. Losgelöst vom Umfeld agierte Sonja Gornik als Tosca: rundum gelungen. Ulf Bunde blieb ein wenig blass als Angelotti, und Franz Binder spielte einen trefflichen Mesner, dem aber die stimmliche Größe fehlte. Chor und Kinderchor waren wie immer ein Garant für eine perfekte Leistung.
Musiktheater: Puccinis "Tosca", Premiere am 12.9.
OÖN Bewertung:
Für das Publikum, das man krampfhaft aus den hintersten Tälern des Mühl- und Innviertels herankarrt ist es wohl egal, wer inszeniert, wie musiziert wird etc. etc.
Man ist froh, wenn die Vorstellung vorüber ist, man den jeweiligen Autobus wieder zur Heimreise findet und der Kutscher wenigstens ordentlich eingeheizt hat.
So eine "Opernreise" ist doch schön, nicht wahr ?
nicht! Sie schreiben 2/3 über die Inszenierung und nur 1/3 über die Musik!? Bei einer Oper ist das WICHTIGSTE die MUSIK! Die Regie soll sich gefälligst an die Vorgaben im Libretto halten!
und genau dahin gehört eine Opernaufführung und genau das ist der Erfolg dieser Aufführung gewesen.
Der normale Opernbesucher kann auch ohne eine regieverliebte Holzhammermethode den Bezug zur Gegenwart herstellen, oder auch nicht.
Für politische Aussagen bieten zeitgenössische Stücke von Gegenwartskünstlern ohnehin eine sehr große Plattform (Zeitgenosse mit der Betonung auf GENOSSE).
unglückselige gekrapfte Regieeinfälle. Begonnen hats mit einem total verhauten Rosenkavalier noch vor der Eröffnung des Hauses.