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Lohengrin: Politik nur vor Beginn

27. Juli 2018, 00:04 Uhr
Lohengrin: Politik nur vor Beginn
Ein Lohengrin, ganz in Blau, nach dem Bühnenbild von Neo Rauch und Rosa Loy Bild: Nawrath

Sprechchöre in Bayreuth gegen Ministerpräsident Söder, Jubel für unpolitischen Lohengrin.

So etwas hat Seltenheitswert bei den Richard-Wagner-Festspielen: Sprechchöre beim Eintreffen des bayerischen Ministerpräsidenten. "Refugees are welcome here" schallt es Markus Söder (CSU) entgegen, als er am Mittwoch mit seiner Frau auf dem Grünen Hügel in Bayreuth ankommt. Ein öffentlichkeitswirksamer Protest gegen die Asylpolitik seiner Partei. Auf die Bühne dagegen kommt in diesem Jahr ein "Lohengrin", wie er unpolitischer kaum sein könnte. Regisseur Yuval Sharon erzählt die Geschichte von Wagners berühmtem Schwanenritter als Märchen – nicht mehr, nicht weniger.

Lohengrin in Blau

Märchenhaft ist dabei vor allem das Bühnenbild von Deutschlands Kunststar Nummer eins: Neo Rauch (und seine Frau Rosa Loy) haben sechs Jahre daran gearbeitet und tauchen den neuen Bayreuther "Lohengrin" in Blau. Das sinnliche Bühnenbild ist das bestimmende Element der Inszenierung, bewegt sich irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Bei Sharon, Rauch und Loy scheint es eher um eine sinnliche als eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der inhaltlich eher schlichten Neuinterpretation des "Lohengrin"-Stoffes zu gehen.

Personenführung scheint kaum vorhanden. Die aufwiegelnde Ortrud (Waltraud Meier) erscheint zwar in einem Kostüm, das mit seinem weißen Kragen entfernt an Englands Elisabeth I. erinnert. Und Elsa (Anja Harteros) ist nicht sonderlich begeistert davon, in der Hochzeitsnacht zu erfahren, dass ihr Liebster auf Fesselspielchen steht. Dann reicht es ihr. Sie fragt nach seinem Namen und tauscht das narkotische Blau ihrer Kleidung fortan gegen selbstbewusstes Orange. Das war es schon mit Regieeinfällen. Eher gemischt fällt auch die Reaktion des Publikums aus, ganz im Gegensatz zum musikalischen Teil der Inszenierung.

Der wird – wie fast immer in Bayreuth – einhellig bejubelt. Allen voran gilt der Applaus "Lohengrin" Piotr Beczala, dem Mann, ohne den die Premiere wohl ins Wasser gefallen wäre. Schließlich war er nur wenige Tage vor Probenbeginn für den Tenor Roberto Alagna eingesprungen, der es schlicht nicht geschafft hatte, rechtzeitig den Text zu lernen. Dabei ist es wohl eher die große Dankbarkeit, die das Publikum ausdrücken will, als die ganz große Begeisterung. Ist Beczala doch ein zurückhaltender Lohengrin, der hinter Harteros als Elsa und Bayreuth-Rückkehrerin Maier (sang vor 18 Jahren zum letzten Mal auf dem Hügel) als Ortrud etwas in den Hintergrund gerät. Unumstritten ist beim Publikum auch die musikalische Leistung von Musikdirektor Christian Thielemann, der mit dem "Lohengrin" jetzt alle zehn im Festspielhaus aufgeführten Wagner-Werke dirigiert hat.

Söder übrigens, dem nicht so freundlich empfangenen Ministerpräsidenten, hat die unpolitische Inszenierung gefallen. Als Gastgeber beim Staatsempfang nach der Premiere sagte er: "Ich habe selten so eine großartige Inszenierung in Bayreuth erlebt." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand es schlicht "wunderbar". Seltene Einigkeit zwischen den Schwesterparteien. (vos)

Fazit: Der neue Bayreuther "Lohengrin": optisch opulent, inhaltlich schlicht, musikalisch umjubelt.

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